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Parteimitglieder geben die Marschroute vor

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Die Zweifler sind in der jetzigen Phase beständige Begleiter der Parteierneuerung der österreichischen Volkspartei. Vor einem halben Jahr, beim Bundesparteitag am 7. Juli 1979, erfolgte der Start zur Erneuerungsdiskussion. Damals meinten viele der Zweifler, daß erstens keine echte, engagierte Diskussion zustande kommen und zweitens das Ergebnis nur äußerst mager ausfallen werde. Sie wurden enttäuscht.

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Die Zweifler sind in der jetzigen Phase beständige Begleiter der Parteierneuerung der österreichischen Volkspartei. Vor einem halben Jahr, beim Bundesparteitag am 7. Juli 1979, erfolgte der Start zur Erneuerungsdiskussion. Damals meinten viele der Zweifler, daß erstens keine echte, engagierte Diskussion zustande kommen und zweitens das Ergebnis nur äußerst mager ausfallen werde. Sie wurden enttäuscht.

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Die Erneuerungsdiskussion entwickelte nämlich im Herbst eine ganz beachtliche Dynamik. In fast allen Gemeinden Österreichs, jedenfalls in mehr als 2200 der insgesamt 2300 Gemeinden, fanden sogenannte Ortsdiskussionen statt. Insgesamt 120.000 Österreicher - Mitglieder, Freunde und Sympathisanten der Volkspartei - redeten miteinander darüber, wie die Struktur der Partei neugestaltet, welchen politischen Weg sie in Zukunft einschlagen und wie sie ihre Grundsätze besser in die politische Alltagspraxis umsetzen sollte.

Man kann ohne Überheblichkeit sagen, diese breite, offene Diskussion hat es noch in keiner österreichischen Partei gegeben. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mehr noch: Es wird die Politik der Volkspartei entscheidend mitbestimmen.

Nicht wenige bezweifeln nämlich schon wieder, daß die Auswertung der Ergebnisse der Diskussion ohne Konsequenzen bleiben werde. Sie werden sich täuschen.

Wenn bei den Grundsätzen mit 38 Prozent die Freiheit, mit 34 Prozent das von der christlichen Soziallehre geprägte Menschenbild und mit 31 Prozent die Eigenverantwortung in den Vordergrund gerückt werden, so heißt dies, daß wir eine Politik zu verfolgen haben, die den selbständigen Menschen zum Ziel hat.

Wenn bei den sachpolitischen Themen mit 21 Prozent der Schutz und die Bildung von Eigentum an der Spitze stehen, so heißt dies, daß in Zukunft die Volkspartei mehr als bisher als die Partei aufzutreten hat, die für die Sicherung und Förderung des persönlichen Eigentums eintritt.

Wenn in Zusammenhang mit der Organisation mit 34 Prozent die Forderung Vorrang erhält, daß Funktionäre und Mandatare den Kontakt zum Volk verbessern müssen, so heißt dies, daß das Wählerservice Schwerpunkt der Parteiarbeit auf Gemeinde- und Betriebsebene zu werden hat. Noch in diesem Jahr wird man an den konkreten Einzelmaßnahmen ablesen können, wie sehr sich die Volkspartei dem Auftrag ihrer Mitglieder und dem Ergebnis der Erneuerungsdiskussion verpflichtet fühlt.

Am 14. Dezember des Vorjahres wurde in einer Sitzung der Bundesparteileitung der Fragenkatalog für die Urabstimmung beschlossen. Und wieder hat es Zweifler gegeben. Jetzt meinten sie, die Volkspartei werde nicht den Mut haben, heikle Fragen zu stellen. Und wieder wurden sie enttäuscht.

Gleich als erste Frage wird den Mitgliedern zur Entscheidung vorgelegt, ob die sechs Teilorganisationen der ÖVP bei Stärkung des Vorrangs der Gesamtpartei bestehen bleiben sollen. Nicht einmal zugetraut hat man uns, daß wir uns diese Frage zu stellen trauen. Die Frage 4 zum Beispiel geht viel weiter als ursprünglich angenommen. Nicht nur die Stellvertreter des Parteiobmannes, sondern alle Mitglieder der Parteileitungen sollen vom jeweils zuständigen Parteitag gewählt werden.

Alle Mitglieder der Volkspartei haben es vom 18. bis 27. Jänner in der Hand, über ganz wesentliche Fragen, die die Struktur der Volkspartei betreffen, zu entscheiden. Es ist dies in der österreichischen Parteiengeschichte ein einmaliger Vorgang. Nicht „die da oben" entscheiden über

die zukünftige Volkspartei, sondern „die da oben" haben sich nach dem Urteil ihrer Mitglieder zu richten. Und da sind schon wieder die nächsten Zweifler am Werk, nämüch jene, die glauben, das Ergebnis der Urabstimmung werde beim Parteitag nicht zum Tragen kommen.

Selbstverständlich werden die Er- * gebnisse derUrabstimmung, und zwar aus allen zehn Fragen, als Anträge entsprechend formuliert, am 29. Fe-. bruar dem Bundesparteitag zur Beschlußfassung vorgelegt. Natürlich

ist ein Bundesparteitag vom Statut her das oberste und damit letztentscheidende Gremium, aber es ist ebenso natürlich, daß das Ergebnis der Urabstimmung ein ungeheures Gewicht besitzt, an dem die Delegierten einfach nicht vorüber können.

Die Delegierten werden aber noch mehr zur Abstimmung vorgelegt bekommen. Die Erneuerung beschränkt sich nicht nur auf die zehn Fragen der Urabstimmung. Schon aus technischen Gründen konnten den Mitgliedern nicht noch mehr Fragen zur Entscheidung vorgelegt werden. Sowohl aus der Diskussion wie auch noch von der Sitzung des erweiterten Bundesparteivorstandes vom 17. Juni 1979 gibt es weitere Reformpunkte, die ebenfalls dem Bundesparteitag zur Beschlußfassung vorgelegt werden.

Den letzten Zweiflern sei schließlich gesagt, daß die Parteierneuerung

mit der Beschlußfassung des „Reformpaketes" am Bundesparteitag nicht endet, sondern erst beginnt. Denn vom 1. Marz an muß diese Erneuerung in die politische Alltagspraxis umgesetzt und konsequent auf allen Ebenen nachvollzogen werden. Und wir müssen nach den neuen Leitlinien der Parteiarbeit vorgehen.

Dieser gesamte Prozeß der Erneuerung von der Diskussion über die Urabstimmung bis zur Beschlußfassung ist ein in unserer Demokratie einmaliger Vorgang. Die anderen demokratischen Parteien werden ihn eines Tages nachvollziehen müssen.

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