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Pflichttermin: Jazzfest im Sägewerk

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Endlich ist es wieder so weit: die Zeit der Open airs und Musikfestivals ist angebrochen: Von 17. bis 19. Mai stand das oberösterreichische Raab ganz im Zeichen der Musik. Genauer gesagt, des österreichischen und internationalen Jazz. Da gab es klingende Namen, wie etwa die Austro-Jazzer Harry Stojka (mit seinem Express), Karl Ratzeroderden „Teufelsgeiger” Zipfio Weinrich. Aus Amerika ist unter anderem das Eddie Harris Quartett gekommen.

Eigentlich geht es bei so einem Festival aber gar nicht so sehr darum, möglichst viel Prominenz zu sehen und zu hören - obwohl das natürlich durchaus möglich ist. Was für viele

Besucher viel mehr zählt, ist die besondere Atmosphäre, die solche Feste prägt.

So fand in Raab beispielsweise das Gros des Spektakels in einer Sägewerkshalle statt. In einer Halle, in der das Jahr über ganz normal gearbeitet wird; für das Jazzfest wird sie eben ein paar Tage vorher adaptiert. Der Besitzer, Johann Rothuber, stellt die Halle kostenlos zur Verfügung, die Veranstalter müssen nur die Versicherung bezahlen. „Der freut sich ja selber jedes Jahr auf das Fest”, erzählt jemand - und das ist wohl auch die Erklärung dafür, daß der Herr Rothuber während des Festes selbst tatkräftig mithilft. Man sieht ihn dann leere Biergläser und Limonadeflaschen mit einem Tablett abräumen. Das muß schließlich auch jemand tun.

Übrigens, die Bewirtung in Raab ist ausgezeichnet. In der Halle, jedoch etwas abseits vom musikalischen Geschehen, sind Heurigentische aufgestellt, und man kann sich an all den guten Sachen erfreuen: Pizza oder Müsli, Griechischer Salat oder Ke-bab, oder Toast und Gulasch für die, denen das zu exotisch ist.

Nicht nur in den Städten

Mit dem Publikum des Jazzfestes ist das nämlich so eine Sache: eigentlich gibt es „das” Jazzpublikum gar nicht. Das hat dann zur Folge, daß beim Fest Trachtenweste neben Lederjacke sitzt, afrikanische Zöpfchenfrisur neben einem in Ehren ergrauten Kopf, und jeder findet das irgendwie normal. Die gemeinsame Freude an der Musik und am bunten Treiben rundherum wirkt einfach verbindend, ein paar Stunden, ein paar Tage lang verlieren Dinge wie Alter oder Gesellschaftsschicht einfach an Bedeutung.

Es spricht für die Organisatoren, daß dabei auch auf die Kleinsten nicht vergessen wurde: für die Kinder gab es einen Workshop mit den amerikanischen Musikern Jim Pepper und Leopoldo Flemming, sowie zwei einheimischen Musikschullehrern.

Am Sonntag nachmittag haben die Kleinen dann ihren großen Auftritt: begeistert bieten sie eine Art Chorwerk dar, das sie in den Tagen zuvor einstudiert haben, begleiten sich selbst auf diversen Rassel-und Schlaginstrumenten.

Solche Festivals werden nicht „organisiert ”und „abgewickelt”, sondern mit viel Liebe und viel Phantasie vorbereitet und veranstaltet. Günter Mitter, einer der Mitverantwortlichen: „Es ist uns wichtig, daß wir hier selber was machen, damit sich nicht alles nur in den großen Städten abspielt.” Ihn ärgert es deshalb auch, wenn jemand diese Feste verächtlich machen will. So hat sich im ORF jemand über die Art der Verpflegung lustig gemacht. „Wir stehen auf Gulaschsuppe und Würstel”, meint Mitter.

Eine Eigenschaft verbindet das Publikum von Raab - bei aller Unterschiedlichkeit: Snobs sind keine darunter. Wenn jemandem kalt ist (die

Raaber haben mit dem Wetter immer Pech, sagen sie) hängt er sich zur Not auch eine Decke um und schlafen kann man für zwanzig Schilling im Saal des Gasthofs Lindpointner - im Schlafsack, versteht sich.

Am Pfingstsonntag gibt es dann, trotz des unsicheren Wetters, zwei Freiluftkonzerte: die Gruppe Broad-Iahn (ist das jetzt Jazz oder Volksmusik oder beides?) vorder Kirche sowie Zipfio Weinrich und Karl Ratzer (mit Verstärkung) auf dem Raika-Platz. Dem malerischen kleinen Städtchen steht die Klangkulisse über dem Zentrum ausgezeichnet. Musik muß man ja nicht unbedingt im Sitzen oder Stehen hören, man kann - von Tönen begleitet - auch durch die Straßen schlendern.

Unterm Strich war es eine tolle Sache: die Konzerte sind beim Publikum angekommen, das Wetter hat gehalten, technische oder organisatorische Probleme hat es nicht gegeben. Alles hat geklappt, und das bedeutet für die Veranstalter, daß sie finanziell etwa mit plus minus null aussteigen. Darauf kommt es ihnen aber auch nicht an, ihnen geht es darum, Kultur zu machen, mitzubestimmen.

Für alle, die jetzt vielleicht neugierig geworden sind: Versuchen Sie es doch einfach einmal mit einem Jazzfest, Saalfelden, Nickelsdorf, Wiesen oder ein anderes. Es gibt sie den ganzen Sommer über, für alle Geschmäk-ker und alle Geldbörsen.

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