6852341-1976_52_11.jpg
Digital In Arbeit

„Pfarrseelsorge“ wieder gefragt?

Werbung
Werbung
Werbung

In der Konzilsgedächtniskirche in Wien-Lainz, in der auch die Wiener Diözesansynode und die Österreich-Synode abgehalten wurden, findet vom 28. bis 30. Dezember die österreichische Pastoraltagung 1976 zum Thema „PFARRSEELSORGE - von der Gemeinde mitverantwortet“ statt.

Der Vorsitzende des österreichischen Pastoralinstitutes, Josef Wiener, wird dazu voraussichtlich über 500 Gäste berußen können. Neben den Teilnehmern aus allen österreichischen Diözesen sind etwa 120 Gäste aus acht Nachbarländern (Italien/Südtirol, Schweiz, BRD, DDR, CSSR, Jugoslawien, Polen und Ungarn) angemeldet. Kardinal Dr. König feiert, den Eröfhungsgottesdienst mit dieser Tagungsgemeinde; Karl Rahner, der große theologische Inspirator, der Lehrer vieler Theologengenerationen und Konzilstheologe, wird das Einführungsreferat halten.

Aus dem Tagungsprogramm wird deutlich, wie sehr auch diese Pastoraltagung auf der Linie der konziliaren und synodalen Erneuerung steht. Gerade im Vergleich mit den Synoden stellen sich aber einige Fragen: Warum spricht man wieder so betont von „Pfarrseelsorge“ und nicht etwa von Pastoralen'Diensten oder von Aufgaben einer lebendigen Gemeinde?

Die Österreich-Synode kennt diesen Ausdruck nicht, sondern beschreibt dafür die für die Gemeinde im Vollsinn notwendigen Funktionen und Dienste: Verkündigung, Liturgie, Diakonie. Als Träger dieser Dienste werden dort - mit einem Konzilszitat -zuerst die Gläubigen im allgemeinen genannt: „Es gibt daher kein Glied, das nicht Anteil an der Sendung des ganzen Leibes hätte“ (Priesterdekret Nr. 2). Zu diesem allen gemeinsamen Dienst am Menschen kommen dann noch die speziellen Formen: Apostolat der Laien, Apostolat der Orden und' Träger kirchlicher Dienste im besonderen, unter denen noch einmal nicht nur jene verstanden werden, „die ein kirchliches Amt im engeren Sinn durch Teilhabe an der Weihe oder Jurisdiktion ausüben, sondern alle, denen ein kirchliches Amt im weiteren Sinn übertragen wurde“ (Österreich-Synode 1.1.2.4). Auch die Diöze-sansynoden beschreiben das, was hier mit „Pfarrseelsorge“ gemeint ist, oft mit neuen, dem konziliaren Selbstverständnis der Kirche besser entsprechenden Ausdrücken. So spricht etwa Wien vom „Leben und Wirken der christlichen Gemeinde“.

In ähnlicher Weise könnten zahlreiche Beispiele angeführt werden, wie das Wort „Seelsorge“ oder „Seelsorger“ in den letzten zehn Jahren durch andere Ausdrücke ersetzt wurde: die diözesanen Seelsorgeräte werden Pastoralräte oder Diözesanräte genannt; aus dem österreichischen Seelsorgeinstitut machte die österreichische Bischofskonferenz ein „österreichisches Pastoralinstitut“; die „Weihnachts-Seelsorgertagungen“ (von 1931 bis 1959 „Wiener Seelsorgertagungen“ genannt) heißen seit 1970 „Österreichische Pastoraltagung“, da neben den Pfarrern und Kaplänen zunehmend mehr Männer und Frauen, die hauptberuflich im kirchlich-pastora-len oder katechetischen Dienst stehen oder die in einer anderen Aufgabe des Apostolats hauptberuflich tätig sind, an dieser Tagung teilnehmen.

Soll also jetzt durch die starke Betonung des Ausdrucks „Pfarrseelsorge“ doch wieder das Schwergewicht auf das Wirken der Priester gelegt werden, die ja nach allgemeinem Verständnis die eigentlichen „Seelsorger“ sind? Und sollen alle anderen, die sich mit gleichem Engagement um die Erfüllung des kirchlichen Heilsauftrages bemühen, wieder auf die Stufe der zweitrangigen „Gehüfen“ gestellt werden?

Dazu ist festzustellen, daß der Priester in der Funktion eines Gemeindeleiters aus theologischen Gründen nicht durch andere ersetzt werden kann, weil zur vollen Gemeindeleitung der Vorsitz in der Eucharistiefeier gehört und dazu die sakramentale Beauftragung, also die Weihe, Voraussetzung ist. Der Gefahr einer Klerikali-sierung ist nur zu begegnen, indem der eine und gemeinsame Dienst an den Menschen auch wirklich immer mehr als gemeinsame Aufgabe der gesamten Kirche verstanden und geleistet wird, und indem die einzelnen ihre besondere Aufgabe, ihr Amt oder ihre Funktion partnerschaftlich mit allen anderen erfüllen. In einem solchen Verständnis ist nicht nur der Priester „Seelsorger“, sondern auch der Diakon, die Pastoralassistentin oder Ordensfrau, der Jugendleiter, ja jeder, der seine Mitverantwortung für die Gemeinde durch bestimmte Aufgaben erfüllt

Aber es bleibt immer noch das mit dem Wort „Seelsorge“ verbundene Mißverständnis, wonach die Kirche nur die Sorge für die Seelen, die cura animarum, womöglich noch im Sinn von „Rette deine Seele“ als einseitige Vertröstung auf das Jenseits leisten würde. Dieses mögliche Mißverständnis wie auch das Unbehagen vieler Fernstehender, die unter Seelsorge ein bevormundendes und aufdringliches Umsorgtwerden fürchten, scheinen tatsächlich die wichtigsten Gründe zu sein, warum man den Ausdruck Seelsorge eher sparsam verwenden sollte. Dies deutlich gemacht, muß man aber doch daraufhinweisen, daß das „Heil“ des ganzen Menschen, wie Jesus Christus es verkündet und gewirkt hat, wesentlich auch das Heil der „Seele“, die Befreiung aus äußeren und inneren Nöten und Abhängigkeiten bedeutet

Wie soll also heutige „Pfarrseelsorge“ verstanden werden? „Pfarrseelsorge“ als das Gesamte der seelsorglichen Dienste einer Pfarrgemeinde, ihres Lebens und Wirkens, ist nicht nur Aufgabe des mit der. Gemeindeleitung betrauten Pfarrers, sondern ist in die gemeinsame Verantwortung aller übergeben. Es wird darauf ankommen, daß immer mehr denkende, handelnde, betende Menschen die Gemeinden und ihre Aufgaben verantwortlich mittragen, daß möglichst alle Gemeindemitglieder ihren - vieleicht kleinen, jedenfalls überschaubaren -Dienst in irgendeinem Bereich leisten. „Eine gute Pfarre erkennt man heute an der Qualität und Quantität der Mitarbeiter sowie an der Art und Weise ihrer Kooperation“ (Josef Wiener).

Da auch heute noch für die meisten Menschen das Wirken der Kirche am unmittelbarsten in den Pfarren erfahrbar wird, spielt die konkrete Gemeinde eine entscheidende Rolle: wie sie ihre Gottesdienste und Feste feiert, wie in ihr gepredigt wird und wie sich die Gemeinde um das Verständnis des Evangeliums bemüht, wie ihre Mitglieder mithelfen, Kinder und Jugendliche in den Glauben einzuführen und auf die Sakramente vorzubereiten, wie in ihr die verschiedenen Dienste geleistet werden, wie in ihr durch die verschiedenen Gruppen eine Vertiefung christlicher Solidarität und Gemeinschaft erreicht wird, wie schließlich für den einzelnen eine Beheimatung in der Gemeinde möglich wird. Das Schwergewicht einer solchen Pfarr-seelsorge wird auf der Erwachsenen-pastoral liegen, da in erster Linie die Erwachsenen diese volle Mitverantwortung zu tragen haben. Die Eltern werden wieder stärker ihre Verantwortung gegenüber dem Glauben ihrer Kinder wahrnehmen können, wenn sie selbst in ihrem Glauben eine entsprechende Förderung erfahren.

In einer Zeit der starken Überflutung durch die Massenmedien und der Unüberschaubarkeit der gesellschaftlichen Anforderungen haben heute Gruppen eine besondere Bedeutung: Familienrunden, Jugendgruppen, Glaubens runden, Projektgruppen zur Lösung konkreter Aufgaben, Kindergruppen - nicht nur zur Vorbereitung der Erstkommunion -, Erwachsene, die die Bemühungen eines Jugendzentrums begleiten, das Team, das den Kern eines Altenclubs bildet, auch der Pfarrgemeinderat und seine Ausschüsse. Diese Gruppen bilden gleichsam eine „Subkultur“ christlichen Feierns, Mitlebens und Mitleidens, eines christlichen und gesellschaftlichen Engagements. Hier machen die Gläubigen am deutlichsten die Erfahrung, daß sie Subjekt der Seelsorge und nicht das zu betreuende Objekt sind.

Wenn die Aufgaben gemeinsam sind, dann wird man auch gemeinsam nach einer neuen Spiritualität suchen: nach einem Leben aus dem Geist des Evangeliums, im Einsatz für die Menschen in der Offenheit füreinander und in der Hoffnung auf ein endgültiges Kommen des Reiches Gottes. - Das alte und neue Ziel bleibt: Person und Werk Christi als Mitte der Gemeinde, als Mitte der gemeinsamen „Pfarrseel-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung