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Pfingsten heute in Europa

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Am ersten Pfingstfest trat die junge Kirche vor die Welt. Erfüllt vom Heiligen Geist treten Petrus und die übrigen Apostel aus dem Abendmahlsaal heraus, und Petrus hält seine erste Predigt. Zuerst deutet er das Geschehen durch die prophetischen Worte des Joel und spricht von der Ausgießung des Geistes über alles Fleisch. Dann hören wir die Kunde von der Aufer- stehung des Herrn. Petrus schließt seine Predigt mit den Worten: „Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat Ihn zum Herrn und Messias gemacht, eben diesen Jesus, den Ihr gekreuzigt habt." (Apostelgeschichte 2, 36)

Inhalt der ersten Predigt des hei- ligen Petrus ist die Tatsache der Auferstehung, vom auferstandenen Herrn. Die Tatsache der Auferste- hung und noch mehr die Begeg- nung mit dem auferstandenen Herrn hat bei den Aposteln eine neue Schau der Persönlichkeit des Jesus von Nazareth erstehen las- sen.

Das II. Vatikanische Konzil sagt uns in der dogmatischen Konstitu- tion über die Kirche (Lumen gen- tium'!): „Durch die Kraft des Evan- geliums läßt der Geist die Kirche allezeit sich verjüngen und erneu- ert sich immerfort."

Was sich in den letzten Monaten an politischer Erneuerung ereignet hat, haben wir alle mit tiefer Er- griffenheit und Anteilnahme erlebt. Es ist zu begrüßen, daß Papst Jo- hannes Paul II. bei seinem Besuch in Prag und Preßburg zu einer eu- ropäischen Bischofssynode aufge- rufen hat. Die Kirche will und muß bei dieser Erneuerung tatkräftig mitwirken. Wohl wird politische und wirtschaftliche Hilfe notwen- dig sein. Was aber ganz wichtig sein wird, ist die religiöse und kirch- liche Hilfe: Diese müssen wir bald leisten.

Pfingsten in Europa! Helfen wir unseren Nachbarn, indem wir ih- nen die Heilige Schrift in Form von vielen Bibeln senden! Das Bibel- werk und die Caritas haben da viele Möglichkeiten.

Müssen wir nicht voll Bewunde- rung auf den Erzbischof von Prag, Kardinal Frantisek Tomasek, blik- ken, der sich in harter Zeit als ein

großes Bollwerk für sein Volk er- wies. Besonders in den Tagen des Umbruches hat sein Beispiel und sein Wort entscheidend beigetra- gen zum Erfolg des Willens des Volkes.

So haben wir uns alle gefreut, daß er den Besuch des Papstes im April 1990 erleben durfte. So kön- nen wir erleben, welch große Kraft machtvolle kirchliche Persönlich-

keiten für die Erneuerung der Kir- che darstellen. Nun liegt es an uns, diesen Weg der Kirche bei unseren Nachbarn zu unterstützen und zu fördern.

Am 2. Februar fand ein Besuch von österreichischen Ordensleuten in Prag, in der Abtei Strahov, statt; es sollte ein Anfang sein, ein Zei- chen der Ermutigung.

Wieviel haben die Orden in Böh- men, Mähren und in der Slowakei erlitten; im Untergrund und unter schwersten Bedrängnissen konnten die Brüder und Schwestern im Ordensstand ihre Gemeinschaften erhalten. So war die Zusammen- kunft in Prag die erste Kontakt- nahme - als Zeichen einer Hilfe und Hoffnungsgabe. Bei diesem Treffen waren 300 Ordensmänner und 800 Ordensfrauen anwesend. Besonders ging es dabei um Fragen der Seel- sorge und wie das Ordensleben in Gemeinschaft geführt werden kann.

Ende Mai war nun ein Treffen mit den ungarischen Ordensleuten in Mariazell geplant. So will Öster- reich helfen, daß die Kirche in Böhmen, Mähren, in der Slowakei und auch in Ungarn spürt, daß sie nicht allein ist im geistlichen Auf- bau. Diese Begegnung in Mariazell ist für die Ungarn von größter Bedeutung, war doch für die Nach- barländer Mariazell als Heiligtum der Magna Mater Austriae immer das geheime Heiligtum auch für Ungarn. Hier steht nun Mariazell vor großen Aufgaben.

Ungarn wird in Kürze die Über- führung des Märtyrerbischofs Kar- dinal Mindszenty nach Esztergom erbitten. Das ist wohl für Mariazell

und Österreich eine große Ver- pflichtung, diese Feier besonders im Hinblick auf die Erneuerung Ungarns würdig und eindrucksvoll zu gestalten.

Für die weitere Zukunft liegt aber eine große Aufgabe für Österreich und Mariazell anläßlich der großen Weltausstellung 1995 vor uns. Es sind bereits Vorbereitungen im Gange, den ungarischen Gläubigen den Heiligen Weg von Maria-En- zersdorf über Lilienfeld nach Ma- riazell zu erleichtern. Es wäre schön, wenn Mariazell in diesem Jahr neuerlich zu einem großen religiö- sen Zentrum werden könnte.

Die Kirche von Österreich tritt vor die Welt. Ich meine den sozialen Hirtenbrief der österreichischen Bi- schöfe. Die Kirche von Österreich hat in der sozialen Frage eine große Vergangenheit. Hat doch Papst Leo XIII. bei der Erstellung der Enzy- klika „Rerum novarum" von 1891 auf die Gedanken von Vogelsang zurückgegriffen, hat doch in den letzten Jahren in Rom Johannes Schasching viel zur Behandlung der sozialen Frage beigetragen.

Nun haben die österreichischen Bischöfe am 15. Mai 1990 ihren Sozialhirtenbrief herausgegeben. Auf zwei Tatsachen möchte ich hinweisen: In ganz Europa haben einzig und allein die österreichi- schen Bischöfe die soziale Frage aufgegriffen und so eine Vorberei- tung für eine bestimmt zu erwar- tende päpstliche Dokumentation im Jahre 1991 geleistet. Hundert Jahre „Rerum novarum" ist sicher für die ganze Kirche ein großes Ereignis.

Innerhalb Österreichs scheint mir die Tatsache, daß die österreichi- schen Bischöfe in einem einhellig erstellten Hirtenbrief ein beein- druckendes Zeugnis kollegialer Einheit gegeben haben, besonders beachtenswert. Man kann sich über diese Einhelligkeit sehr freuen. Sie ist aber auch ein starker Auftrag für die Zukunft. Je größer sich die Einheit der Bischöfe zeigt, desto stärker wird sich die Gläubigkeit des christlichen Volkes erweisen. Gehen wir mit Zuversicht den Weg in die Zukunft!

Der Autor ist Propst des Augustiner-Chor- herren-Stiftes Klosterneuburg.

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