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Passionszeit: unterwegs nach Jerusalem
Auch wir müssen Jahr um Jahr erst wieder neu verstehen lernen, um was es sich beim Leiden, Sterben und dann beim Auferstehen Jesu Christi eigentlich handelt. Kein Mensch kommt auf den Gedanken, seinen Nächsten kommendes Leiden, das auch sie mit einbezieht, vorher anzukündigen.
Einmal deshalb, weil wir selbst von dem geahnten kommenden Leiden doch noch einmal hoffen, verschont zu werden — zum anderen, weü wir unsere Nächsten, wenn wir schon ahnungsvoll Leiden und Sterben auf uns zukommen sehen, mit diesem Wissen verschonen. Zu unserem Lebensplan gehört das Leiden sicher nicht.
Leiden und Sterben Jesu sind also im wahrsten Wortsinn heilsnotwendig. Daß ich vor Gott ein Sünder bin, er-
fahre ich nicht durch Selbstbefragung, nicht durch seelische Tiefenforschung, ja, noch nicht einmal durch die bestürzenden Reaktionen unserer Nächsten.
Wer ich bin, wovon ich gewichen bin — das Kreuz macht es offenbar. Was ich sein kann, wozu ich berufen bin: im Anblick des Gekreuzigten wird es deutlich. Nachfolge Christi heißt darum, nahe am Kreuz bleiben. Selbsterkenntnis kann nie anders lauten, als bei den Wandergefährten des Auferstandenen am Ostermontag: Mußte nicht Christus das al-
les erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?
Es führt kein Weg am Leiden und Sterben vorbei zu Christus. Der Heiland hat es versucht, die triumphierende Kirche des Mittelalters tat es ihm nach, die „Deutschen Christen" in der NS-Zeit konnten mit der Passion Christi nichts anfangen — und dem frommen Juden ist ein Messias, der leidet und stirbt, noch heute ein unvollziehbarer Gedanke.
Vielen Christen ergeht es nicht anders. Weil sie die „Notwendigkeit" nicht sehen wollen, degradieren sie die Passion Christi zu einer mitleiderregenden Begebenheit in grauer Vorzeit, die dann noch nicht einmal den Vergleich mit dem Leid, das täglich unter uns tausendfach geschieht, aushält.
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