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Partnerschaft; von Kirche und Staat

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Vvor 50 Jahren, am 1. Mai 1934, wurdeindemGesetzblatt.das die ständestaatliche Verfassung Österreichs „Im Namen Gottes" promulgierte, auch der lange vorbereitete Vertrag mit dem Heiligen Stuhl kundgemacht. Diesem Schritt der päpstlichen Diplomatie waren fünf Jahre davor die Lateranverträge (mit dem italienischen Konkordat) vorangegangen, das Reichskonkordat mit Hitler-Deutschland stand bereits seit 1933 in Kraft.

Das österreichische Konkordat hat im großen und ganzen seine Gültigkeit noch heute. Gewichtige Bedenken, die nach 1945 von sozialistischer Seite gegen das dem Geist und dem Wortlaut der Bundesverfassung widersprechende Zustandekommen der Vereinbarung (ohne Zuziehung der Volksvertretung) geltend gemacht worden waren, wurden nach Abschluß des Staatsvertrages allmählich beseitigt. Der Heilige Stuhl drängte Österreich auf Einhaltung der von ihm übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Immer wieder traten österreichische Katholiken in der Öffentlichkeit - darunter mehrfach auch der Wiener Kirchenrechtler Willibald M. Plöchl in diesem Blatt - hiefür ein.

Erfolg brachte der Gedanke des Unterrichtsministers Heinrich Drimmel, der eine stufenweise Bereinigung der Konkordatsproblematik vorschlug: Kirchenvermögen — Unterricht — Ehe. Der Vermögensvertrag, der den letzten Rest des Josephinismus beseitigte, war das erste greifbare Resultat, 1962 folgte die Schulkonvention; des weiteren wurde die

Einrichtung der Diözesen Eisenstadt, Innsbruck und Feldkirch vertraglich international festgelegt.

Von den 33 Artikeln (samt 18 Artikel des Zusatzprotokolls) der Vertragsurkunde sind allerdings nur drei vertraglich abgeändert; manch andere Bestimmung ist unanwendbar geworden, vor allem wurde der Eheartikel 1938 durch das deutsche Ehegesetz derogiert.

Die Tatsache, daß Osterreich ein Konkordatsstaat ist, enthält zugleich den Gedanken, daß sich beide Gewalten als gleichwertig anerkennen und ihre gemeinsamen Interessen partnerschaftlich regeln wollen. Die Kirche steht als autonome Körperschaft im Staat. Ihr innerer Bereich ist vor staatlichen Zugriffen verfassungsrechtlich geschützt. Dieser Grundsatz entspricht einem kirchlichen Prinzip, das zuletzt im Konzilsdokument „Gaudium et spes" formuliert wurde; hier heißt es: „Die politische Gemeinschaft und die Kirche sind je auf ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom".

Oft wird heute dieses Nebeneinander und Miteinander von Staat und Kirche mit den Begriffen Partnerschaft, Koordination und

Konkordanz (so die Wiener Kirchenrechtlerin Inge Gampl) umschrieben. Geht man von dem verfassungsrechtlich festgesetzten Grundrecht der Freiheit der Kirche gegenüber den öffentlichen Gewalten aus, so hat dies auch alles seinen guten Grund.

Auf dem Gebiet des Universitätsrechts kam es zu einer Sonderregelung für die katholischtheologischen Fakultäten. Koordination konnte auch bei der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes 1978 erreicht werden, als die Kirche als Trägerin von Eigentumsrechten an Monumenten großen Umfangs schwere öffentlich-rechtliche Belastungen befürchtete.

Wie steht es aber mit der gesellschaftspolitisch so bedeutenden Ehefrage? Wie steht es etwa um die öffentliche Diskussion um die Einführung der fakultativen Zivü-ehe, wie sie erst kürzlich im neuen italienischen Konkordat vom sozialistischen Regierungschef Craxi zugestanden wurde? Wie steht es etwa mit der Forderung nach dem Recht auf politische Exekution der Kirchenbeiträge? Den israelitischen Kultusgemeinden steht es für ihre Forderungen gegenüber ihren Mitgliedern zu, der größten Kirche in Österreich nicht. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Der Innsbrucker Staatsrechtslehrer Hans R. Klecatsky hat immer wieder auf den „transpolitischen Auftrag" der Kirche hingewiesen, der darin bestehe, daß die Kirche transzendental und politisch berufen sei, aus ihrem autonomen Freiraum heraus in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit für die Herstellung und Wahrung eines ihren religiösen Zielen entsprechenden politischen Zustan-des einzutreten; dies gilt in besonderem Maß für die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Gesellschaft.

Die katholische Kirche steht im Bemühen um diesen „transpolitischen Auftrag" in der Verteidigung ihrer eigenen Rechte und Ansprüche im demokratischen Kräftespiel. Sie ist aber nur ein Element hievon. Seit den letzten Jahrzehnten zeigt sich immer deutlicher, wie wenig sich die katholische Kirche in Österreich mit einer bestimmten politischen Richtung identifiziert. Diese überparteiliche Haltung muß aber als Herausforderung für jedes einzelne Glied der Unio my-stica verstanden werden, denn kein politisches Lager kann heute mehr Wortführer kirchlicher Anliegen sein.

Der Autor ist Professor für Kirchenrecht an der Universität Innsbruck.

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