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Peking profiliert sich als stabilisierende Kraft

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Der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten, Zbigniew Brzezinski, traf am gleichen Tag (20. Mai) in Peking ein, als in Taiwan der Sohn Tschiang Kai-scheks, Tschiang Tsching-kuo, sein Amt als Staatspräsident antrat. Politische Beobachter wollten darin einen kalkulierten Affront gegenüber Taiwan sehen, einen deutlichen Wink, daß die Amerikaner bereit seien, der rotchinesischen Forderung nach Abbruch der. diplomatischen Beziehungen mit Taiwan nachzukommen.

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Der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten, Zbigniew Brzezinski, traf am gleichen Tag (20. Mai) in Peking ein, als in Taiwan der Sohn Tschiang Kai-scheks, Tschiang Tsching-kuo, sein Amt als Staatspräsident antrat. Politische Beobachter wollten darin einen kalkulierten Affront gegenüber Taiwan sehen, einen deutlichen Wink, daß die Amerikaner bereit seien, der rotchinesischen Forderung nach Abbruch der. diplomatischen Beziehungen mit Taiwan nachzukommen.

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Bei näherer Prüfung zeigte sich jedoch, daß das Zusammentreffen ein Versehen war, das der Ungeschicklichkeit des Präsidenten und seines Stabes zugeschrieben werden muß. Im zweiten Jahr seiner Präsidentschaft entdeckte Carter endlich auch Asien: Mondales Reise nach Südostasien und Brzezinskis Besuch in Peking bezeigen das neuerwachte Interesse Washingtons am größten Kontinent.

War aber auch der Zufall im Spiel, als elf Tage vor seiner Ankunft in Peking sowjetische Truppen am Ussurifluß auf chinesisches Gebiet eindrangen? Oder war es eine kalkulierte Warnung Moskaus an China, sich nicht zu eng an die USA und ihre westlichen Alliierten anzulehnen? Die Sowjets boten zwar eine Entschädigung an, die aber in Peking wenig Eindruck machte. Die Chinesen rückten den Vorfall jedenfalls in einen politischen Zusammenhang, für sie war er ein neuerliches Warnzeichen, daß die Einkreisungspolitik Moskaus gegenüber China unvermindert fortgesetzt wird. Breschnews Inspektion der sibirischen Truppen und die Anwesenheit sowjetischer Militärberater in Indochina stehe damit ebenfalls in einem Zusammenhang.

China fühlt sich bedroht! Nicht nur durch die eine Million Soldaten zählende sowjetische Truppe an seiner Grenze, sondern auch durch die Erfolge der „sozial-imperialistischen Kampagnen“, die Moskau und Kuba derzeit in Afrika führen. Beunruhigend ist für Peking außerdem die schwache und zurückhaltende Reak-

tion der USA sowie die Unterlegenheit der NATO an Verteidigungspotential gegenüber dem Warschauer Pakt. Die europäische Position werde durch die Sowjetunion vom Nahen Osten und Afrika her aufgerollt. China sieht in Westeuropa und in den USA daher die natürlichen Verbündeten in einem Zweifrontenkrieg gegen die expansionistische Sowjetunion.

Die Spannungen mit Vietnam, die an der Grenze schon zu militärischen Zwischenfällen führte, trägt ebenfalls zur Beunruhigung bei. Nur im nördlichen Laos und in Kambodscha hat sich Peking Einflußzonen erhalten. Der dritte Indochinakrieg jedenfalls, der zwischen Vietnam und Kambodscha sporadisch ausgetragen wird, ist - wie sich immer deutlicher zeigt - bereits ein ferngesteuerter Krieg zwischen China und der Sowjetunion. Wie sehr sich die strategische Lage für China in letzter Zeit verschlechtert hat, geht daraus hervor, daß es heute bereits vier Staaten, die eindeutig von der Sowjetunion dominiert werden, an seinen Grenzen hat: Vietnam, Laos, die Mongolei und neuestens auch Afghanistan.

China benützte den Zwischenfall am Ussuri, um die Befreiungsarmee zu neuen „Anstrengungen im Dienste der Landesverteidigung“ aufzurufen. Die Modernisierung wird jetzt ohne Zweifel energischer vorangetrieben, die technische Hilfe des Westens ist dafür aber unerläßlich, und dabei ist das Einverständnis Washingtons notwendig.

Brzezinski fand unter diesen Umständen in Peking eine wärmere Auf-

nähme als Außenminister Cyrus Vance vor zehn Monaten. Er machte klar, daß es ihm nicht darum gehe, China gegen die Sowjetunion in einem politischen Schachspiel zu benützen. Die gemeinsamen Interessen würden eine realpolitische Partnerschaft erfordern.

In den meisten Punkten bestand Ubereinstimmung, Ausnahme war Korea. Hua Kuo-feng hatte kurz zuvor seinen ersten Auslandsbesueh in Nordkorea beendet und dabei den Standpunkt Kim Il-songs eingenommen, der eine Einigung der Halbinsel über die Köpfe der Südkoreaner hinweg anstrebt. Damit können sich die Amerikaner nicht einverstanden erklären. Ebensowenig sind sie bereit, Taiwan Zu opfern, um die diplomatischen Beziehungen mit Peking zu erweitern. Die politische Atmosphäre wurde durch den Besuch trotzdem verbessert.

So profiliert sich China - trotz aller früheren Befürchtungen des Westens -als stabilisierende Kraft in Asien. Allerdings nur mit Vorbehalten. Als der burmesische Präsident beim Staatsbesuch Teng Hsiao-pings die schon oft vorgetragene Bitte erneuerte, China möge endlich die Unterstützung der kommunistischen Guerilleros in Burma einstellen, wies ihn Teng auf den Unterschied zwischen Staats- und Parteipolitik hin. Dabei sind die Führungsposten bei beiden Organisationen von den gleichen Personen besetzt.

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