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Pfingsten – Tat Gottes

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Pfingsten ist eine ungeheure Verheißung von Gott her, eine Möglichkeit, die Gott schenkt. Allerdings haben heute viele keinen Zugang zum Pfingstereignis der Bibel und Firmereignis im eigenen Leben.

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Pfingsten ist eine ungeheure Verheißung von Gott her, eine Möglichkeit, die Gott schenkt. Allerdings haben heute viele keinen Zugang zum Pfingstereignis der Bibel und Firmereignis im eigenen Leben.

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Die Herabkunft des Gottesgeistes ist etwas nicht Vorstellbares oder Verstehbares, auch nicht vom Menschen her Vollziehbares: eine Begegnung mit dem lebendigen Gott. Sie kann dem zuteil werden, der in einem erwartenden Glauben sich dem ungeheuren Geheimnis Gottes öffnet, der nicht in einem kleingläubigen Denken und selbstsüchtigen Wollen und durch ein unbekehrtes Herz den Möglichkeiten Gottes Schranken entgegensetzt.

Diese Begegnung ereignet sich meist in kirchlicher Gemeinschaft. Sie kann in dramatischer Weise geschehen oder auch in einer Sanftheit und Güte, zuerst fast nicht wahrnehmbar. Diese Begegnung ermöglicht das Christsein, schafft lebendige Kirche, gibt Kraft, die Welt zu überwinden. Sie ist etwas Fundamentales:

„Ohne den Heiligen Geist ist Gott fern, bleibt Christus in der Vergangenheit, ist das Evangelium toter Buchstabe, die Kirche eine bloße Organisation, die Autorität nur Herrschaft, die Mission nur Propaganda, der Kult eine Beschwörung und das christliche Handeln eine Sklavenmoral.” (Metropolit Ignatios von Latakia)

Das Pfingstfest hat Weihnachten und Ostern als Voraussetzung, ist die Vollendung des Osterfestes. Diese Feste haben entscheidende Taten des lebendigen Gottes an Menschen und an der Menschheit zum Thema - eines Gottes. der sich als „Jahwe” geoffenbart hat (ex 3,14).

„Jahwe” heißt: „Ich bin der, der sich an euch wirksam erweist und sich an euch wirksam und lebendig erweisen wird.”

Weihnachten offenbart das persönliche Kommen Gottes in diese Welt, ist ein Fest des Anfangs und seliger Hoffnung.

Ostern offenbart die Abgründe des Menschlichen: Menschen sind imstande, Gott zu kreuzigen, wenn er ihnen nahe kommen und eine Umkehr auch den Guten nicht ersparen will. Ostern offenbart aber auch und vor allem eine unerwartete und unglaubliche Antwort Gottes.

Wie muß dieser Gott sein, der nicht nur den Tod überwindet, sondern sich dieser Menschheit mit einer Liebe zuwendet, die alle früheren Großtaten Gottes in den Schatten stellt, der seinen „Geist ausgießt über alles Fleisch”. (Apg. 2, 17)!

Wie muß dieser Gott sein, in dem die gräßlichste Verwerfung eine unfaßbare Liebesantwort und persönliche Selbstmitteilung provoziert! All dieses Tun Gottes geschieht nicht auf Grund von menschlichen Verdiensten, religiösen Leistungen, geht weit über menschliche Vorstellungen und Hoffnungen hinaus, stürzt von einer Überraschung in die andere - so haben es die Zeitgenossen erfahren.

Ob wir dafür die Augen offen haben? Es gibt heute eine schwer durchschaubare Versuchung, unentwegt auf die Probleme von Kirche und Welt zu starren, die Kirche funktionsfähig für die Welt machen zu wollen und die Augen erst dann zu erheben, wenn alle Probleme gelöst sind.

In diesem Konzept menschlichen Engagements haben die Großtaten Gottes keinen Platz. Wer von den bekümmerten kirchlichen Analysemenschen und Prognostikern hat - rückblickend gesprochen - z. B. einen Guardini, einen Kardinal Cardijn, einen Roger Schütz, eine Mutter Teresa, einen Johannes XXIII. und auch Bewegungen und Strömungen charismatischer Art, wie sie vielfältig heute aufgebrochen sind, eingeplant?

Vielerorts gibt es heute einen Aufbruch des Geistes. Tat Gottes, Pfingsten. Bekümmerte Christen von heute erliegen der Faszination des Negativen in Kirche und Welt. Ihr Blick wird getrübt und eingeengt, ihr Herz vergiftet von Zorn und Empörung über Menschen und Gott. Sie sind nicht mehr frei, zu hoffen, anzubeten, sich Gottes zu freuen und zu feiern.

Das Pfingstereignis geht uns unmittelbar und persönlich an. Seit es Pfingsten gibt, müssen wir mit der persönlichen Nähe des lebendigen Gottes rechnen - und mit seinen Überraschungen. Es ist unchristlich, von einer Gottesferne zu sprechen. Gott ist nicht mehr nur über den Wolken, alles beobachtend und richtend, alles Leid aber zulassend, in heiliger Distanz zu unserem Alltag.

Pfingsten sagt, daß Gott die Liebe ist, die sich selber mitteilt. Diese Liebe will aber von mir ganze Antwort: sie will nicht etwas von mir, sie will mich, weil sie Liebe ist. Liebe Gottes will das Herz treffen, es erfassen, erfüllen, verändern.

Für uns erhebt sich die entscheidende Frage: Will ich es mit diesem Gott zu tun bekommen? Will ich ihn finden, erfahren und nicht nur suchen? Will ich die rätselhafte Angst fahren lassen, mich ganz auf Gott einzulassen, auch wenn er mich führt, wohin ich nicht will (Jo 21, 18)? Halte ich ein hochzeitliches Einssein mit Gott (Kommunion) für möglich, das so folgenreich ist wie ein glücklicher Bund zwischen Liebenden?

Propheten der Bibel sprechen nicht selten in Bildern menschlicher Liebe von der Gemeinschaft Jahwes mit seinem Volk. Und dieses Volk feiert zu Pfingsten das Sinai-Ereignis, das ihm zeigt, wie überwältigend und stark Jahwe ist, der die Seinen trotz allen Widerstrebens an sich bindet. Beim Pfingstereignis der Apostelgeschichte ist noch Größeres geschehen. Dieses Ereignis hat die Urchristen befähigt, die Welt zu verändern.

Wo gibt es im seelsorglichen Getriebe in unseren Gemeinden gemeinsame Wege der Umkehr, der Öffnung für den Geist Gottes, sodaß Pfingsten werden kann? Die mangelnde spirituelle Kraft der Katholiken ist neben ihrer Uberaktivität doch eine Tatsache.

Wo wird gebetet um das reinigende Feuer des Geistes, mit der Bereitschaft zu einer Umkehr, wie Gott sie will? Wo wird gebetet, daß Christen vom Heiligen Geist erfüllt werden und die Großtaten Gottes preisen? Daß das Evangelium heute wahr wird?

Ich weiß es, daß dies geschieht. „Wir erleben in der Kirche einen Augenblick, der in besonderer Weise vom Geist gekennzeichnet ist. Uberall sucht man ihn besser zu erkennen, so wie ihn die Schrift offenbart. Freudig stellt man sich in seine Bewegung hinein. Man versammelt sich um ihn: man will sich von ihm führen lassen” (Paul VI., Evangeliis nuntiandi” 75).

(Der Autor ist Pfarrer in Wien-Hernals.)

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