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Per Rad nach Preßburg

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M it dem Fahrrad nach Bratislava (Preßburg) - eigentlich ist es ein Abenteuer. Und es beginnt schon, .wenn man sich in Wien mit seinem Drahtesel als Reisegepäck in die Schnellbahngarnitur zwängt.

Aber in der Schnellbahnlinie S 7, die nach Wolfsthal führt, ist dem Schaffner das Bild vertraut. Täglichsindhier Radler unterwegs. Und er hilft auch gerne, die Räder in einer eigens für diesen Zweck konstruierten Aufhängevorrichtung zu verstauen.

Die Endstation Wolfsthal ist erreicht. Vom Bahnhof ist es nicht weit bis zu einem als Radweg angelegten Treppelweg am Hochwasser- Schutzdamm der Donau. Schon einige Kilometer vor der Staatsgrenze sieht man drüben auf der Bundesstraße die Autos. Im Schrittempo unterwegs. Und der unvermeidliche Rückstau, „nur" etwa zwei Kilometer.

Der slowakische Zöllner ist zum Scherzen aufgelegt, und er zeigt offen seine Sympathie für RadlerTouristen. Bis zur großen Donaubrücke, die von Petrzalka (Engerau) fast bis zum Zentrum der slowakischen Haupstadt führt, sind insgesamt nur zwölf Kilometer mit dem Rad zurückzulegen.

Nicht Mißtrauen, sondern Sicherheitsdenken empfiehlt, den Drahtesel - und au.eh ein robustes altes „Waffenrad" übt seine Faszination

aus - für den Rundgang einzustellen. Ein Lokal, das ich schon von früheren Besuchen her kannte, erwies sich als ideal (siehe Kasten). Die Garderobierin . war über meinen ausgefallenen Wunsch auch gar nicht erstaunt. Über die 3 0 Kronen Trinkgeld umso mehr: ,1Jeschusch Maria, so viel Geld! Ich bin schon froh, wenn ich mit Ihnen deitsch reden kann."

Ohne Gepäck und Fahrrad wird der Rundgang in der Stadt ein Vergnügen. Man hat Zeit - und sie nicht im Stau verloren: für den Martinsdom, in dem von 1563 bis 1830 die ungarischen Könige gekrönt wurden , für das Erzbischöfliche Palais, in dessen Spiegelsaal am Stephanietag des Jahres 1805 der Preßburger Friede zwischen Napoleon und Franz 1. unterzeichnet worden ist, für einen ausgiebigen Bummel durch die romantische Innenstadt, die sich langsam auch mit frischgestrichenen Fassaden präsentiert. Über Donau und Zentrum liegt stadtbildbeherrschend die Burg.

Die heilige Elisabeth von Thüringen wurde 1207 hier geboren. Eine herrliche Anlage, manchmal noch etwas ungepflegt. Aber der Renaissanceteil ist schon vorbildlich restauriert. Ein Uniformierter versperrt dort Neugierigen den Weg: Denn seit 1968 hat dort das slowakische Parlament seinen Sitz.

DafürentschädigteinGangdurch die Museen, die heute im Schloß, das im Auftrag Maria Theresias umgebaut worden ist, untergebracht sind. Und ein besonderer Genuß ist die Fernsicht von der Schloßterrasse aus. Am Fuße des Burghügels die malerische Altstadt, vom grünen Helm des Martinsdoms gekrönt. Am nahen Horizont die Weinberge nördlich von Bratislava und die bewaldeten Höhen der· Kleinen Karparten.

Weniger erfreulich und im harten Kontrast dazu der Blick auf das südliche Ufer der Donau nach Petrialka: eine Kaskade aus Beton, hingeklotzte Hochhäuser. Dann der alles überragende Pylon der Donaubrücke, ihre Fortsetzung in de:· Stadtautobahn - hart am Martinsdom vorbei schneidet sie eine Schneise durch die Altstadt.

„Hier war einst das Judenviertel mit herrlichen Häusern und einer

wunderschönen Synagoge im maurischen Stil." Ein Wiener Internist, gebürtiger Preßburger, schüttelt ob der Bausünden, die er das erste Mal nach 25jähriger Abwesenheit sieht, den Kopf. Aber er findet auch noch viel Vertrautes in der Altstadt und entdeckt Neues in der Slowakischen Natiolialg'aletie.???? der ehemaligen Wasserkaserne aus dem 1 8. Jahrhundert, mit ihren Sammlungen slowakischer Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts.

Die Radtour zurück nach Wien läßt jetzt ausreichend Zeit, die mannigfaltigen Eindrücke unmittelbar zu verarbeiten.

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