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Pfarrerwahl durch die Gemeinde?

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Ein Studientag zum Thema .Maßnahmen zur Sicherung des Nachwuchses an Priestern”, den die Katholische Aktion (KA) der Diözese Linz veranstaltete, brachte neben einer gründlichen Situationsanalyse auch konkrete Empfehlungen für eine Bewältigung des Problems, die in Arbeitskreisen erarbeitet und nun zur Diskussion gestellt worden sind. Hier die wesentlichen Vorschläge:

• Im Arbeitskreis 1 wurde es als nicht zielführend angesehen, das derzeitige System der Priester-Rekrutierung und -Ausbildung beizubehalten.

Die christliche Gemeinde sollte die Möglichkeit haben, selbst den Gemeindevorsteher zu suchen und vorzuschlagen. Dieser Gemeindevorsteher könnte eine Frau oder ein Mann sein, verheiratet oder unverheiratet. Wichtig wäre, daß er Fähigkeit zu diesem Amt und das Vertrauen sowohl der Gemeinde als auch des Bischofs hat, heißt es in den Empfehlungen.

Eine christliche Gemeinde müsse nicht nur eucharistiefähig bleiben, sondern habe auch ein Grundrecht auf die sonntägige Eucharistiefeier. Dies bedeute, daß der Gemeindevorsteher gleichzeitig ordinierter Priester sein müßte.

Der Arbeitskreis ersucht das Präsidium, die Bischöfe zu bitten, dieses Modell ad experimentum in derzeit unbesetzten Pfarren zu versuchen.

• Der Arbeitskreis 2 vertrat u. a. folgende Auffassungen:

Werbung für geistliche Berufe dürfte nicht verkrampft durchgeführt werden. Zielführender wäre es, wenn durch unbefangene Auseinandersetzung mit diesem Thema in Rundengesprächen etc. Ideen und Uberzeugungen durchsickerten.

Die Priesterweihe müßte ansprechender und vor allem mit stärkerem Bezug zur christlichen Gemeinde gestaltet werden. Ausdrücklich wurde auch auf die Wichtigkeit des Gebetes verwiesen.

• Der Arbeitskreis 3 hielt es für wichtig, innerhalb der K A eine positive Einstellung zum Priesterberuf mitherzustellen. Dies könnte geschehen durch:

Erstellung von Rundenskizzen, „Normalisierung” des Berufsbildes des Priesters (Entmystifizierung), aber auch „Normalisierung” des Beziehungsbildes Frau/Priester bzw. Mutter/ Priesterkandidat. Darüber sollten Frauenbewegung und Jugendgruppierungen diskutieren.

• Im Arbeitskreis 4 wurden folgende Meinungen vertreten:

Bereits in der Familie, aber auch Jungschararbeit müßte mehr getan werden, um schon bei Kindern eine positive Einstellung zum Priesterberuf zu fördern. Offen ausgetragene Uneinigkeiten in der Kirche trügen dazu bei, daß potentielle Priesterkandidaten verunsichert werden.

Die Ministrantenseelsorge sollte auch als eine Möglichkeit zur Hinführung zum Priesterberuf gesehen werden. Wichtig wäre die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten von Jugendlichen und Priestern.

Die Anregungen des Linzer Studientages haben natürlich ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Weihbischof Alois Wagner bedauerte eine „vollständige Verzerrung” durch eine Berichterstattung, die vor allem den unorthodoxen Vorschlag einer Gemeindevorsteherwahl herausstellte.

So etwas würde laut Wagner „eine vollständige Veränderung des Priesterbildes bedeuten und nicht mit den Aussagen der Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil Ubereinstimmen”. Eine Umstrukturierung der Kirche sei nicht das Ziel des Studientages gewesen, dessen Thema „eindeutig Werbung für den Priesterberuf in heutiger Sicht war.”

Der Vorschlag eines Arbeitskreises des Linzer KA-Studientages, Gemeindevorsteher wählen zu lassen, hat sicher viele schockiert. Noch niehr Christen mögen ihn angesichts der gegenwärtigen Weichenstellung in Rom für unzweckmäßig halten. Dann muß man das in aller Offenheit sagen, wie dies auch Weihbischof Wagner in dankenswerter Offenheit und Klarheit getan hat.

Aber eines wird allmählich noch befremdlicher, daß man nach der Vorstellung mancher in dieser Kirche bald überhaupt nichts mehr sagen darf, was nicht quasi vorher mit Rom abgesprochen ist.

Man muß doch unterscheiden zwischen dem, was als kirchliche Lehrmeinung, und dem, was als Meinung eines katholischen Christen geäußert wird. Der Äußerung zulässiger Lehrauffassungen ist sicherlich eine Grenze zu setzen. Aber das kann doch nicht dieselbe Grenze sein, die für Meinungsäußerungen einzelner Christen gilt.

„Die Sorge um die geistlichen Berufe muß Anliegen aller getauften und ge-firmten Christen sein”, betonte Weihbischof Florian Kuntner dieser Tage vor dem posturalen Diözesanrat der Erzdiözese Wien.

Eine solche Auffassung entspricht dem Emst der Lage, die etwa dadurch gekennzeichnet ist. daß all'in zwischen 1969 und 1979 die Zahl der Wiener Di-özesanpriester von 863 auf 702, die der Priesterweihen von durchschnittlich zehn pro Jahr auf durchschnittlich fünf gesunken ist.

In einer solchen Situation muß es doch wohl auch erlaubt und möglich sein, einmal unorthodoxe Gedanken auszusprechen. Wenn solche unbrauchbarsind, muß man sie mit Argumenten widerlegen. Im konkreten Fall sollte das nicht schwerfallen.

Eine Kirche aber, die sich vordem offenen Wort fürchtet, ist von dieser Angst ungleich mehr bedroht als vom offenen Wort. hf

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