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Pearl Harbor: ,Tag der Schande'

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Für viele Amerikaner ist es der „Tag der Schande“: der 7. Dezember 1941, als die Japaner völlig überraschend die US-Pa- zifik-Flotte auf Honolulu angriffen und größtenteils zerstörten. Pearl Harbor war auslösendes Moment des pazifischen Krieges; letztendlich aber führte es zu einer Neuordnung eben dieses pazifischen Raumes.

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Für viele Amerikaner ist es der „Tag der Schande“: der 7. Dezember 1941, als die Japaner völlig überraschend die US-Pa- zifik-Flotte auf Honolulu angriffen und größtenteils zerstörten. Pearl Harbor war auslösendes Moment des pazifischen Krieges; letztendlich aber führte es zu einer Neuordnung eben dieses pazifischen Raumes.

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Der 7. Dezember 1941 war ein klarer, friedlicher Sonntagmorgen auf Honolulu. Die Sonne hatte die dunklen Täler der Oahu-Ber- ge noch nicht erhellt, und über der ruhigen See erklang das Glockengeläut der Kirchen.

Aber plötzlich umschwärmten Torpedoflugzeuge den Hafen und hoch oben im Himmel flogen schwere Bomber, majestätischen Riesenvögeln gleich, über das Hickham-Feld.

Innerhalb von Sekunden durchbrach ein wahres Höllenspektakel die Stille: Bomben und Torpedos explodierten, mörderisches Bordwaffenfeuer setzte ein, überall in Panik umherrennende Men-

sehen, schreiend, fluchend, Schutz suchend.

Der Angriff kam für die Bewohner Honolulus wie aus heiterm Himmel — und das im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich hatten sich in Washington eben die japanischen Unterhändler zur Ruhe gelegt, und obwohl sich die japanisch-amerikanischen Beziehungen stetig verschlechtert hatten, deutete nichts daraufhin, daß die Situation hoffnungslos war.

Zwanzig Minuten lang währte das Inferno. Danach war die gesamte amerikanische Pazifik- Flotte zerstört oder doch gelähmt;. die Hälfte der amerikanischen Kampfflugzeuge lagen als Wracks auf den Flugfeldern;

mehr als 2000 US-Matrosen und Marineinfantristen waren tot — 1100 allein auf dem Schlachtschiff „Arizona“, das explodiert und in zwei Teile gebrochen war.

Solcherart erklärte Japan vor 40 Jahren den Vereinigten Staaten den Krieg!

Die Wut der Amerikaner ist leicht auszumalen. Und sie wurde noch größer durch ein Crescendo militärischer Demütigungen, die mit der Preisgabe der Philippinen sechs Monate später ihren Höhepunkt erreichten.

Die Brutalität des Krieges und die teilweise bestialische Behandlung von amerikanischen Kriegsgefangenen durch die Japaner heizte den Zorn der Amerikaner noch zusätzlich an: der Haß auf Japan stand vor allen anderen Animositäten.

Es ist nicht das letzte Glied in der Kette von Paradoxa, die durch Pearl Harbor in die Welt gesetzt wurden, daß die japanisch-amerikanische Feindschaft

den Krieg nicht überdauerte. Mit dem Frieden zwischen beiden Ländern hörte sich auch die Animosität auf -.vielleicht, weil Hiroshima und Nagasaki den amerikanischen Rachedurst gestillt haben.

Es ist die eine Sache, sich an Pearl Harbor zu erinnern, eine andere ist es, die damaligen Ereignisse zu verstehen. Und heute sind die Historiker weit davon entfernt, sich über die Ursachen des pazifischen Krieges einig zu sein— geschweige denn über die politischen Absichten der Staatsmänner, die sich in diese Schlacht gestürzt haben.

Schon in den fünfziger Jahren argumentierte eine Gruppe konservativer amerikanischer Revisionisten mit der These, daß Pearl Harbor für die Amerikaner die „Hintertür zum Krieg“ war: Indem man die Japaner zum Erstschlag provoziert habe — eben zu ihrem Schlag auf Pearl Harbor -, habe man die zuvor stark isolatio

nistischen Amerikaner in einen Krieg hineingetrieben. Die Hintermänner dieser „Verschwörung“ seien US-Präsident Franklin D. Roosevelt und Großbritanniens Premier Winston Churchill gewesen.

Aber weder Churchill noch F. D. Roosevelt konnten erwarten, daß ein gefährlicher Gegner die USA aus dem Gleichgewicht und im Gefolge dazu bringen würde, Hitler-Deutschland den Krieg zu erklären.

Im Gegenteil: Der japanische Angriff konnte den Eintritt Amerikas in den Krieg nur verzögern, weil es Truppen und Material der USA an den fernöstlichen Kriegsschauplatz band — das letzte, was der verzweifelte Churchill wollte!

Was weder Roosevelt noch Churchill voraussehen konnten, war Hitlers Kriegserklärung an die USA am 11. Dezember 1941, also vier Tage nach Pearl Harbor: seine wohl größte Narretei, mit

der er auch Probleme seiner westlichen Gegenspieler löste!

Nach den Ereignissen von Pearl Harbor hatten die Amerikaner gar keine andere Wahl, als sich mit ganzer Kraft den Japanern entgegenzustellen. Vier Tage später gab Hitler mit seiner Kriegserklärung dem amerikanischen Präsidenten die Möglichkeit, sich entweder für den europäischen oder den pazifischen Krieg zu entscheiden. Roosevelt entschied sich für Europa, und damit war Hitlers Schicksal besiegelt.

Weit verbreitet war während des Krieges in-der britischen und amerikanischen Öffentlichkeit die Ansicht, daß sich die Achsenmächte gegen die USA verschworen hätten. Indes war die Zusammenarbeit zwischen Tokio und Berlin alles andere als intensiv. Und der Angriff auf Pearl Harbor überraschte die Deutschen ebenso wie die Amerikaner.

Daß die Japaner die Amerikaner und nicht die Russen, die traditionellen Gegner ihres Hegemo- niestrebens in Asien, angriffen, hängt wohl auch mit dem raschen Zusammenbruch des europäischen Imperialismus in Südostasien zusammen. Hier eröffneten sich für Tokio Möglichkeiten, die es sich einfach nicht entgehen lassen wollte, und von den Amerikanern her drohte ihnen dabei die größte Gefahr.

Die günstige Gelegenheit, die USA vom Pazifik zu vertreiben wollte Japan einfach nicht verpassen.

Weniger begreiflich war Tokios Seekriegstaktik: Wären die amerikanischen Schiffe in Pearl Harbor unangetastet geblieben und hätten die Japaner stattdessen Manila angegriffen, hätte wohl die Chance bestanden, daß die US-Pazifik-Flotte zum Entsatz die Philippinen angelaufen wäre; dort hätte sie wohl total vernichtet werden können, zumal die Japaner überlegen waren.

Der Angriff auf Pearl Harbor aber bewirkte, daß die US-Flotte erst wieder aktiv wurde, als sie repariert und verstärkt war. Der Überraschungsangriff brachte letzten Endes den Amerikanern kriegsentscheidende Vorteile.

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