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Patt im US-Wahlkampf

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Man glaubt, an der Oberfläche haften zu bleiben, wenn man über den amerikanischen Wahlkampf in Form von Rezensionen der öffentlichen Debatten beider Kandidaten berichtet. Aber diese ganze Wahlkampagne entbehrt bis jetzt jeglicher Höhepunkte und dürfte auch zur Wahlenthaltung breiter Kreise am 2. November führen.

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Man glaubt, an der Oberfläche haften zu bleiben, wenn man über den amerikanischen Wahlkampf in Form von Rezensionen der öffentlichen Debatten beider Kandidaten berichtet. Aber diese ganze Wahlkampagne entbehrt bis jetzt jeglicher Höhepunkte und dürfte auch zur Wahlenthaltung breiter Kreise am 2. November führen.

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Wader sind die Kandidaten selbst „zündend“ noch haben sie wie einstmals die Mittel, extravagante Shows „abzuziehen“. Die Kampagne von 1976 wird mit öffentlichen Mitteln finanziert, das Budget schreibt vor, was ausgegeben und zugeteilt werden darf. Um Breitenwirkung zu erzielen, rast Carter mit seinem Beraterteam von Staat zu Staat. Sein „Campagne-Jet“ landet täglich an Orten, die tausend Meilen voneinander entfernt sind, er spricht oft an sieben verschiedenen Plätzen im Laufe von 24 Stunden. Da er die gleichen Themen in bereits erprobten Versionen vorträgt, gibt es für die ihn begleitenden Medienvertreter wenig Neues zu berichten, und so wartet man lediglich auf „Entgleisungen“, die den Reporteralltag abwechslungsreicher machen könnten.

Der Präsident wiederum verhält sich noch immer eher zurückhaltend, er läßt seine administrativen und außenpolitischen Entscheidungen für sich sprechen und werben. Daß er Herr des Weißen Hauses ist, verleiht ihm automatisch eine Resonanz, die sich der im Lande umhersausende Carter mühsam erarbeiten muß. Die drei Debatten der Kandidaten stellen daher den Höhepunkt des Wahlkampfes dar.

Der zweiten Debatte waren Themen der Außen- und Verteidigungs-politik vorbehalten, und Ford galt dabei als klarer Favorit. Man hatte erwartet, daß der Präsident gerade in Fragen der internationalen Diplomatie und in einer Diskussion über komplizierte Verteidigungsfragen mit umfangreicherem Tatsachenmaterial spielen und daher einen professionelleren Eindruck hinterlassen werde. Es kam aber anders. Carter griff sogleich an, drängte Ford in die Defensive und verhinderte so eine Niederlage, die beim jetzigen Stand der Dinge für ihn hätte verhängnisvoll werden können.

Ford, dem die Rede nicht so leicht von der Zunge läuft, hatte es unterlassen, die Verantwortung seines Amtes für die Sicherheit der freien Welt zu betonen. Er hätte Angriffe auf den exklusiven Stil seines Außenministers mit der Bemerkung abtun können, daß Diplomatie ihren eigenen Gesetzen folge und nicht auf der wahlpolitischen Bühne ins Spiel gebracht werden könne. Er hätte Carter als unerfahrenen Außenseiter aus Georgia abtun können, der die Spielregeln des internationalen Parketts nicht beherrscht.

Statt dessen versuchte der Präsident, sachlich zu antworten, und glitt damit auf der Glätte verallgemeinernder Phrasen seines Gegners aus. Einmal geschah das auf die überaus linkische Weise, daß er, als die Unterzeichnung des Helsinkipaktes zur Sprache kam, die Beherrschung Osteuropas durch die Sowjetunion bestritt. Jugoslawien, Rumänien und Polen seien „autonome und unabhängige Staaten“, deren Autonomie er, Ford, verteidigen werde. • Dieser Ausspruch dürfte Millionen von polnischen, tschechischen, rumänischen und ungarischen Wählern am Wahltag noch in den Ohren klingen. Am besten vermochte Ford sich noch durchzusetzen, wenn er immer wieder unterstrich, daß Amerika* in Frieden lebe, seiner Jugend keinen Kriegsdienst auferlege, daß es stark sei und respektiert werde. Amerika sei moralisch in Führung, denn der Friede sei moralisch.

In den Augen vieler Wähler dürfte Carter nach dieser Debatte seinen Anspruch auf „Präsidentschaftskaliber“ auf einem Sektor nachgewiesen haben, auf dem man ihm bisher mit viel Skepsis begegnet war. Es dürfte ihm aber auch gelungen sein, konservatives Profil zurückzugewinnen. Durch seine scharfe Kritik an der Detentepolitik, seine aggressive Ablehnung des sowjetischen Expansionismus, gelang es ihm, Ford rechts zu überholen und ein Gegengewicht gegen seine kostspieligen Wohl-fahrtsstaatsideen zu schaffen, die ihm zuletzt bei der zunehmend konservativer werdenden Wählerschaft geschadet hatten.

Noch ist es verfrüht, von einer Entscheidung im Wahlkampf zu sprechen. Es scheint aber, daß die abgeschwächte Konjunkturlage und die zweite Debatte die Chancen Carters ^gesteigert haben.

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