Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
„Parkinson an der Universität
35 Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien werden in der 56 Seiten starken Broschüre, die ihre Stellungnahme zum Diskussionentwurf für ein Universitätsorganisa- tionsgesetz enthält, namentlich aufgezählt: Damit soll eine Diskussion aus der Anonymität’ herausgeführt werden.
Die Professoren’1 £ä)ieri: in dfet* Von ihnen bedauerten Anonymität des ministeriellen Entwurfes kein bloß formales Problem, denn, wie sie meinen, erschwert die Anonymität die Auifklärbarkeit unklarer Formulierungen, und unklare Gesetze bedeuten Streit und Rechtsunsicherheit. Diese wiederum müssen zur ständigen Einschaltung des Ministeriums führen. Um ihrerseits keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, beschränken die Professoren ihre Kritik auf den von ihnen restlos überschaubaren eigenen Fachbereich. Sie setzen damit den im Entwurf enthaltenen Vorschlägen zu einer „Demokratisierung“ der Universität die von ihnen vertretenen „Anforderungen der Sachgerechtigkeit“ entgegen. Die Broschüre wurde im übrigen auf private Kosten der Professoren gedruckt.
Gegen zu kleine Fakultäten
Die Professoren sehen als schwerstwiegende Mängel des ministeriellen Entwurfes die organisatorischen Komplikationen an, die sich aus der Aufspaltung der Rechts- und Staatswissenisdiaftlichen Fakultät in vier oder gar fünf neue Fakultäten ergeben würden sowie aus der Fülle und Struktur sonstiger Beschlußkörper und aus der schematischen Gleichibehandlung höchst unterschiedlicher Universitätseinrichtungen. Die kleinen Fakultäten stehen nicht im Interesse der Wissenschaft, erklärte Prof. Streißler und führte dazu an:
• Die Grenzen der einzelnen Wissenschaftszweige wandeln sich heute rasch, zu enge Abgrenzungen können also eine sinnvolle Kooperation verhindern.
• Es ist eine falsche Annahme, daß Fachprofessoren am sachgerechtesten entscheiden. Es gibt ein „optimales Fernverhältnis“ der Professoren zu den Problemen — und das entspricht eben den heutigen Fakultäten. (An der Linzer Hochschule gibt es übrigens diese vom Entwurf propagierten kleinen Fakultäten durchaus nicht…)
Dekan Nußbaiomer erinnerte in diesem Zusammenhang an das Par- kinsonsche Gesetz: Je mehr Fakultäten, um so mehr Dekanate, Sekretariate, Büros…
Die Professoren befürchten, daß die Organisationshypertrophie des Entwurfs nicht nur sie selbst von ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich von der Lehre und von der Forschung, abhalten würde, sondern auch die Assistenten. Die Folge wäre ein allgemeiner Niveau Verlust, egrev wc f gm/xjteütfrbaaixc
Lehrfreiheit nur für Professoren?
Ä orh, & a
Starke Bedenken äußern die Professoren hinsichtlich der Art und Weise, wie die Lehrbefugnis im Entwurf des Ministeriums behandelt wird. Art. 17 des Staatsgrundgesetzes garantiert bekanntlich die inhaltliche und methodische Gestaltungsfreiheit des Lehrstoffes. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Lehrfreiheit allen jenen Personen unmittelbar kraft Verfassung garantiert, denen durch einfachgesetzliche Regelung eine selbständige Lehrbefugnis verliehen wurde, das sind also die Ordentlichen und die Außerordentlichen Universitätsprofessoren, die Universitätsdozenten und die Universitätslektoren. Der Entwurf scheint aber allein den Ordentlichen Professoren und andeutungsweise für praktische Fächer den Universitätslektoren eine Garantie für die „freie … inhaltliche und methodische Gestaltung (ihrer) Lehrveranstaltungen“ zuzuerkennen. Das könnte eine verfassungsrechtlich unzulässige Beschränkung der Lehrfreiheit für die anderen Lehrbefugten bedeuten.
Der ministerielle Entwurf sieht die Neueinrichtung des sogenannten Studiendirektors vor. Die Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät weisen darauf hin, daß an den österreichischen Universitäten erstmalig im Zuge des Josephinismus Studiendirektoren eingeführt wurden. Ihre Aufgabe lag damals darin, die Hochschullehrer auf die geltenden staatlichen Wertvor Stellungen auszurichten und die wissenschaftliche Kritik an diesen Bereichen zu verhindern. Die Studiendirektoren wurden im Zuge der Thun-Hohen- steinschen Hochschulreform im Jahre 1849 abgeschafft. Und erst der 1867 erlassene Artikel 17 des Staatsgrundgesetzes verhinderte endgültig die Wiedereinführung dieser Institution. Die Professoren melden nun gegen eine Wiedereinführung nach mehr als 120 Jahren verfassungsrechtliche Bedenken an. Gegen den Studiendirektor gibt es aber auch fachliche Bedenken. Eine Beratungsfunktion kann der Studiendirektor bei den so unterschiedlichen Fächern nicht ausüben, wenn er kein Universalgenie ist. Sollte er, wie dies der Entwurf andeutet, für die Skripten zuständig sein, darni wäre dies schon aus dem Grund bedenklich, als ja die Fakultät gerade den Typ des nur skripten- kunddgen Studenten mit großer Mühe zurückzudrängen versucht.
Dem Studiendirektor soll, laut Entwurf, schließlich die „ständige Beobachtung… der Effektivität und Objektivität von. Prüfungen“ Obliegen. Diese unklare Formulierung halten die Professoren ebenso für fragwürdig wie die Ermächtigung für den Studiendirektor, an die oberste akademische Behörde und an das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Berichte zu erstatten. Welche Berichte, fragen die Professoren.
Nicht nur Kritik
Die Professoren wehren sich gegen den Vorwurf, sie wollten nur kritisieren und dem Entwurf ein Nein entgegensetzen. Sie lehnen den Entwurf des Ministeriums keineswegs kategorisch ab, sondern erklären sich mit ganzen Passagen, so bezüglich der Studienkomimissionen oder des Haibilitations- und Berufungsver- fahrens weitgehend solidarisch. Sie sind auch durchaus für die im Entwurf geforderte „Mitbestimmung“, nur sollte diese je nach Problemstellung verschieden sein. Sie sind immer schon für „ad hoc“- Mitentscheidungen der Studenten gewesen, sie sind nur gegen einen diesbezüglichen Zwang.
Das Ganze ist für sie keineswegs ein Machtproblem, wie dies von progressiver Seite fälschlicherweise behauptet wird, sondern einfach ein Zeitproblem. Wenn zum Beispiel das Fakultätskollegium so, wie es der Entwurf vorsieht, als Studienkommission die „Betreuung der Studienanfänger“ und alle zur Erfüllung der sonstigen Studienangelegenheiten notwendige Detailarbeit übernehmen müßte, wäre infolge der permanenten Sitzungen die eigentliche Arbeit der Professoren in Wissenschaft und Lehre unmöglich gemacht. Hingegen können Professoren und Studenten zahllose Fragen untereinander auch ohne Studienkommission wie bisher zufriedenstellend regeln.
Damit wollen die Professoren nicht sagen, daß bisher schon alles getan wurde, was zur Erneuerung der Hochschule notwendig wäre. Sie konnten nur im Rahmen des bestehenden Gesetzes handeln, und das war oft zu wenig. Daher ist die Erneuerung der Universitäten auch ihr Anliegen — nur über den Weg bestehen Differenzen. Die Professoren sind, so sagen sie, zur sinnvollen Kooperation mit allen Reformwilligen bereit.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!