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Pensionsgarantie als Ersatz für ernsthafte Reformpläne

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Wegen seiner Äußerungen zum Pensionsproblem wurde Finanzminister Hannes Androsch vehement kritisiert

- aber bedauerlicherweise war es die falsche Kritik.

Gewerkschaftspräsident Anton Benya nahm Androsch am meisten übel, daß er das Pensionsproblem zum falschen Zeitpunkt ventiliert habe. Bis 1980 seien die Pensionen auf alle Fälle gesichert und bis dahin seien immerhin noch drei Jahre (!) Zeit. Wirklich kritisch werde es aber erst in den neunziger Jahren. Also wozu dann schon heute die Menschen „verunsichern”?

Nach Meinung Benyas ist es offenbar die einzig richtige Politik, zu warten, bis einem das Wasser bis zum Hals steht und sich dann mit irgendwelchen Improvisationen weiterzuhelfen, die zwar momentan Remedur schaffen, langfristig aber die Situation noch verschlimmern. Es soll bezüglich der Renten offenbar das gleiche praktiziert werden wie bei der Finanz-, Konjunktur und Arbeitsmarktpolitik, die auf eine immerwährende Hochkonjunktur abgestellt worden war. Als der Konjunkturrückschlag trotzdem, ja deswegen erst recht kam, sind jene Monsterdefizite entstanden, an denen wir gegenwärtig laborieren, und von denen zu befürchten steht, daß sie die Arbeitslosigkeit von morgen bedeuten.

Soll nunmehr auch die Pensionsfrage so lange aufgeschoben werden, bis die Kassen endgültig leer und aus dem defizitgeplagten Budget keine Zuschüsse mehr möglich sind, so daß niemand mehr weiß, wie die Pensionen von morgen gezahlt werden sollen?

Prinzipiell war es vollkommen richtig, daß Androsch das Problem aufs Tapet brachte. Was ihm hingegen vor zuwerfen ist, sind die Konsequenzen, die er daraus zog. Die Alternative, entweder Pensionskürzung oder Verzicht auf die längst fälligen Lohn- und Einkommensteuerkorrekturen, ist einfach zu primitiv. Es ist Androsch schon zur lieben Gewohnheit geworden, jede Forderung, die er auf der Einnahmenseite stellt, damit zu recht- fertigen, daß er sonst die Pensionen kürzen müßte. Die breite übrige Palette für Ausgabenreduktionen - von der Donauinsel bis zur Schulbuchaktion - bleibt unerwähnt.

Sein weiterer Vorschlag, die Höchstbeitragsgrundlage der Pensionsversicherung nicht mehr hinaufzusetzen und die Besserverdienenden auf die Selbstvorsorge zu verweisen, verrät die ganze Konzeptlosigkeit der Sozialversicherungspolitik: Die bisherigen Limiterhöhungen sindjanicht aus Liebe zu den Besserverdienenden erfolgt, sondern um auf diese Weise den Kassen höhere Einnahmen zu verschaffen. Jetzt entdeckt man auf einmal, daß momentan höhere Einnahmen zwangsläufig auch höhere künftige Ausgaben nach sich ziehen.

Und wenn man jetzt von den Besserverdienenden verlangt, selbst für ihr Alter vorzusorgen, so müßte man ihnen zuerst einmal eine Chance dazu geben. Aber seit Jahrzehnten wird nun durch Inflation sowie durch steuerliche und sonstige Maßnahmen gegen Anlage werte jede zielstrebige Selbstvorsorge unmöglich gemacht. Die viel zu teure unfreiwillige Höherversicherung bei den Pensionsanstalten und die Steuerbegünstigung für nicht private Lebensversicherungen, die aber nicht im geringsten inflationsgeschützt sind, stellen keine seriöse Basis für echte Selbstvorsorge dar.

Wenn der - dafür gar nicht kompetente - sozialistische Parteivorstand eine Pensionsgarantie ausspricht, ja selbst wenn die Bundesregierung das gleiche täte, so sind derartige Erklärungen für nichts anderes geeignet als für den Papierkorb. Sie erinnern nur in fataler Weise an die „Vollbeschäftigungsgarantie” des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt, der dann, als diese nicht mehr aufrechtzuerhalten war, kurzerhand den nächstbesten einigermaßen plausiblen Vorwand wählte, um zurückzutreten.

Die Vollbeschäftigungsgarantie konnte die höchste Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik seit der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht nur nicht verhindern, sie provozierte sie geradezu: Im Vertrauen auf diese Garantie hatte sich niemand ernsthafte Gedanken darüber gemacht, wie die Beschäftigung auch wirklich langfristig zu sichern sei.

Mit solchen verbalen Kraftakten werden die Pensionen nicht sichergestellt. Was wir wirklich brauchen, ist eine staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in erster Linie darauf ausgerichtet ist, eingegangene Verpflichtungen zu honorieren, und die nicht ihren Aktionsradius dauernd erweitert, ohne daß der bisherige abgesichert wäre.

Was wir des weiteren brauchen, ist die Erstellung der schon seit Jahren urgierten Prioritätenliste für die Staatsausgaben, damit nicht periphere Aktivitäten immer zuerst finanziert werden und für wirklich essentielle Aufgaben dann kein Geld vorhanden ist, diese entweder ausgehungert werden oder durch neue Steuern finanziert werden müssen. Solange diese Forderungen nicht erfüllt werden, sind alle Pensionsgarantien illusorisch.

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