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Pflichtübung Weltfriedenstag

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Einmal pro Jahr Frieden feiern, ganz intensiv an den Frieden denken, ihn vielleicht herbeisehnen — auch das ist schon zuviel verlangt, wenn es zur Gewohnheit wird. Sind zwanzig Weltfriedenstage genug?

Dabei ist nicht einmal ausgemacht, ob es sich um einen Tag des Weltfriedens handelt oder um eine Welt, die einen Friedenstag begeht. Daß in den vergangenen zwanzig Jahren zu den Weih-nachts- und Neujahrstagen manchmal auch die Waffen schwiegen, besagt noch nichts.

Erzwungener Waffenstillstand ist noch lange nicht Frieden; und eine Gedenkfeier in der Wiener UNO-City — die in Wien ansässige Internationale Atomenergiebehörde, die UNIDO und der Vatikanvertreter bei den Wiener UN-Organisationen befassen sich jährlich an einem Abend mit der jeweiligen Papstbotschaft zum Weltfriedenstag — trägt auch nicht viel zur Bewußtseinsbildung bei. Die Medien nehmen davon kaum Notiz.

Schweigen der Waffen und Theoretisieren über den Frieden sind Pflichtübungen — der Friedenswille ist unter Beweis gestellt, dann geht man zur Tagesordnung über.

Im Prinzip ist jeder für den Frieden — selbstredend sind das auch die Weltmächte. Die gängige politische Auffassung sieht den Frieden aber nach wie vor durch gegenseitige Abschreckung am besten gesichert; durch ein Gleichgewicht des Schreckens; durch gegenseitig zugesicherte

Vernichtung; durch Hochrüstung, um durch Zwang zur Abrüstung zu kommen.

Die Erfahrung zeigt, daß man Rüstung noch nie auf ein niedrigeres Niveau zurückschrauben konnte.

Vor diesem praktischen Dilemma steht die von Papst Paul VI. aufgegriffene Idee, jedes neue Jahr mit einem Innehalten für den Frieden zu beginnen. Seit den Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) plädierten unter anderen der Internationale

Versöhnungsbund mit Jean und Hildegard Goss-Mayr und Pazifisten wie der - FURCHE-Lesern bekannte — Österreicher Stefan Matzenberger für die Einführung eines Friedensgedenktages durch die katholische Kirche.

Die Friedenslehre der Päpste geht vom Zweiten Vatikanum aus und folgt der Tradition Pius XII. Der „totale Krieg“ ist geächtet. Doch kamen und kommen Konzil wie Päpste nicht um die Realität konkreten menschlichen Seins und tatsächlicher Macht- und Gewaltpolitik herum. Deswegen wird Krieg vom Konzil zwar als gravierender Störfaktor menschlichen Zusammenlebens gebrandmarkt, jedoch — als Verteidigungskrieg - nicht absolut geächtet. Und diese Position durchzieht auch die päpstlichen Äußerungen zu den verschiedenen Aspekten des Krieges bis heute wie ein roter Faden.

Realpolitiker fühlen sich dadurch in der Richtigkeit ihrer „Verteidigungsmaßnahmen“ — verantwortungsethisch — bestätigt. In der neuen Friedensbewegung hingegen stoßen die Papstappelle wegen des . Hinweises auf die Legitimität von Verteidigung—auch die heurige Botschaft enthält eine dementsprechende Passage — nicht selten auf Ablehnung.

Man wünscht sich eine deutlichere Gewichtung auf substantielle Abrüstungsanstrengungen hin; und weiters verspricht man sich von einer klaren Absage an jeden Krieg doch Denkimpulse, die die Kirche eigentlich. geben müßte.

In der Stoßrichtung Personwürde des einzelnen als Grundlage des Friedens —Johannes Paul II. legte beispielsweise 1984 großen Wert auf eine Erneuerung des Herzens, heuer warnt er vor dem Niedergang der Familie als Bedrohung des Friedens — sehen viele einen weiteren Ansatzpunkt für eine Ablehnung der Papstappelle.

Es wird auf die Unverhältnis-mäßigkeit dieser Hinwendung der Päpste auf die Friedenswurzel Familie und der x-fachen Over-kill-Kapazität verwiesen, die es doch eigentlich zu verwerfen gelte.

Wie immer man an diese Appelle zum Weltfriedenstag herangehen mag, die grundsätzliche Uberzeugung der Päpste, daß Krieg kein unabwendbares Schicksal ist, die Beziehungen der Völker also nicht von Waffengewalt geleitet werden dürfen, enthält einen nicht übersehbaren Gewissensaufruf.

Fraglich bleibt, ob man mit einem Tag diesem Aufruf nachkommen kann.

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