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Persönlichkeit gefragt

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Bruno Kreisky, Alois Mock und Alexander Götz zeigen in jüngster Zeit seltene Übereinstimmung: Alle reden vom Bonus des Landeshauptmannes. Und einig ist man sich auch darin, daß aus den drei Landtagswahlentscheidungen der letzten beiden Wochen kein Bundestrend abzulesen ist.

Eine vielleicht etwas vorschnelle Analyse: Denn nicht nur die Landtagswahlen in Tirol, sondern auch die sonntäglichen Wahlgänge in Oberösterreich und Kärnten zeigen einen Trend. Die Wähler wollen mehr Persönlichkeit. Von diesem Wählerverhalten - nicht nur, aber auch - hat am 6. Mai Bruno Kreisky profitiert, am 25. März war es Leopold Guggenber- ger in Klagenfurt und im Vorjahr schöpfte damit Alexander Götz in Graz den Rahm ab.

Josef Ratzenböck, der über Nacht in die Fußstapfen Erwin Wenzls treten mußte, hat sich erstaunlich rasch als neuer Landesvater, der die Hand am Puls der kleinen Leute hat, profiliert. Das ohnehin gute Wenzl-Ergeb- nis des Jahres 1973 konnte er mit einer klaren absoluten Mehrheit in Mandaten und dazu auch noch mit einem Gewinn der absoluten Stimmenmehrheit krönen. Das vorangegangene Landtagswahlergebnis überflügelte er um 4,2 Prozent, das Abschneiden der Volkspartei am 6. Mai sogar um fast zehn Prozent.

Ratzenböcks Widerpart Rupert Hartl, der eine „historische Chance” gewittert hatte, scheiterte, auch in der Landeshauptstadt selbst. In Linz büßten die Sozialisten gegenüber den letzten Landtagswahlen 1,8 Prozent Stimmenanteil ein. Zwar kam auch der altgediente Linzer SPÖ- Bürgermeister Franz Hillinger bei den Gemeinderatswahlen vom 7. Oktober auch nicht ganz ungeschoren davon, doch konnte er seinen Verlust in Grenzen halten: ein Minus von nur 0,7 Prozent.

Oder ein anderes Beispiel aus Oberösterreich: Ratzenböck konnte in Gmunden den ÖVP-Stimmenan- teil von 46,5 auf 51,9 Prozent erhöhen; ein beachtlicher Zuwachs von 5,4 Prozent, den bei den Gemeinderatswahlen der ÖVP-Abgeordnete Karl Sandmeier als quirrliger Bürgermeister nochmals überboten hat. Sand meier stockte seinen Wähleranteil um 6,7 Prozent auf insgesamt 51,1 Prozent auf.

Kärntens Landeshauptmann Leopold Wagner konnte ebenso persönlich punkten und das beste SPÖ- Landtagswahlergebnis seit 1945 einbringen, womit die SPÖ ihren Stimmenanteil von 51,4 auf 54 Prozent erhöhte. Allerdings blieb es dem Sima-Nachfolger versagt, auch Kreiskys Abschneiden vom 6. Mai zu übertreffen: da liegt der Bundesparteivorsitzende doch noch um 2,2 Prozent vor seinem Landesparteiobmann.

Im heurigen Jahr hat aber auch schon ein anderer Kärntner seine Persönlichkeit in die Waagschale geworfen: Klagenfurts ÖVP-Bürgermeister Leopold Guggenberger. Am vergangenen Sonntag, als „Gug- gis” Landesobmann Stefan Knafl zur Wahl stand, erreichte die ÖVP in der

Lindwurmstadt 34,9 Prozent. Bei 34,6 Prozent lägen die Stadtschwarzen auch seinerzeit bei den Gemeinderatswahlen 1973. Bei den heurigen Gemeinderatswahlen gewann Guggenberger auf Anhieb 10,3 Prozent Stimmenanteil dazu und damit der SPÖ die relative Gemeindemehrheit ab.

Wie diesmal Ratzenböck, demonstrierte eine Woche zuvor das Tiroler „Landesdenkmal” Eduard Wallnö- fer, was eine Persönlichkeit ausmachen kann: Mit einem Stimmenanteil von 63 Prozent baute er die absolute ÖVP-Mehrheit im Land um fast zwei Prozent aus und überflügelte das Nationalratswahlergebnis vom 6. Mai auch nicht weniger als um 7,6 Prozent.

Ebenfalls in Tirol setzte für die FPÖ ihr junger Kufsteiner Bürgermeister Siegfried Dillersberger neue Landtagsmaßstäbe: Der dynamische Dillersberger verdreifachte in seiner Stadt den freiheitlichen Stimmenanteil im Landtagswahlvergleich und übertraf das Kufsteiner FPÖ-Ergeb- nis vom C. Mai um ebenfalls 18,5 Prozent. Im Tiroler Wahlkreis Nord brachte er im ersten Anlauf das blaue Grundmandat und eine Steigerung des Stimmenanteils von 3,4 Prozent im Jahr 1975 auf 11,5 Prozent am 1. Oktober.

Welche Möglichkeiten auch für die FPÖ da noch drinnen liegen, hatte im Vorjahr schon Alexander Götz in Graz gezeigt: 16,9 Prozent der Wähler hatten ihm bei den Gemeinderatswahlen 1973 das Vertrauen geschenkt, 24,9 Prozent waren es bei den Kommunalwahlen 1978. Als Bürgermeister und FPÖ-Chef profitierte er in der Uhrturmstadt auch am 6. Mai, an dem er den FPÖ-Anteü von vorher 6,7 auf glatte zehn Prozent erhöhen konnte.

Diese wenigen Beispiele zeigen, daß der Vorrang der Persönlichkeit von Politikern vor der politischen Programmatik nicht nur papierene Theorie ist, sondern tatsächlich das Wählerverhalten maßgeblich bestimmt.

Wenn man will, kann man in dieser Dominanz der Persönlichkeit durchaus eine für die Demokratie beängstigende Entwicklung sehen. Um so dankbarer muß man dann für alle Bemühungen sein, wieder politische Grundsätze in den Vordergrund zu rücken.

Anderseits ergeben sich aus diesem Trend zur Persönlichkeit auch Chancen für unsere repräsentative Demokratie, Chancen, die genützt werden sollten. Was spricht dagegen, die Wähler nicht nur über den Bundeskanzler, Landesvater oder Bürgermeister „abstimmen”, sondern sie tatsächlich ihren VolksVertreter wählen zu lassen?

Gerade jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um über das Verhältnis zwischen Volk und Volksvertreter ernsthaft zu diskutieren. Der Mangel an Personenbezogenheit im Verhältniswahlrecht war noch nie so augenscheinlich. Eine Wahlrechtsreform, die etwa mit Einerwahlkreisen eine echte Beziehung zwischen Wähler und Gewähltem herstellt, sollte nicht länger auf die lange Bank geschoben werden. Persönlichkeit ist - das zeigen die Wahlen - gefragt.

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