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Perspektiven fiir den Nahen Osten

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Das alte Jahr 1984 hat in vielen Konfliktbereichen des Nahen und Mittleren Ostens eine Beruhigung gebracht. Sorgenkinder bleiben auch im neuen Jahr Libanon und der irakisch-iranische Krieg.

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Das alte Jahr 1984 hat in vielen Konfliktbereichen des Nahen und Mittleren Ostens eine Beruhigung gebracht. Sorgenkinder bleiben auch im neuen Jahr Libanon und der irakisch-iranische Krieg.

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Der Irak hat die 1967 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu den USA wieder aufgenommen. Bei Jordanien und Ägypten ist es auch wieder klar, daß ihre Annäherung an die Sowjetunion keine Abkehr von der prowestlichen Grundhaltung, sondern einfach eine Politik größeren internationalen Gleichgewichts darstellt.

Im Sahara-Konflikt, wo sich das Gleichgewicht mit Anerkennung der sogenannten „Demokratischen Sahrauwi-Volksrepu-blik” durch die Organisation für ) die afrikanische Einheit (OAU) schon sehr zu Ungunsten Marokkos verschoben hatte, haben sich die Dinge mit dem Führungswechsel in Mauritanien auch wieder eingependelt.

Innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO ist es 1984 sogar gelungen, eine ausgesprochen konstruktive Entwicklung unter Führung des wiederbestätigten Jasser Arafat einzuleiten. Das macht die radikalen Rückschläge infolge des Palästinenser-Exodus aus Libanon von 1982, von der Ermordung des versöhnungsbereiten Sartauwi bis zur syrisch inspirierten Rebellion gegen Arafat mehr als wett.

Weiter Sorgenkinder bleiben hingegen Libanon und der Krieg am Golf. Hinter beiden Krisenherden steckt immer deutlicher ein militanter Politislam. Die Flugzeugentführung im Dezember hat ihn in seiner ganzen Brutalität vor Augen geführt.

Mit den libanesischen Christen steht der säkulare Irak in der vordersten Front des Abwehrkampfes gegen diesen von Teheran ausgehenden Versuch einer islamischen Weltrevolution. Vor diesem Hintergrund ist es auch zu sehen, wenn im November die Begegnung des — übrigens christlichen— irakischen Außenministers und Vizepremiers Tarek Asis mit Präsident Reagan in Washington zur Aussöhnung des Irak mit den Vereinigten Staaten geführt hat.

Diese offizielle Verlautbarung krönte fast ein Jahr der Bemühungen um diese Normalisierung. Sie hatten am 20. Dezember 1983 mit dem Blitzbesuch von US-Außenminister George Shultz in Bagdad begonnen. Die irakische Hauptbedingung für die Wiederaufnahme voller Beziehungen waren amerikanische Garantien dafür, daß Bagdads Pipeline-Projekte nach jordanischen und saudiarabischen Häfen vor israelischen Angriffen sicher seien. Die Zerstörung der irakischen Kernreaktoren „Tammuz I” und „Tammuz II” im Juni 1981 durch Israels Luftwaffe hat am Euphrat und Tigris ein bleibendes Trauma hinterlassen.

Umgekehrt hatten sich jüdische Kreise in den USA mit all ihrem Einfluß gegen den Ausgleich zwischen Washington und Bagdad gestemmt. Eine viertel Million jüdische Emigranten aus dem Irak wird eben nie vergessen, was ihnen unter irakischen Regimen angetan wurde: vor allem während des Terrorregiments der Gebrüder Aref von 1963 bis 1968. Aus ihrer blutigen Ära der Galgen, und Folterkammern stammte auch der Abbruch der diplomatischen Beziehungen des Irak zu Amerika im Juni 1967.

Die Initiative zur Wiederaussöhnung des Irak mit Amerika ist erst 1982, nach der katastrophalen Wende im Golfkrieg, von Bagdad ausgegangen. In Washington lieh man dem aber erst ein offenes Ohr, als 1983 alle Hoffnungen auf amerikanische Erfolge in Libanon zunichte geworden waren.

Seit dem jüngsten Wiederaufleben des Reagan-Planes mit Ägyptens Präsident Hosni Mubarak, Jordaniens König Hussein und PLO-Chef Jasser Arafat als Hauptakteuren ist dem US-Außenministerium an einer Flankendeckung dieser Initiative durch den Irak erst recht gelegen.

So wurde es nun auf einmal

Bagdad, das Forderungen für sein Einlenken stellen konnte. Diese betreffen neben der schon erwähnten Garantie gegen israelische Vernichtungsschläge vor allem finanzielle und wirtschaftliche Zugeständnisse.

Im fünften Jahr des Golfkrieges steht das von Natur reiche öl-, Agrar- und Industrieland am Rand des Ruins. Der Irak kann vor allem seine Devisennot nur durch Wiederankurbelung der Erdölexporte unter Umgehung der vom Krieg blockierten Golfroute beheben. So haben die beiden Leitungsprojekte zum Roten Meer eine für den Irak und die ganze nahöstliche Stabilität der Subversion Chomeinis gegenüber eine vitale Bedeutung erlangt.

Um die vielgepriesene neue islamische Ordnung beziehungsweise Unordnung ging es auch im Westen der arabischen Welt beim Dezember-Putsch in Mauritanien. Der für Marokko so erfreuliche Führungswechsel in Nuak-schott war innenpolitisch gesehen die Reaktion gemäßigter islamischer Kreise auf das radikale Re-Islamisierungsprogramm des nun abgesetzten Staatschefs Muhammad Uld Haidalla.

Ähnlich wie Numeiri im Sudan hatte auch er versucht, den arabisch-schwarzafrikanischen Gegensatz unter den 1,6 Millionen Mauritaniern durch strikte Wiedereinführung des islamischen Sakralrechtes, der Scharia, zu bewältigen. Dagegen setzen sich nun die toleranten Tidschania-Derwi-sche und die mauritanischen Anhänger des marokkanischen Groß-Scherifen erfolgreich zur Wehr.

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