7001754-1987_27_17.jpg
Digital In Arbeit

Pazifismusmodell

Werbung
Werbung
Werbung

Es wird viele geben, die Bertha von Suttner, die „Baronin“, als eine der maßgeblichen österreichischen Vertreterinnen der Friedensbewegungen kennen. Doch schon Alfred Hermann Fried ist weitestgehend unbekannt. Die Tatsache, daß er der zweite österreichische Friedensnobelpreisträger ist, wird nicht gewußt.

Der Titel des vorliegenden Buches — „Überlegungen zum Frieden“ — soll etwas ganz Bestimmtes aussagen. Es geht nicht darum, abgeschlossene „Lehr-

meinungen“, eine bestimmte und unverrückbare österreichische Antwort auf eine international und immer wieder drängend gestellte Frage zu geben. Es gilt, Überlegungen anzustellen. Sie geben dem Buch etwas Unbestimmtes und sollen damit auch jene Situation kennzeichnen, die wohl nicht nur die äußeren Umstände veranschaulicht, unter denen dieser Band zustande kam, sondern auch die Situation der Friedensbewegung wie der Friedensforschung in Österreich generell In diesem Zusammenhang ist Zögern am Platz: Gab oder gibt es denn eine österreichische Friedensbewegung?

Wenn wir von der historischen Friedensbewegung ausgehen, und das war jene, die in dem Auftreten von Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried gipfelte, dann war sie vor allem eine staatstragende, stabilisierende Bewegung. Ihr Hintergrund war eine Monarchie, von der gesagt wurde, daß sie einen nächsten Krieg nicht überstehen würde.

Es lag daher im doppelten Interesse der österreichischen Friedensbewegung, einen Krieg vermieden zu sehen: Weil es das Ziel der international verankerten Bewegung war und weil es das Ziel des Staatsganzen war.

In der Zwischenkriegszeit präsentierte sich eine ganz andere und vor allem auch schon sehr stark zersplitterte Gruppe von Friedensaktivisten. Dazu gehörten die religiös motivierten, die ideologisch motivierten und die Reste der alten Bewegung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich wieder ein anderes Bild. Die religiös motivierten ebenso wie die ideologisch motivierten Gruppen traten nur mehr selten in Erscheinung. Sie waren auch nicht mehr wie einst Menschen, die von Österreich ausgehende, originäre Gedanken formulierten und auf das europäische Umfeld einwirkten. Sie waren vielmehr zu Gruppen geworden, die in eine gewisse Abhängigkeit von ausländischen Ideen und Bewegungen gerieten.

Und seit damals führte die österreichische Bewegung auch einen Kampf um den eigenen Standpunkt. Der ist zwar nicht immer erkennbar, doch er ist zweifellos vorhanden und resultiert aus jener anderen Form der Betroffenheit, die einem neutralen Kleinstaat zwischen den Europa beherrschenden Macht- und Militärblöcken einmal eigen ist. DabCi trat aber auch immer wieder jener Vorbildcharakter zutage, der wahrscheinlich überhaupt das Bemerkenswerteste an der eigenständigen österreichischen Bewegung ist: Daß aus dem Bewußtsein heraus, militärisch imbedeutend zu sein, ja im Grunde genommen von eigenen Auf- und Abrüstungsmaßnahmen kaum berührt werden zu können, ein anderes Maß an Glaubwürdigkeit entstanden ist Der niedrig gerüstete, immerwährend neutrale (Klein-)Staat ist im Grunde genommen ein PazifismusmödelL , .v;;““

In dem vorliegenden Band wird nicht nur deF Entwicklung und der österreichischen Modifikation einer weltweiten Bewegung nachgegangen, sondern auch immer wieder der besondere Standpunkt und die Modellhaftigkeit zum Gegenstand der Untersuchunggemacht

Das Buch ist so angelegt, daß die kontroversiellen Auffassungen nicht wegredigiert wurden, denn das wäre wohl der falsche Weg, eigenständiges Denken zu präsentieren. Der einzige und wesentliche Bezug sollte der auf Österreich sein.

Der Autor ist Dozent für österreichische Geschichte an der Universität Wien und wissenschaftlicher Oberrat am Heeresge-

enkiontliflkon Mneaiim iv» W71nr»

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung