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Pfarrerausbildung - wozu?

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Am 17. November, einem kalten Novembertag, gab Bischof Oskar Sakrausky unter Beteiligung namhafter Persönlichkeiten des öffentlichen und kirchlichen Lebens mit einem symbolischen Spatenstich den Baubeginn des neuen Theologen- und Lehrer-studentenheimes in Wien XVIII, Blumengasse 4—6, bekannt. Das Bauprojekt sieht 60 Wohneinheiten für Einzelpersonen wie für verheiratete Studenten vor. Es muß groß gebaut werden, weil in den letzten Jahren, nach einiger Zeit der Stagnation, wieder ein erfreuliches Zunehmen der akademischen Hörerschaft für Evangelische“ Theologie festzustellen ist.

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Am 17. November, einem kalten Novembertag, gab Bischof Oskar Sakrausky unter Beteiligung namhafter Persönlichkeiten des öffentlichen und kirchlichen Lebens mit einem symbolischen Spatenstich den Baubeginn des neuen Theologen- und Lehrer-studentenheimes in Wien XVIII, Blumengasse 4—6, bekannt. Das Bauprojekt sieht 60 Wohneinheiten für Einzelpersonen wie für verheiratete Studenten vor. Es muß groß gebaut werden, weil in den letzten Jahren, nach einiger Zeit der Stagnation, wieder ein erfreuliches Zunehmen der akademischen Hörerschaft für Evangelische“ Theologie festzustellen ist.

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Die Inangriffnahme des Vorhabens wurde nur durch großzügige Subventionen der Bundesministerien für Unterricht - und Knust sowie für Wissenschaft und Forschung möglich. Auch eine Unterstützung des Bundeslandes Wien und die Inanspruchnahme der Wohnbauförderung, sowie namhafte Hilfen evangelischer Organisationen des Auslandes sollen die Durchführung des Baues vollenden helfen.

Der Bau samt Einrichtung wird auf 18 Mülionen Schilling geschätzt.

Das alte Theologenheim

Aus Anlaß des 60jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs I. wurde in Wien im Jahre 1908 eine Jubiläumsstiftung ins Leben gerufen, die die Errichtung eines Heimes für Studierende der Evangelischen Theologie zum Ziele hatte.

Am 27. Oktober 1913 fand schließlich die Einweihung statt. Während des Ersten Weltkrieges war in den Räumen ein Lazarett des Roten Kreuzes untergebracht. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges richteten Bombenangriffe auf Wien großen Schaden auch am Theologieheim an. In der Folge mußten kostspielige Reparaturen und auch ein Umbau vorgenommen werden, um den Anforderungen an ein solches Heim in unserer Zeit Zu entsprechen. Leider zeigte es sich, daß die im Krieg entstandenen Schäden wohl rein äußerlich behoben werden konnten, daß aber eine notwendig gewordene gründliche Sanierung des Gebäudes Unsummen verschlungen hätte. Die Schätzung der erforderlichen Generalrenovierungskosten belief sich auf mehrere Millionen. So entschloß man sich, den Altbau abzubrechen und einen neuen, wesentlich größeren Gebäudekomplex zu errichten. Dieses : Projekt sieht ein kombiniertes Theologen- und Studentenwohnheim für Studierende an den Pädagogischen Akademien vor.

Braucht man heute noch Pfarrer?

Das Pfarrerbild wurde im Gegenüber von Amt und Gemeinde im Laufe der Zeiten geprägt. Die Gemeinde wird durch die Predigt des Wortes Gottes geschaffen, sie ist eine „creatura verbi“. Der Prediger, der Pfarrer, hat dieses Wort als sein persönliches Zeugnis, und das bedeutet in aller Bezogenheit auf seine Zeit und deren Umstände: verkündigen.

Darum besteht ein wesentlicher Teil der Vorbildung des Predigers darin, daß er die Botschaft von Jesus Christus in die richtigen Beziehungen zu seiner Zeit zu setzen lernt. Nur so behalten das „Amt“ und die „Gemeinde“ ihre Aktualität.

Äußerlich stellen sich Gemeinde und Kirche als ein Betrieb dar. Freilich geht es darin weder um Produktion noch um Gewinn, sondern um die Darstellung eines durch das Evangelium motivierten Lebens. Noch sieht es auf Grund der Statistik in Österreich so aus, daß der „Gesinnungsbetrieb Kirche“ der größte Betrieb im Lande ist. 95 Prozent aller Österreicher bekennen sich zu einer christlichen Kirche. An jedem Ort ist sie gegenwärtig und alle, die getauft sind, haben Anspruch auf die Seelsorge der Kirche, auf die „cura animarum“. Gottesdienste werden gehalten, Kirchen gebaut, Beratungsstellen eingerichtet. Für viele Österreicher gibt es, was den Pfarrer anbelangt, eine klare Trennung zwischen Sonntagsund Alltagswelt. Man erwartet, den Pfarrer in der Kirche zu sehen, im Alltag fehlt er größtenteils. Die Menschen kommen vom sich aus immer seltener zum Pfarramt. Der Pfarrer muß vielmehr den Weg zu den Menschen suchen.

Für den Seelsorger ist die Verwaltung oft eine schwere Belastung, die ihn hindert, das zu tun, was er tun sollte — nämlich Seelsorge zu treiben. Das Verhältnis von Gesellschaft, Religion und Kirche hat sich in den letzten Jahrhunderten, ja in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Und damit hat sich auch das religiös-kirchliche Verhalten der Österreicher gewandelt. Früher hatte die Kirche viele Funktionen in der Alltagswelt, Funktionen, die heute zum Teil weltliche Organisationen übernommen haben. Daher wird der Pfarrer oft in Frage gestellt, ja man fragt vielleicht: brauchen wir ihn überhaupt noch? Das Schlagwort „weg von der Kirche“ stimmt deshalb nicht, weil der Mensch in einer Zeit der Übersättigung mit Konsumgütern und Genußmitteln aller Art entdeckt, daß man von diesen allein nicht leben kann. So ergibt es sich, daß er wieder eine Bindung zu Gott sucht. So wird der gut ausgebildete Pfarrer wieder gefragt. Manche unter ihnen haben die Gabe der Seelsorge. Wer sich dazu berufen fühlt, weiß sich zum Dienst an den Menschen beauftragt und hat die Überzeugung, an einer wertvollen und wichtigen Tätigkeit teilnehmen zu können. Sicher, das Berufsbild des Pfarrers ist weitgespannt. Er begleitet den Menschen von der Geburt bis zum Grabe. Aber wie sieht sich der Pfarrer selbst? Als Manager, als Pädagoge, Sozialingenieur, Seelsorger? Ist er Zeremonienmeister, Festeverschönerer? Untersuchungen halben ergeben, daß Gemeinden einen Seelsorger wünschen.

Um den künftigen Pfarrer schon während seiner Studienzeit für die Berufspraxis vorzubereiten, versucht die Evangelische Kirche in Österreich neue Wege zu gehen, indem sie den Theologen und den Studierenden der Pädagogischen Akademie eine vita communis anbietet. Es geht ihr darum, den Studenten, die sich der Ausbildung an der Evangelisch-Theologischen Fakultät unterziehen, jene Wohngemeinschaft zur Verfügung zu stellen, in der sie in wissenschaftlichen Arbeiten, Diskussionen und im gemeinsamen Überdenken der theologischen Grundfragen ihre Ausbildung an der Fakultät ergänzen und so zur höchsten Wirkung bringen können. Auch sollen in dieser vita communis Grundlagen der brüderlichen Gemeinschaft im Dienste Jesu Christi und seiner Kirche gelegt werden.

Das Zusammenleben soll nebenbei dazu dienen, Gespräche über Grundsatzfragen der Theologie und der modernen Pädagogik zu fördern. Die Kirche erhofft sich, aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen eine wichtige Förderung der Studierenden für ihren künftigen Beruf. Dieses gemeinschaftliche Leben wird den Studenten von der Kirche nicht befohlen, sondern als eine Hilfe für ihre zukünftige Arbeit angeboten. Für den Beruf des Pfarrers ist es besonders wichtig, sich in das Leben der Gemeinschaft schon früh einzuleben. So hat das Bild des Hirten auch in unserer Zeit seine Berechtigung.

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