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Das traditionelle Dreiländer- treffen" der katholischen Pu- blizisten der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreichs präsentierte sich heuer (20. bis 23. September, Schloß Puchberg bei Wels) als „Mehrlän- dertreffen" mit einer Reihe von Teil- nehmern aus Osteuropa und wid- mete sich dem Thema „Missions- land Europa". Als am ersten Abend die Lage der katholischen Publizi- stik in den deutschsprachigen Ländern zur Sprache kam und der Referent aus der Schweiz sich fast ausschließlich mit der umstritte- nen Ernennung von Wolf gang Haas zum Bischof von Chur befaßte, war auch bereits ein „heißes Eisen" dieser Tagung berührt.

Dabei war es interessant, wie die rund 120 Vertreter von Ost und West gerade in der Frage, ob Kritik an Bischofsernennungen berechtigt sei, deutlich gegensätzliche Posi- tionen einnahmen. Die Ost-Argu- mentation, wie sie etwa der neue polnische Botschafter in Österreich, Wladyslaw Bartoszewski, formu- lierte, lautete sinngemäß so: „Wir waren auch nicht mit allen Er- nennungen zufrieden, aber froh, wenn Bischöfe ernannt werden

konnten und wir damit die Verbin- dung zur Weltkirche hatten. Für uns, die dafür demonstrierten, daß der Papst Bischöfe frei ernennen kann, ist es unverständlich, wenn gerade an dieser Freiheit im We- sten Kritik geübt wird."

Tomas Halik, der Sekretär der tschechischen Bischofskonferenz, schilderte praxisnah die gegenwär- tigen Probleme der Kirche in Böh- men, meinte, die Kirche müsse im hereinbrechenden Konsumzeitalter einen „alternativen Lebensstil" anbieten und zeigte ebenfalls we- nig Verständnis dafür, daß in west- lichen Medien innerkirchliche Pro- bleme „mit Masochismus" aufge- griffen werden.

Daß diese Sicht auch im Referat des Apostolischen Nuntius in Öster- reich, Erzbischof Donato Squic- ciarini, anklang, überraschte nicht. Wenn dieser von einer „gefährli- chen Sattheit" in Europa sprach, so meinte er den Westen, der im Be- griff sei, „dem praktischen Mate- rialismus nachzugeben". Müsse nicht seitens der Journalisten „die erste missionarische Anstrengung darauf gerichtet sein, die immer aufzubauende Einheit in der Kir- che zu fördern", fragte der Nun- tius, den Nachfolger Petri als Ga- ranten dieser Einheit betonend.

Den Nagel auf den Kopf traf zu dieser Thematik wohl Kurt Skal- nik, Pressesprecher des Bundes- präsidenten, als er in einer Wort- meldung - auf den Galaterbrief (2,11) anspielend - sagte: „Alles zu seiner Zeit. In schlechten Zeiten ist Geschlossenheit geboten, in Frei- heit gilt auch das Recht des Paulus, dem Petrus entgegenzutreten."

Die Hauptreferenten waren - in dieser Reihenfolge - Hermann Lübbe, Eugen Biser, Tomas Halik, Nuntius Squicciarini und Bischof Reinhold Stecher. Lübbe, Profes- sor für Philosophie und Politische Theorie an der Universität Zürich, erwartet im Osten Europas nach dem Verfall des Totalitarismus einen „Säkularisierungsschub". Sä- kularisierung beinhalte, so Lübbe, auch positive und irreversible Er- rungenschaften, etwa Toleranz und Religionsfreiheit, die Zivilehe, die Trennung von Staat und Kirche.

Eugen Biser, der emeritierte Inha- ber des Lehrstuhls für Christliche Weltanschauung und Religionsphi- losophie an der Universität Mün- chen, gab sich optimistisch, daß das Christentum, wenn es das Evange- lium und dessen Gedanken zu Lie- be und Freiheit betone, viele, die heute nach religiösen Antworten suchen, ansprechen könnte. Biser trat für mehr Mystik und weniger Moralismus ein und zitierte das be- rühmte Karl-Rahner-Wort, der Christ der Zukunft werde „Mysti-

ker oder nicht mehr" sein.

Eine Reihe von Bisers Gedanken floß in die Kernsätze der - von fast allen Teilnehmern mitgetragenen - Schlußresolution der Tagung ein: „Im Mittelpunkt der Evangelisie- rung sollte der liebende Gott des Evangeliums und nicht der stra- fende Rfchter stehen. Eine Überbe- tonung von Moralvorschriften ver- kürzt das Evangelium unzulässig. Gott hat jeden Menschen zur Frei- heit berufen und gibt seinem Leben Sinn. Er ist überall am Werk, wo Freiheit verwirklicht wird, auch außerhalb der Kirche. Wir können uns eine Evangelisierung ohne Zu- sammenarbeit mit Christen ande- rer Konfessionen und ohne Auf- bruchstimmung, wie sie nach dem II. Vatikanischen Konzil herrschte, nicht vorstellen. Angst, Bevormun- dung und Mißtrauen behindern einen solchen Prozeß. Der zukünf- tige Weg der Kirche liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Klerus und Laien."

Die westlichen Teilnehmer schie- nen sich weitgehend darüber einig, daß in einer demokratischen Ge- sellschaft auch in der Kirche nicht alles „von oben nach unten" ver- ordnet werden soll. Eugen Biser sprach von einer „Phasenverschie- bung": Heute sei die Basis der Kir- che der Kirchenspitze voraus. Eine straffere Kontrolle des Kirchenvol- kes bringe nichts. „Wir müssen

nicht, wir dürfen glauben!" beton- te der Theologe.

Hilfe für ihre praktische Arbeit fanden die Publizisten in der ermu- tigenden Predigt des Ortsbischofs Maximilian Aichern beim Schluß- gottesdienst („Die Kirche kann sich nicht entfalten in einer Atmosphä- re der Angst voreinander, in der einer sich nicht offen zu sagen traut, was er zum Wohl der Kirche für richtig hält.") und schon vorher im Referat des Innsbrucker Diözesan- bischofs Reinhold Stecher mit dem Titel „Ringen um Sprache".

Stecher hob die Sprache des II. Vatikanischen Konzils als Zäsur gegenüber früheren Texten positiv hervor und plädierte für „eine Sprache, die die Herzen berührt", eine dialogische Sprache, die sich ernsthaft mit anderen Positionen

auseinandersetze, die Humor und Mut zum Bild besitze. Im letzten ginge es um eine „Kommunikation der Liebe", aber keineswegs nur um Streicheleinheiten:

„Hie und da darf und muß es blitzen - das zweischneidige Schwert des Gotteswortes, das kraftvoll und lebendig ist (Hebräer 4,12). Aber nur dann, wenn es wirk- lich um die letzten, tragenden Wahrheiten geht, die Er uns hinter- lassen hat. Wenn ich die Lanze auf Windmühlen anlege, werde ich rasch vom edlen Ritter der Wahr- heit zum Don Quijote. Darum ge- hört zur Voraussetzung der rechten Sprache sicher auch ein solides Wissen um das Wesentliche, und das ist eine Forderung an jeden ka- tholischen Journalisten und Ver- künder."

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