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Patriotischer „Hochverräter"

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Am 7. April ist Monsignore Josef Pinzenöhler (FURCHE 16/1991) im 82. Lebensjahr gestorben. Ein begnadeter Priester und hervorragender Lehrer. Aber auch ein unbeugsamer Widerstandskämpfer und Österreich-Patriot. Von den Nazis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt.

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Am 7. April ist Monsignore Josef Pinzenöhler (FURCHE 16/1991) im 82. Lebensjahr gestorben. Ein begnadeter Priester und hervorragender Lehrer. Aber auch ein unbeugsamer Widerstandskämpfer und Österreich-Patriot. Von den Nazis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt.

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In der Zeit war Österreich offiziell von der Landkarte verschwunden, sein Name durfte nicht genannt werden. Man sprach von der „Ostmark" beziehungsweise den „Donau- und Alpengauen". Gerade aber in dieser Zeit besannen sich viele „Ostmärker" auf ihr Österreichertum. Es wuchs in den Herzen und Hirnen der Menschen. Einer der Bekenner zu Österreich, der auch in dieser Richtung unerschrok-ken Aktivitäten gesetzt hat, war Josef Pinzenöhler, damals noch ohne akademischen Grad oder Titel. Die Widerstandsgruppe der er angehörte, verbreitete unter anderem ein Flugblatt, in dem es heißt:

„Österreich ist nicht ein Teil des deutschen Reiches, sondern ein durch Lüge und Gewalt erobertes, durch Tyrannei festgehaltenes, jedes Rechts beraubtes, gequältes und gepeinigte Land. Wir Österreicher sind durch Geschichte und Kultur, in Geist und Gesinnung, in Charakter und Lebensform von den Deutschen unterschieden, den Preußen gegensätzlich. Wir sind eine eigene Nation: die österreichische Nation... wir wollen ein selbständiges Österreich..."

Diese Widerstandsgruppe, der Pinzenöhler angehörte, wandte sich auch an andere potentielle Anti-NS-Grup-pen, so an die Eisenbahner. In einem Flugblatt wurden diese - es war im September 1938 - aufgefordert, gegen den drohenden Krieg Widerstand zu leisten. Es schloß mit den Worten: „Eisenbahner, seid Euch Eurer Kraft bewußt, Ihr könnt grausames Unglück verhindern, Hunger, Blut, Tod und rauchende Trümmer."

Mehrere Aktivisten der Gruppe bezahlten ihre Liebe und Treue zu Österreich mit dem Leben. Sie wurden von NS-Blutgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Und Pinzenöhler verbreitete auch ein Österreich-Gedicht:

„Ich gehe in denselben Wäldern Auf denselben Bergen umher, Ich sitz in der Stube der Mutter, doch ist es die Heimat nicht mehr. Ich Sprech mit denselben Leuten, die ich als Kind schon gekannt, sie grüßen mit fremden Gruße, und haben das Alte verbannt. Sie sprechen von fremden Göttern, und wähnen sich Göttern gleich. Ich fühl mich arm und verlassen, und wein um mein Osterreich."

Ich hörte den Namen Pinzenöhler (später in der Anklageschrift als Fra-ter Otto bezeichnet) erstmals im Jahre 1939 im Wiener Polizeigefängnis Roßauerlände, als ermein Zellennachbar war und zu Vernehmungen bei der geheimen Staatspolizei aufgerufen wurde. Trotz der qualvollen Verhöre blieb er fest und ließ sich weder Details über die illegale Organisation noch über seine „Hintermänner" herausprügeln. Wie er mir viele Jahre später erzählte, habe ihn einer der Gestaposchergen als eines der verlogensten Subjekte bezeichnet, das ihm untergekommen sei.

Wir standen damals auch durch den Kloschlauch (zu diesem Zweck mußte das Wasser mit der Klobürste herausgepumpt werden, was kein Aufseher sehen durfte) in sogenannter „telefonischer" Verbindung. Und wir verständigten uns auch durch Klopfzeichen von Wand zu Wand. Diese Kontakte, an denen oft der ganze Stock beteiligt war, halfen nicht nur die Einsamkeit leichter ertragen, viele hatten strengstes Leseverbot und durften auch keine Post von draußen erhalten, sondern es wurden auch Warnungen durch- oder weitergegeben. Etwa für das Verhalten bei den Vernehmungen oderdie Warnung vor einem Spitzel ...

Auch hier bewährte sich Pinzenöhler als echter Mitverschworener. Die Kraft in dieser schwierigen Zeit schöpfte er aus seiner Liebe zu den Mitmenschen und der Überzeugung, daß man das Unrecht, wenn man es als solches erkannt hat, bekämpfen muß, auch wenn man damit das Leben riskiert. Und natürlich aus seinem Glauben.

Der Zufall wollte es, daß wir dann noch einmal in Verbindung waren und zwar als Untersuchungshäftlinge im Landesgericht I. Wir saßen auf E/ I, also im ersten Stock des Einzeltraktes. Unter uns, im Parterre E, die zum Tode Verurteilten, die auf die Hinrichtung warteten. Und wieder gab es die bereits beschriebenen „Telefonkontakte" und wir waren tief beeindruckt, mit welcher Gefaßtheit die Todeskandidaten auf den letzten Weg warteten. Auch hier war Pinzenöhler für manche der letzte und trostreiche Gesprächspartner.

Auch nach 1945 kamen wir noch des öfteren zusammen. Unter anderem diskutierten wir als Zeitzeugen mit Angehörigen der jüngeren Generation, um diesen die Atmosphäre der Verhältnisse von 1938 bis 1945 zu vermitteln. Und vor allem die Lehren von gestern für heute und morgen. Pinzenöhler, der auch ein hervorragender Pädagoge war - er hatte ebenso wie ich nach dem Krieg nebenberuflich studiert -, überzeugte auch hier durch seine große Menschlichkeit. Die Zeit wurde jeweils zu kurz und oft wurde auch in den Pausen, am Korridor weiterdiskutiert. Und Pinzenöhler wich keiner Frage aus, auch wenn sie manchmal, was wohl unvermeidlich ist, etwas den Rahmen sprengte.

Wer Pinzenöhler gekannt hat, wird ihn nicht vergessen.

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