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Digital In Arbeit

Parteipolitik im Rundfunk, wohin man schaut

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Der ORF kommt nicht zur Ruhe. Auf der einen Seite wirft die im Herbst fällige Neubestellung der Unterneh-mensführung ihre Schatten voraus, auf der anderen liefern einander die ORF-Redakteure heftige Grabenkämpfe, zuletzt im Zusammenhang mit der Wahl des Redakteursrates. Nach vier Jahren Reform-Reform-Rundfunk scheint hier die sachliche Arbeit mehr denn je von parteipolitischen Überlegungen verdrängt zu werden.

Was das Programm betrifft, so sprechen zumindest die Einschaltzahlen dagegen, daß es schlechter geworden ist. FS-l-Intendant Gerhard Weis stellt eine erfreuliche „Verösterreicherung“ seines Kanals fest, und Franz Kreuzer von FS 2 tröstet sich damit, daß ihm eben die Aufgabe zugefallen sei, Programme für eine qualifizierte Minderheit zu machen. Gleichzeitig ist Kreuzer bestrebt, sein schon jetzt „vollwertiges“ Programm auch „gleichwertig“ zu machen, wenn schon nicht „vollständig“, weil er einen totalen Konkurrenzkampf beider Kanäle nicht für wünschenswert hält. Ein zunehmendes Konkurrenzverhältnis läßt sich aber nicht leugnen. Mit dem Plan einer großen Frühabend-Magazinsendung in FS 2, bestehend aus Österreich-Bild und Weltereignissen, dürfte Kreuzer jedenfalls nur sehr schwer durchdringen.

Daß von der alten ORF-Führung Kreuzers Kopf am meisten wackelt, während Weis recht fest im Sattel sitzt, ist bekannt. Von den drei meistgenannten Anwärtern auf den Posten de3-Generalintendanten dürfte Titelverteidiger Dr. Otto Oberhammer aufgrund des Amtsbonus mit den besten Chancen ins Rennen gehen, gefährliche Rivalen bleiben Dr. Helmut Zilk und Hörfunk-Intendant Wolf In der Maur.

Eine Ablenkung von diesen personellen Spekulationen brachte der jüngste Eklat bei der Wahl des ORF-Redakteursrates. Das entsprechende Statut sieht vor, daß zunächst die Journalisten an der Basis für jede Ab-teüung Redakteurssprecher wählen. Diese bilden den - derzeit 75-köpfigen - Redakteursausschuß, der aus seiner Mitte drei Vertreter (je einen aus Hör-

funk, Fernsehen und Landesstudios) in den Redakteursrat entsendet, der eine Art Exekutivkomitee darstellt.

Theoretisch sollte alle zwei Jahre gewählt werden. Praktisch gab es aber seit 1973, also seit der Bacher-Ära, keinen Wahlgang, was bereits ein bezeichnendes Licht auf die seither im ORF herrschenden Zustände wirft. Die heurige Wahl war überfällig. Aber nicht alles, was lange währt, wird endlich gut, schon gar nicht im österreichischen Rundfunk. Für einen höchst unerfreulichen Auftakt sorgten einige geschickte Intriganten, die Dr. Peter Pirker, bis dahin Vertreter des Fernsehens im Redakteursrat, unter dem Vorwand, er sei durch seine Mitwirkung in der Sendung „Aviso“ vom Journalismus in die Unterhaltungsbranche gewechselt, mittels einer aus-

gesprochen „linken“ Tour aus dem Redakteursrat hinausmanövrierten.

Trotz massiver Einmischung des Präsidenten der Journalistengewerkschaft, DDr. Günther Nenning, der offenbar eine Vergatterung der „linken Reichshälfte“ anstrebte, wählte schließlich der Redakteursausschuß die drei „bürgerlichen“ Kandidaten Dr. Günther Ziesel (Landesstudios), Reinhold Henke (Hörfunk) und Dr. Paul Schulmeister (Fernsehen). Was zum Exodus der Gegengruppe führte,

deren Sprecher - Alfred Treiber, Walter Krause, Helmut Oberhofer - gegen das Ergebnis heftig protestierten und einen „Mißbrauch der Geschäftsordnung“ argwöhnten.

Der Zorn der Linken beruhte darauf, daß die drei Vertreter vom gesamten Redakteursausschuß gewählt wurden, nicht getrennt nach den drei Einzelbereichen. Daher seien den Bereichen Hörfunk und Fernsehen von „außen“ (nämlich durch die Vertreter der Landesstudios) unerwünschte Kandidaten vorgesetzt worden. Bei inoffiziellen „Vorwahlen“ gaben nämlich die Redakteurssprecher im Bereich Hörfunk Heidi Grundmann gegenüber Henke den Vorzug, während beim Fernsehen eine Mehrheit für Othmar Urban statt für Schulmeister votierte. Kein über-

raschendes Ergebnis, da man doch seit Jahren beim ORF kaum Nichtsoziali-sten anstellt, stattdessen aber systematisch und massiv „linke Kräfte“ einschleust.

Im Plenum fielen jedenfalls Grundmann, die als „Funktionärsmulti“ (in Journalistengewerkschaft, Betriebsrat, Redakteursausschuß) gilt, und Urban, der als Hauptabteilungsleiter mit Intendantenambitionen etlichen nicht als der ideale Redakteursvertreter erschienen sein dürfte, durch. Die-

ses Ergebnis lag nicht nur an einer bisher einzigartigen Solidarisierung im bürgerlichen Lager, sondern auch daran, daß manche Sozialisten den von einer kleinen ultralinken Gruppe forcierten Kandidaten nicht ihre Stimme geben wollten.

Sicher kann man darüber streiten, ob das Plenum drei oder der einzelne Teilbereich je einen Vertreter in den Redakteursrat entsenden soll, aber zweifellos ist laut Statut die Plenarent-Scheidung gültig. Trotzdem will die Treiber-Gruppe die ORF-Beschwerdekommission anrufen, da im ORF-Gesetz von „Verhältniswahlrecht“ die Rede ist, allerdings in Verbindung mit dem Wort „kann“ und nicht mit .„muß“.

Ein Kuriosum am Rande ist die Tatsache, daß freie Mitarbeiter des ORF wohl in den Redakteursausschuß gewählt werden können, dort aber kein Stimmrecht für den Redakteursrat haben. Anderseits wird akzeptiert, wenn sie sich in diesem Fall von ORF-Angestellten vertreten lassen und diesen das Stimmrecht zugestanden. Die Klärung der Frage des Stimmrechtes für freie Mitarbeiter wird jedenfalls eine Hauptaufgabe des neuen Redakteursrates sein. Als weitere Anliegen werden die Erweiterung der Rechte der Redakteursversammlungen hinsichtlich Personal- und Programmentscheidungen und die Einführung von Sanktionen bei Verletzungen des Statuts genannt.

Ein Hauptanliegen der ORF-Spitze, die vielzitierte „Regionalisierung“, mußte dieser Tage aus dem Mund des heimlichen ORF-Generalintendanten Karl Blecha den Grabgesang vernehmen: „Ja zu einer Verbesserung des Fernsehens, nein zu elektronischen Spielwiesen ehrgeiziger ÖVP-Landeshauptleute.“ Parteipolitik auch hier, Parteipolitik, wohin man beim ORF schaut.

Jene Regionalisierung, die sich die Bundesländer wünschen, wird somit ein Wunschtraum bleiben. Das ORF-Kuratorium, das nächste Woche dieses Thema auf der Tagesordnung hat, wird eben nur beschließen, daß in dieser Richtung weitergearbeitet werden soll. So wie bisher...

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