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Pendel hin, Pendel her

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Schwingt das Pendel wieder in die andere Richtung? Wächst der Unmut in den Vereinigten Staaten über exzessive Macht und Mißbrauch der Medien? Gewisse Entwicklungen sprechen dafür.

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Schwingt das Pendel wieder in die andere Richtung? Wächst der Unmut in den Vereinigten Staaten über exzessive Macht und Mißbrauch der Medien? Gewisse Entwicklungen sprechen dafür.

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Was die meisten Beobachter der hiesigen innenpolitischen Szene vor einem Jahr noch für unmöglich gehalten haben, ist eingetreten: Ein Komitee des Abgeordnetenhauses untersucht sich selbst. Es hat umfangreiche Mittel bewilligt, um Anwälte und Untersuchungspersonal aufzunehmen, die herausfinden sollen, wer dem CBS-Reporter Daniel Schorr den Geheimbericht über die Ergebnisse der Untersuchung gegen die CIA zugespielt hat. Die Mehrheit des Hauses hatte dafür gestimmt, diesen Bericht geheimzuhalten.

Bei der nun beginnenden Untersuchung geht es zunächst nicht um die Frage, ob Daniel Schorr berechtigt war, zu veröffentlichen, sondern darum, wo die „undichte SteHe“ ist. Vorläufig hat man auch noch nicht gewagt, das heiße Eisen anzugreifen und Daniel Schorr zu befragen, wer ihm den Bericht zugespielt habe. Es ist nämlich sehr umstritten, ob ein Journalist, unter Eid befragt, seine Quellen preisgeben muß oder nicht. Fragen der konstitutionell verbrieften Pressefreiheit stehen hier im Raum, und es ist nicht undenkbar, daß im Verlauf der Untersuchung diese Frage vom Obersten Gerichtshof geprüft werden wird.

Der Ausgang einer solchen Befragung des Obersten Gerichtshofes

mag wieder davon abhängen, wie die Stimmung im Lande ist, denn es ist eine der Eigenheiten dieses höchsten juridischen Forums, daß es im Einklang mit der Stimmung im Lande zu stehen bestrebt ist.

Gegen die Untersuchung des Kongreßkomitees sind wütende Angriffe der Linken im Gange. Die Untersuchung werde mehr als eine Million Dollar kosten, wertvolle Zeit der Abgeordneten blockieren und es sei auch unwahrscheinlich, daß etwas dabei herauskomme. Man läßt auch durchblicken, daß vielleicht die Regierung selbst die Quelle der Indiskretion gewesen sein könnte, um die Untersuchung gegen die CIA und vor allem gegen deren Vorsitzenden, den weit links stehenden Abgeordneten Otis Pike, in Mißkredit zu bringen.

Ein anderer Zwischenfall, bei dem die Pressefreiheit unter Kritik gerät, ist das demnächst erscheinende Buch: „The Final Days“ von Woodward und Bernstein. Man wird sich daran erinnern, daß Woodward und Bernstein jene beiden Reporter der „Washington Post“ waren, die Nixon wie Bluthunde verfolgten und schließlich die Watergate-Maschinerie in Schwung brachten. Sie wurden für ihre Verdienste um die „Wahrheitsfindung im Zusammen-

hang mit Watergate“ mit den höchsten Preisen ausgezeichnet und galten seither als publizistische Zele-britäten.

Nun haben die beiden ein Buch über die letzten Tage Nixons im Weißen Haus herausgebracht, und dieses Buch findet nicht einmal bei der „New York Times“ ungetrübte Zustimmung. Es wird weniger betont, daß es wohl eines sadistischen Instinktes bedürfe, um einem wehrlosen Gegner noch Fußtritte zu versetzen, als vielmehr, daß alle Zitate, die Persönlichkeiten wie Kissinger, Haig oder den Familienangehörigen Nixons in den Mund gelegt werden, aus dritter und vierter Hand stammen.

Nixon habe „geschluchzt“ und Kissinger aufgefordert, mit ihm zu beten, die Familie habe den Selbstmord Nixons befürchtet und habe ihn überhaupt schon lange als geistig umnachtet bezeichnet. Schließlich sei auch die Ehre Nixons zerrüttet gewesen.

Es ist bezeichnend, daß die „New York Times“ — stets im Vorfeld des Angriffs auf Nixon — nun dessen ehemaligem Mitarbeiter Saphire das Wort erteilt und ihn feststellen läßt, daß die Herren Woodward und Bernstein offenbar die letzten Millionen Dollar aus der Leiche Nixons herauspressen wollten und ihnen dazu kein Mittel zu unappetitlich sei.

Daß dieser Kommentar Saphires nicht die Stimme eines Rufers in der Wüste ist, beweist allein schon der

Umstand, daß ihn die „New York Times“, die Bibel der Nixonhasser, zu Wort kommen läßt. Daß die Stimmung gegen die Übergriffe und den Lynchstil der Medien gerichtet ist, hat auch Daniel Schorr angedeutet, als er achselzuckend meinte, das Pendel schwinge eben wieder in die andere Richtung.

Aber werden daraus Konsequenzen gezogen? Kaum. Wir befinden uns in einem Wahljahr und da hat noch kein Politiker versucht, mit den Massenmedien einen Krieg anzufangen. Am wenigsten ein politisch so unsicherer Kandidat wie Ford.

Aber man darf anderseits auch nicht übersehen, daß es in der jüng-

sten Geschichte bereits einige Ansätze gegeben hat, die Übergriffe eines Teils der Medien bloßzustellen. Sie wurden jedoch von Männern gestartet, die politisch nicht unantastbar waren und diese Angriffe nicht überlebten.

Watergate selbst bildet den Höhepunkt der Machtentfaltung der Medien.' Bis zuletzt schien es so, als ob es in diesem Stil weitergehen solle.

Diese Entwicklung scheint heute als Uberspannung einer arrogierten Macht in Mißkredit zu geraten. Der „fair sense of play“ steht einer weiteren Steigerung dieser Entwicklung entgegen.

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