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Partner zählt nicht

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„Ah, ein Kind der Liebe also", meinte der Gynäkologe, als ihn der Salzburger Fritz Nußbaumer (Name von der Redaktion geändert) besorgt fragte, ob das Kind, das Frau Nußbaumer erwartete, auch wirklich keine Gefahr für sie darstelle. Keine Gefahr, lautete die Auskunft des Arztes.

Es wäre das dritte Kind der Familie Nußbaumergewesen, einer Familie,die nach eigenen Angaben über all das verfügt, was man heute Wohlstand nennt.

Natürlich bedeutet die Gewißheit der Schwangerschaft, gleichgültig ob geplant oder überraschend, für jede Frau eine psychische Belastung. Die Frau braucht oft Wochen Zeit, um den Gedanken ganz auszuspielen.

Bei Frau Nußbaumer war es nicht anders. Sie hatte Angst. Angst auch davor, daß das Kind nicht normal werden könnte. Und daher wollte sie das Kind abtreiben lassen.

„Meiner Frau zu helfen, das Kind zu bekommen - und zwar ohne Probleme -, wäre einem verständnisvollen Arzt sicher nicht schwergefallen. So dachte ich zumindest", blickt Fritz Nußbaumer zwei Monate zurück.

Doch der Arzt beriet die Frau nicht in Hinblick auf ihre Probleme und Ängste, sondern versuchte ihr die Angst vor der Abtreibung zu nehmen. „Sie werden nichts spüren."

Als Herr Nußbaumer dann kurze Zeit dienstlich verreiste, vereinbarte seine Frau beim Gynäkologen kurzfristig einen Abtreibungstermin. Vierzig Stunden nach dem überraschten Ausruf des Arztes, daß hier ein „Kind der Liebe" unterwegs ist, setzte er dem werdenden Leben ein Ende.

Der Fall Nußbaumer ist in mehrfacher Hinsicht markant: Er widerlegt die weitverbreitete Ansicht, daß Frauen oftmals nur von ihren Partnern zur Abtreibung gezwungen werden. Und er wirft grundsätzliche Fragen auf. Etwa die: Gibt es beim Kinderwunsch Gleichberechtigung?

In dieser entscheidenden Frage zählt der Partner nicht. Etwas, was in vielen Fällen die Frau, in anderen Fällen den Mann trifft.

Die gesetzlichen Bestimmungen sagen dazu vieles, aber trotzdem nichts. Der Artikel 12 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte billigt Frauen und Männern grundsätzlich das Recht zu, „eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen".

Ähnlich behandelt auch der Paragraph 44 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches diesen Problemkreis: „Im Ehevertrag erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten."

Theoretisch könnte eine Abtreibung, gleichgültig, ob sie vom Mann gegen den Willen der Frau - obwohl gesetzlich untersagt - erzwungen wird, oder ob sie von der Frau gegen den Willen des Mannes vorgenommen wird, ein Scheidungsgrund sein.

Nur: Ist es wirklich sinnvoll, nach einem Leben auch noch eine Ehe zu zerstören?

Theoretisch wäre es auch möglich, für das werdende Kind vom Außer-streitgericht einen Kurator bestellen zu lassen, der sodann gegen die beabsichtigte Abtreibung gerichtlich vorgeht.

Denn: „Selbst ungeborene Kinder", besagt das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, „haben von dem Zeitpunkt ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze."

Unabhängig von den rechtspolitischen Überlegungen, wonach das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch das werdende Kind generell unter den Schutz der Gesetze stellt, ohne sich um irgendwelche Fristen zu kümmern, während das Strafgesetz eine Drei-Monate-Frist einräumt, sollte doch nichts unversucht bleiben, die derzeitige unbefriedigende Situation zu verbessern.

Praktiker der Familien- und Schwangerenberatung, die ihre Aufgabe sehr ernst nehmen, sind ebenfalls mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden: Viele Probleme, die sich vor einer schwangeren Frau in einer Notsituation auftürmen, wären wahrscheinlich partnerschaftlich zu lösen.

Allein: Der Partner ist in den wenigsten Fällen in die Beratung miteingebunden.

Der Ausweg: Die partnerschaftliche Beratung soll im Gesetz verankert werden. Damit könnte auch der Druck, der - heute zwar bekannt, aber nicht nachweisbar - auf Frauen ausgeübt wird, gemildert werden.

Der Fall Nußbaumer zeigt aber darüber hinaus auch am konkreten Beispiel, wie problematisch die Identität von beratendem und abtreibendem

Arzt, wie dies das geltende Gesetz zuläßt, ist:

Eine echte Beratung, die auf die Probleme der Frau, der Familie eingeht, hat nicht stattgefunden. Alternativen zur Abtreibung wurden nicht aufgezeigt. Der Frau wurde nicht die Angst vor dem Kind, sondern Angst vor der Abtreibung genommen.

Daher erscheint der Vorschlag der „Aktion Leben" vernünftig, die Beratung Sozialarbeitern zu übertragen, die das können, wozu Ärzteeinfach nicht in der Lage sind: nicht nur reden, sondern auch praktische Hilfen anbieten.

Fritz Nußbaumer, zurückblickend: „Wenn ein Patient zum Zahnarzt kommt, über einen schmerzenden Zahn klagt und um Extraktion bittet, so würde jeder vernünftige Arzt versuchen, durch entsprechende Behandlung den Zahn zu erhalten. Aber die Probleme meiner Frau wurden sofort - ohne lange zu fragen - durch .Extraktion' aus der Welt geschafft."

Nicht seiner Frau, dem Arzt macht er Vorwürfe. Vorwürfe, die sich auch gegen ein schlechtes Gesetz richten. Nicht verbittert, aber doch enttäuscht, muß er sich heute mit seiner Situation abfinden: „Mir hilft kein Arzt und kein Gesetz. Ich hoffe nur, daß unser Fall auch andere etwas nachdenklich werden läßt."

Auch eine andere, durchaus interessante Erfahrung, hätte FritZ Nußbaumer fast gemacht: Der Partner zählt nicht, aber er zahlt.

Ihm geht es dabei nicht ums Geld, sondern um die Art und Weise, wie es ihm abverlangt wurde. In keiner Honorarnote, die vom Arzt zur Vorlage bei Krankenkasse und Privatversicherung gefertigt wurde, findet sich der Hinweis auf die Abtreibung. „Wenn man die Papiere durchliest", berichtet er, „bekommt man den Eindruck, es wäre nur um die Entfernung eines Polypen gegangen. Sind solche Manipulationen in Ordnung?"

Für sich selbst hat Herr Nußbaumer die Frage beantwortet: Er ließ seine Schecks, mit denen seine Frau die Abtreibung und den Klinikaufenthalt bezahlt hatte, sofort sperren.

Mittlerweile zeichnet sich ab, daß an ihn daraus auch keine weiteren Forderungen gestellt werden.

Einsicht? Eingeständnis?

Genugtuung bereitet Fritz Nußbaumer freilich das nicht. Er hat andere, größere Sorgen: gemeinsam mit seiner Frau zur Familienharmonie zurückzufinden.

Ein besseres Gesetz hätte diese Harmonie nie zerstört.

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