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Phänomen Euro-Terror

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Das Schlagwort heißt Euroterrorismus — und es stimmt in zweifachem Sinn: Europäische Repräsentanten sind die Ziele der jüngsten Attacken — von Bombenanschlägen auf Einrichtungen der NATO in der Bundesrepublik, Frankreich, Belgien und Portugal bis hin zu den Morden an dem französischen General Rene Au-dran und dem deutschen Manager Ernst Zimmermann, dem Chef eines Rüstungsunternehmens in München. Europäisch organisiert ist aber auch diese dritte Generation von Terroristen.

Die Sicherheitsbehörden vermuteten dies bereits, am 15. Jänner 1985 kam die offizielle Bestätigung. In einer von „Rote Armee Fraktion” und französischer „Ac-tion directe” gemeinsam verfaßten Erklärung an „Agence France Presse” war da von der „Bildung einer westeuropäischen Guerilla” die Rede, die den „proletarischen Kampf in den Hauptstädten aufnehmen wolle.” Der wurde lange vorbereitet:

Im September 1981, als der Ter-i rorismus als überwundenes Phänomen der siebziger Jahre galt, trafen in Portugal Vertreter europäischer Terrorgruppen zusammen. Die italienische „Prima Linea” war ebenso vertreten wie die spanische „Grapo”, die portugiesischen „Volkskräfte 25. April” und die französische „Action directe”.

1981 war auch das Jahr der Amnestierung der beiden „Action directe” Führer Jean-Marc Rouil-lan und Nathalie Menigon. Sie tauchten damals in Belgien unter, um von dort aus sowohl den französischen gewaltsamen Untergrund wieder aufzubauen als auch den belgischen Gesinnungsfreunden Nachhilfeunterricht in Sachen Terror zu erteilen. Denn in Belgien hatte sich in den siebziger Jahren auch in ganz links-ex-tremen Kreisen niemand gefunden, der mit der Waffe in der Hand für die Revolution kämpfen wollte.

Die „Kämpfenden Kommunistischen Zellen (CCC)”, die die Anschläge in Belgien seit November des Vorjahres verübt haben wollen, sind eine vollkommen neue Erscheinung; ein Grund, warum sich die belgische Polizei im Moment so schwertut, auch nur einen harten Kern der Terrorgruppen auszumachen. Dazu kommen die ziemlich offenen Grenzen Belgiens, die Brüssel möglicherweise zu einem Zentrum des Euroterrorismus werden ließen.

Dennoch dürften es deutsche Terroristen sein, die das Heft des europäischen Verbunds in Händen halten. Nach dem Mord an dem französischen General meldete sich bei einer Zeitung in Paris eine Anruferin mit deutschem Akzent. Ein kürzlich bei der Deutschen Presseagentur in Paris eingegangenes sogenanntes Bekennerschreiben zu den Morden an Audran und Zimmermann war zwar in deutsch und französisch verfaßt, der französische Brief war aber eindeutig eine Ubersetzung des deutschen.

Aber auch eine belgische Spur zieht sich wie ein blutiger Faden durch die jüngste Geschichte des Euroterrorismus. Im Juni 1984 wurden aus einem Steinbruch im wallonischen Ecaussinnes rund 850 Kilogramm hochexplosiver Plastiksprengstoff gestohlen, Sprengstoff, der seither in Paris, Oberammergau und Belgien verwendet wurde; rund 50 Kilo davon, 800 liegen noch versteckt irgendwo in Europa.

Hinweise darauf, wo sie eingesetzt werden könnten, haben die Behörden. In einer konspirativen Wohnung in Frankfurt wurden im Juli vergangenen Jahres nicht nur Pläne der NATO-Pipelines gefunden, die im Dezember tatsächlich gesprengt wurden. Allerdings wußte die Polizei auch, daß der Industrielle Zimmermann auf einer Todesliste der RAF stand und konnte den Mord nicht verhindern.

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