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Persönliche Erinnerungen an Max Planck

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Max Planck und Albert Einstein haben die Grundlagen für das Weltbild der Physik im 20. Jahrhundert gelegt. — Aus fast 40jährigem Verkehr mit Max Planck, vom Herbst 1908 an bis zu seinem Tode, seien einige Erlebnisse mit ihm berichtet und Wesens- Und Charakterzüge von ihm und seiner Arbeit festgehalten, damit sein Bild nicht allzusehr verblaßt gegenüber dem Bild anderer Naturforscher, Voni ihnen weiß die breitere Öffentlichkeit weit mehr als von Max Planck. Wir denken dabei an Männer, wie Alexander von Humboldt. Robert Koch, Sigmund, Freud, Albert Einstein.

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Max Planck und Albert Einstein haben die Grundlagen für das Weltbild der Physik im 20. Jahrhundert gelegt. — Aus fast 40jährigem Verkehr mit Max Planck, vom Herbst 1908 an bis zu seinem Tode, seien einige Erlebnisse mit ihm berichtet und Wesens- Und Charakterzüge von ihm und seiner Arbeit festgehalten, damit sein Bild nicht allzusehr verblaßt gegenüber dem Bild anderer Naturforscher, Voni ihnen weiß die breitere Öffentlichkeit weit mehr als von Max Planck. Wir denken dabei an Männer, wie Alexander von Humboldt. Robert Koch, Sigmund, Freud, Albert Einstein.

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„Sage mir, wie du deine Arbeitszeit und deine Freizeit verbringst, und ich sage dir, wer du bist!“ Max Planck hat in der ersten Zeitperiode, in der ich oft in seinem Hause war, verhältnismäßig viel freie Zeit gehabt. Das waren die Jahre von 1908 an. Damals war ein Universitätsprofessor nicht so wie heute ein gehetzter, mit Verwaltungsarbeit überlasteter Mann, der unter ständiger Zeitnot leidet und auch seinen oft hunderten Studenten sich nicht mehr persönlich widmen kann. Als Professor der theoretischen Physik von 1889 an brauchte er kein Ex-perimental-Institut zu leiten, kaum Doktoranden bei ihrer Arbeit oder bei ihren Experimenten zu beraten, seine Tätigkeit beschränkte sich auf wenige Kollegstunden und ein Seminar. Das gab ihm eine gewisse Freiheit im Gegensatz zu seinen späteren Jahren. Sein Assistent erzählt, daß Max Planck in seiner ganzen Berliner Universitätszeit von 1889 bis Ende der zwanziger Jahren nur acht Doktoranden hatte.

Plancks persönliches Leben hat sich fast in der Stille abgespielt und nicht im lauten Echo und im blendenden Licht der Festreden und der surrenden Kameras. Er stellte keine Ansprüche an das Leben, es war ihm nie um Ehrungen und Startum zu tun, von dem auch die wissenschaftliche Welt nicht immer frei ist. Aber im persönlichen Verkehr konnte er dauernden Kontakt gewinnen und die wissenschaftlichen und philosophischen Probleme seines Faches immer wieder mit seinen Gesprächspartnern erörtern.

Dieser Mann war in seinem langen Leben vom 23. April 1858 bis zum 4. Oktober 1947 zu einem überreichen Schaffen berufen. Zunächst in Kiel, dann in Berlin hat er als Professor für das von ihm wesentlich mitbegründete Fach der theoretischen, das heißt mathematischen Physik gewirkt. Gerne sprach ei auch von seiner Tätigkeit in dei Preußischen Akademie der Wissenschaften, in der er eines der vier leitenden Sekretariate innehatte (nach alter Tradition hießen die vier Präsidenten Sekretäre). Als er im Jahre 1930 in der Nachfolge des Theologen Adolf von Harnack die Präsidentschaft der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften übernahm, mußte er notgedrungen zuweilen an die Öffentlichkeit treten. Aber immer trat 61 völlig hinter seiner sachlichen Aufgabe zurück. Bald nach dein zweiten Weltkrieg wurde die Gesellschaft ihm zu Ehren Max-Planck-Gesellschaft benannt. Heute hal diese 52 Institute mit rund 200C wissenschaftlichen Mitarbeitern, unter der Ägide Max Plancks waren es rund 30 Institute. In vier Rundfunkgesprächen hat er nach sorgfältigstei Vorbereitung mit mir die Probleme der Kaiser-Wilhelm-Gesellschafl und der internationalen Zusammenarbeit der Wissenschaft ausführlich erörtert. Das war Mitte der dreißiger Jahre, obwohl er unter den damaligen Zuständen sehr gelitten hat aber er glaubte, sich dieser auch internationalen Pflicht nicht entziehen zu dürfen. Wenige Tage nachdem er vergeblich bei Hitler das Verbleiben jüdischer Forscher in dei Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft durch zusetzen versucht hatte, berichtete ei uns im engsten Kreise davon. Urr nach dem Kriege jedes Miß Verständnis zu vermeiden, schildert er dann in den Physikalischen Blättern diesen Besuch. Beides, die Rundfunkvorträge wie der deprimierende Eindruck des Hitler-Besuchs, sind in meiner Biographie „Max Planck als Mensch und Denker“ abgedruckt. Ich konnte diese ihm bei der Feier seines 80. Geburtstages überreichen.

Nach überzeitlichen Maßstäben gerechnet, hat er neben seiner schöpferischen Arbeit an der theoretischen Physik über ein halbes Jahrhundert hinweg unter zwei Perspektiven säkulare Bedeutung, und mehr als das: als Begründer der Quanten-physik, die zum erstenmal die wissenschaftliche Erforschung der Atome und damit den Eingang ins Atomzeitalter ermöglichte; und als Pionier der im 19. Jahrhundert verlorengegangenen Brücke zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, nicht nur durch seine Naturphilosophie, sondern auch durch seine bewußte Erneuerung der Religions-philosphie in Verbindung von Religion und Naturwissenschaften. Beide Bereiche waren schon im alten Griechentum verbunden gewesen.

Durch eine seltsame glückliche Fügung, an der meine Eltern beteiligt waren, kam ich als junger Student der Theologie und Philosophie in Berlin im Herbst 1908 in Plancks Haus und konnte'von da an sein Leben und Schaffen mit allen lichten und dunklen Ereignissen begleiten. In seiner einfachen Berliner Grunewald-Villa in der Wangen-heimstraße lebte er jahrzehntelang, bis das Haus mit allen wissenschaftlichen und musikalischen Schätzen 1943 völlig zerstört wurde, allerdings in Abwesenheit des Ehepaares Planck. In einer sommerlichen Hitzeperiode sagte er einmal im Gespräch: „Ach, bei der großen Hitze kann man eigentlich gar nicht arbeiten!“ Und tatsächlich hat er seine Quantenhypothese, die das frühere physikalische Weltbild völlig neu gestalten mußte, in den dunklen Tagen vom 19. Oktober bis zum 14. Dezember 1900, also genau zur Jahrhundertwende, ausgearbeitet. Das war zwischen zwei Sitzungen des kleinen Kreises der Deutschen

Physikalischen Gesellschaft ii Berlin. In der ersten stellte er seini Strahlungsformel auf, die zum eiser nen Bestand der theoretischei Physik gehört, in den folgenden ach Wochen aber dachte er über dei physikalischen Sinn dieser Forme nach. Diese Ausdrucksweise ver wandte er immer wieder und spracl davon, daß er die dazu nötige äußer ste Konzentration einem anderei Menschen überhaupt nicht Schilden könne.

Er war ein der Welt und den Leben zugewandter Mann uni berührte auch einfache Themen de Lebensführung ganz gerne. Si sprach er einmal über den damal jungendbewegten und Alkohol un Tabak scharf bekämpfenden Teil de Studentenschaft. Mit einem Anflui von humorvoller Ironie meinte er das sollte man nicht so grundsätz lieh für alle entscheiden wollen schließlich müsse jeder sich sebs prüfen und herausfinden, wieviel e: sich zumuten dürfe und wo dii Grenze und die Gefahr sei, daß e seine Würde verliere.

Dagegen begannen seine Augen zi leuchten, wenn er von seinen Berg erlebnissen sprach. Von Jugend au war er ein passionierter Hochtourist und noch mit 80 Jahren bezwang e ohne Schwierigkeit einen österrei chischen Dreitausender. Aber er ta das nur in zweiter Linie um de Sports und der Stählung seiner kör perlichen Kräfte willen. Wichtige war ihm das, was er mir gegenübe mehrfach so aussprach: Dort oben, ii der Einsamkeit der Berge und ihre stillen Größe, die freilich aucl gelegentlich stürmisch werden um das äußerste an Kräften verlange] kann, wird man ein neuer Mensel man gewinnt Distanz zu den Dinge: da unten im Flachland und all dei Ärgerlichkeiten, die jeder Beruf mi sich bringt. Aber in die Berge nur in September! Da sei die Luft und di Fernsicht am klarsten, das Wette am beständigsten. In den andere] elf Monaten kannte er eine andere mit dem Bergsteigen nicht vergleich bare Kraftquelle und zugleich Quell der Entspannung: das war di Musik. In München aufgewachser war er schon in jungen Jahren ii musikalischen Kreisen bekannt, um er hat auch noch in den höherei Semestern seines Studiums in Berlii außer bei den Größen seines Fache:

Helmholtz und Kirchhoff, Musik studiert, um eventuell auch eine andere Laufbahn einschlagen zu können.

Er war zeitlebens ein begeisterter Pianist und die Musik brachte uns auch zunächst zusammen. Alsbald aber schlössen sich bei meinen Besuchen die Gespräche über physikalische und philosophische Fragen an. Die ersten Gespräche kamen in einer denkbar günstigen Zeit zustande. Die Quantenhypothese war zunächst fast unbeachtet geblieben, und er hat auch erst 19 Jahre später endlich den Nobelpreis der Physik dafür erhalten. So konnte er mich teilnehmen lassen an der in Fachkreisen aufregenden Spannung, ob sich denn die absolut erforderlichen experimentellen Beweise finden ließen, wie die

Quantenhypothese zur Quantentheorie und damit zum Schlüssel ins Atomzeitalter würde. Nach und nach wurden die Beweise herangeschafft, zunächst durch Albert Einstein 1905, also kurz vor unserem Kennenlernen, dann in immer rascheren Abständen besonders durch Güstau Hertz und James Franck 1915, unc um die Zeit der Nobelpreisverleihung durfte die Quantentheorie ais gesichert gelten. Nun gab mir Max Planck zwei seiner wichtigsten Vorträge aus jener spannungsreichen Zeit über die Wandlung von dei alten zur neuen Physik zu lesen, Einen mit dem Titel „Die Einheit des physikalischen Weltbildes“, den ei an der holländischen Universität ir Leyden, einem Zentrum der physikalischen Forschung, am 9. Dezember 1908 gehalten hatte, unc einen zweiten mit dem Titel „Die Stellung der neueren Physik zw mechanischen Naturanschauung“ vorgetragen 1910 auf der 82. Versammlung Deutscher Naturforschei und Ärzte in Königsberg.

Lebhaft erinnere ich mich an die Stunden, in denen Max Planck diese Vorträge mit mir durchsprach, mich so in die brennenden Grundfragen des physikalischen Weltbildes einführte und dabei zugleich zwei Grundlagen für meine Lebensarbeil schuf: neben der Einführung in die physikalischen Probleme selbst, der Übergang zur Philosophie. Diese baut ja eine Brücke zwischen Natur-und Geisteswissenschaften, wozu einiges bemerkt sei. Im erster Vortrag stehen die Sätze:

„Welches ist denn nun das eigentümliche Moment, welches dem zukünftigen Weltbild einen sc entscheidenden Vorrang verschafft daß es sich gegen alle -früherer, durchsetzen kann? — Es ist nicht! anderes als die Einheit des Bildes, die Einheit in bezug auf alh Orte und Zeiten, die Einheit in be-zug auf alle Forscher, alle Nationen alle Kulturen. — Sehen wir nämlicY, genauer zu, so glich das alte System der Physik gar nicht einem einziger Bild, sondern viel eher eine; Gemäldesammlung; denn für jede Klasse von Naturerscheinungei hatte man ein besonderes Bild. Und diese verschiedenen Bilder hinger, nicht miteinander zusammen; mar konnte eins von ihnen entfernen, ohne die anderen zu beeinträchtigen. Das wird in dem zukünftigen physikalischen Weltbild nicht möglich sein.“

Und von da aus ließen sich die Gedanken weiter spinnen zu den Wegen und Umwegen der Physik in den zwei ersten Dritteln unseres Jahrhunderts.

Der zweite Vortrag enthält die Absage an die mechanische Naturanschauung, in der man alles, auch die Hertz'schen Wellen, hatte unterbringen wollen. Trotz verzweifelter Bemühungen gelang das nicht, man spürte immer wieder aus Plancks Schriften und Gesprächen eine resignierte Traurigkeit, daß er zwar viele Züge aus dem alten Weltbild in das neue „hinübergerettet“ hatte, daß es ihm aber nicht gelungen war, das einheitliche elektromagnetisch-mechanische Weltbild zu schaffen. Daß es heute bereits vollendet sei, wird man nicht behaupten können.

Unsere Betrachtung sei abgeschlossen mit dem Blick auf Max Plancks religiöse Überzeugungen, aus denen allein er auch die Kräfte schöpfte, um die Zeiten der Enttäuschung und der dunklen Stunden ertragen zu können — Enttäuschungen besonders in den ersten Jahren, als er vergeblich auf Anerkennung seiner neuen Gedanken über Energie und Entropie wartete, und dunkle Stunden beim frühen Verlust seiner ersten Frau und der vier Kinder in den Jahren zwischen 1909 und 1945. Von 1911 an begleitete ihn seine zweite Frau durch sein Leben. Sein im In- und Ausland mehrfach gehaltener Vortrag „Religion und Naturwissenschaft“ enthält eine Fülle gedankenreicher Bekenntnisse zur religiösen Lebensauffassung. Der Vortrag ist in 13. Auflage 1955 nochmals in Leipzig erschienen.

Auf der Höhe des Vortrages findet sich der Satz:

„Wenn beide, Religion und Naturwissenschaft, zu ihrer Betätigung des Galubens an Gott bedürfen, so steht Gott für die eine am Anfang, für die andere am Ende alles Denkens; der einen bedeutet er das Fundament, der anderen die Krone des Aufbaues jeglicher weltanschaulicher Betrachtung.“

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