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Pensions-Poker

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Im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung für die zu Ende gehende Legislaturperiode be- schlossen die Koalitionsparteien, eine grundlegende Pensionsreform in Angriff zu nehmen. Von dieser Reform war in den letzten vier Jahren weit weniger die Rede als im nun beginnenden Wahlkampf.

Daß die Frage der sozialen Al- tersversorgung zu den unerledig- ten Agenden des Regierungspro- grammes zählt, hat zwei Gründe: einerseits entschärfte die gute Konjunktur der letzten Jahre die kurzfristig-akuten Finanzierungs- probleme; das raschere Wachstum der Beschäftigung und der Einkom- men verhalf den Versicherungsträ- gern zu höheren Beitragseinnah- men, sie mußten dadurch in gerin- gerem Maße Mittel aus dem Bun- desbudget in Anspruch nehmen. Die laufende Budgetkonsolidierung wurde somit nicht behindert. An- dererseits geht es bei der Pensions- reform um neue finanzielle Bela- stungen, die so ausgewogen und gerecht wie möglich auf (künftige) Pensionisten und (künftige) Er- werbstätige aufzuteilen sind.

Diese Belastungen ergeben sich aus der zunehmenden Alterung der Bevölkerung. Sie sind auch von der auf lange Sicht schwer vorauszusa- genden wirtschaftlichen Entwick- lung weitgehend unabhängig. In dieser langfristigen Perspektive wird jedenfalls das Verhältnis von Pensionisten zu aktiven Erwerbs- tätigen erheblich steigen. Ändert sich an der Höhe der Leistungen und am Pensionsalter nichts, so muß die nächste oder übernächste Gene- ration der Erwerbstätigen Beiträge zahlen, die rund doppelt so hoch sind wie heute. Die Pensionsreform hat daher nichts zu verteilen, sie ist nicht populär, kann es nicht sein.

Reformvorschläge und Forderun- gen - von wem immer erhoben - deren Verwirklichung zusätzliche Kosten verursachen würde, sind daher wenig hilfreich. Primär gilt es, die soziale Altersversorgung auch unter wesentlich schwierige- ren demographischen Bedingungen als heute finanzierbar und funk- tionsfähig zu erhalten. Die Finan- zierung ist nur dann kein Problem, wenn die Aktiven tatsächlich be- reit sind, Beiträge in jeder notwen- digen Höhe zu leisten beziehungs- weise die Kosten über höhere Steu- ern aufzubringen. Dies kann aber nicht automatisch angenommen werden - und auch der Einwand, daßsichseit Inkrafttreten des AS VG vor 35 Jahren die Pensionsversi- cherungsbeiträge schon einmal verdoppelt hätten, überzeugt eben- so wenig wie der Hinweis, daß ja auch trotz ständig steigender Bei- träge die Erwerbstätigen Jahr für Jahr höhere Nettoeinkommen er- zielen würden.

Die Bereitschaft zur Finanzierung richtet sich nicht nach dem Ein- kommensvergleich mit der Vergan- genheit, sondern - im Jargon der Ökonomen gesprochen - an der Wertschätzung des Gutes „Alters- versorgung" im Vergleich zu ande- ren Gütern beziehungsweise an Kosten und Leistungsqualität al- ternativer Vorsorgeformen.

Die Bereitschaft der Erwerbstä- tigen, die Pensionen zu finanzie- ren, ist deshalb so wichtig, weil sie auf dem „Generationenvertrag" beruht. Die Beiträge der Aktiven finanzieren die Pensionen jeweils der gleichen Periode. Jeder Aktive zahlt daher „für andere", während er in einer privaten Versicherung den Eindruck hat (auch wenn dies nur eine Illusion ist), für seine „eigene" Pension einzuzahlen.

Die Bereitschaft der Aktiven, immer höhere Lasten zu tragen, wird vor allem dann nicht sehr groß sein, wenn die Lebenserwartung ständig steigt und sich damit auch der Gesundheitszustand der älte- ren Bevölkerung verbessert, gleich- zeitig aber Arbeitskräfte fehlen, weil die jungen Jahrgänge schwä- cher besetzt sind. Die Neigung, statt höhere Beiträge zu zahlen, lieber etwas später in Pension zu gehen, wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich größer werden be- ziehungsweise auch die Bereit- schaft, bei früherem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben etwas höhe- re Einkommenseinbußen in Kauf zu nehmen. Daß sich der Trend der letzten beiden Jahrzehnte zugun- sten eines wieder steigenden Pen- sionsantrittsalters umkehren muß, ergibt sich nahezu zwangsläufig aus der demographischen Perspektive der höheren Lebenserwartung bei gleichzeitig wachsender Knappheit an Arbeitskräften.

Eine wichtige Aufgabe der Pen- sionsreform ist, die Weichen für eine solche Trendumkehr zu stellen und Anreize für ein längeres Verbleiben im Berufsleben zu schaffen. Der bisher dagegen sprechende Um- stand der hohen Arbeitslosigkeit wird zunehmend an Bedeutung verlieren. Die dadurch zu erzielen- de Ausgabenentlastung wird aller- dings die demographische Mehrbe- lastung kaum ausgleichen können. Die Aktiven werden dennoch - in der einen oder anderen Form - bereit sein müssen, mehr für die Alters- versorgung aufzuwenden, und es wird an der Reformpolitik liegen, hiefür Bedingungen zu schaffen.

Vor allem ist wichtig, stets die langfristige Dimension des Pro- blems der Altersversorgung zu be- achten. Dies gilt einerseits für Lei- stungsverbesserungen, deren Ko- sten sich nicht auf das Jahr der Ein- führung beschränken, sondern sich weit in die Zukunft erstrecken; an- dererseits für Leistungseinschrän- kungen, die stets nur pro futuro in Kraft gesetzt werden können.

Das Denken in Generationen ist in der Regel nicht Aufgabe der Tagespolitik. Als Wahlkampfthe- ma ist die Altersversorgung daher denkbar ungeeignet.

Der Autor ist Referent für Sozialpolitik am Österreichischen Institut für Wirtschaftsfor- schung. Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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