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Phantasielose Bankenbosse

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Anfang 1991 wurden die Gebühren für private Girokonten empfindlich erhöht. 1992 droht eine neuerliche Verteuerung. Als Grund werden wieder die hohen Verluste im Zahlungsverkehr vorgeschoben, die das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) mit sieben Milliarden Schilling beziffert hat. Hinter diesen trockenen Zahlen verbergen sich allerdings einige Unklarheiten.

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Anfang 1991 wurden die Gebühren für private Girokonten empfindlich erhöht. 1992 droht eine neuerliche Verteuerung. Als Grund werden wieder die hohen Verluste im Zahlungsverkehr vorgeschoben, die das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) mit sieben Milliarden Schilling beziffert hat. Hinter diesen trockenen Zahlen verbergen sich allerdings einige Unklarheiten.

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„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert" erkannte schon die fromme Helene bei Wilhelm Busch. Nach Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem sogenannten Insiderhandel an der Börse (FURCHE 30/1991), faulen Krediten, Gebührendiskussion, Kartellvorwürfen und manch anderen unerquicklichen Nachrichten könnte man meinen, daß auch der österreichische Kreditsektor sich zunehmend einer solchen Maxime verschreibt - selbst wenn man nicht von vornherein in die derzeit offenbar populäre Bankenbeschimpfung miteinstimmen möchte.

Denn während das Unbehagen über die von vielen als „handstreichartig" bezeichnete Gebührenerhöhung zu Jahresbeginn noch anhält (FURCHE 10/1991), steht der nächste Schlag zu Beginn des kommenden Jahres in voller Vorbereitung. Diskussionen darüber sollen nach den Erfahrungen früherer Jahre offenbar vermieden werden; außer einigen Vermutungen ist daher noch kaum bekannt, in welcher Form die Kontoinhaber wieder zur Deckung diverser Ertragslöcher herangezogen werden sollen.

Grundsätzlich ist aber zu fragen, ob die Abwicklung der Kontoführung und des Zahlungsverkehrs (Schecks, Überweisungen, Barabhebungen) den Banken tatsächlich Verluste verursacht, die durch höhere Gebühren abgefangen werden müssen. Oder wird hier nur versucht, den Weg des relativ geringsten Widerstands zu gehen, um die Ertragsrechnungen einigermaßen in Ordnung zu halten?

Leider ist diese Frage nicht ganz einfach zu beantworten. Das Beratungsunternehmen McKinsey war bereits vor einigen Wochen zum Ergebnis gekommen, daß der Zahlungsverkehr den österreichischen Banken (fast fühlt man sich schon so schuldig, daß man schreiben möchte: durch die unverschämten Aktivitäten der Kontoinhaber) einen Verlust von fünf Milliarden Schilling verursacht. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat nun vor kurzem eine Studie „Zahlungsverkehrssysteme und Zahlungsverkehr in Österreich" vorgelegt, deren Aussage dahingehend kolportiert wurde, daß dem Bankwesen gar ein Minus von sieben Milliarden aus diesem Geschäftsbereich erwachse.

Diese trockene Feststellung allein hieße aber, die Ergebnisse der Studie sehr oberflächlich darstellen. Denn die sorgfältigen Forscherweisen sehr ausführlich auf die großen Unsicherheiten hin, mit denen diese Schätzung - denn mehr ist es nicht - behaftet ist.

So kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß durch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs den Banken nicht nur Kosten, sondern auch vielfältige Ertragsmöglichkeiten entstehen. Was die Kosten betrifft, so sind diese auch nicht annähernd genau zu ermitteln, weil die Zahlungsvorgänge auf das Engste mit einer Vielzahl anderer Geschäftstätigkeiten verbunden sind.

Vor allem die Zurechnung von Fixkostenanteilen ist dann sehr willkürlich. Wie sind etwa die Kosten zu verteilen, wenn über ein Girokonto ein Wertpapiergeschäft abgewickelt wird? Und welcher Teil der dabei entstehenden Einnahmen ist dabei umgekehrt auf das Wertpapier- und welcher Teil auf das Zahlungsverkehrsgeschäft anzurechnen? Das Girokonto war dabei offenkundig nur der „Zubringer" für das Wertpapiergeschäft, das ohne ersteres vielleicht nicht oder aber bei einem Konkurrenzinstitut stattgefunden hätte. Das Girokonto bindet ja den Kunden weitgehend an ein bestimmtes Institut und ist damit Basis für eine Reihe anderer Geschäfte. Das Ausmaß dieser .Zubringerfunktion" des Girokontos ist aber unbekannt und kann daher nicht beziffert werden.

Man muß sich daher - wie erwähnt - teilweise mit groben Schätzungen behelfen: Bezüglich der Kosten halten es die Wirtschaftsforscher offenbar für hoffnungslos, in die Kostenrechnungen der Banken selbst Einblick zu nehmen und veranschlagen die Kosten des Zahlungsverkehrs für eine Volkswirtschaft - gestützt auch auf Untersuchungen aus anderen Ländern - auf eine Bandbreite zwischen 0,8 und 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (1990 wären das zwischen 14,5 und 21,7 Milliarden Schilling).

Was nun die Erträge aus dem Zahlungsverkehr betrifft, so sind die derzeit eingehobenen Gebühren in Höhe von 5,1 Milliarden Schilling noch einigermaßen klar zu erfassen. Eine andere Ertragskomponente ist der sogenannte „Float", ein weiterer Leckerbissen im gestörten Verhältnis zwischen den Banken und ihrer Kundschaft: Es handelt sich dabei um die Zeiträume von einigen Tagen, die zwischen Abbuchung von einem Konto und Gutschrift auf einem anderen Konto verstreichen (auch Wertstellungspraxis genannt). In dieser Zeit stehen die involvierten Beträge der Banken praktisch gratis zur Verfügung und die Erträge daraus können mit etwa 0,6 bis 1,2 Milliarden Schilling beziffert werden. #

Weitere Erträge entstehen dadurch, daß die Einlagen auf den Girokonten ja bekanntlich äußerst mäßig verzinst werden, während die Banken diese Gelder zumindest teilweise wesentlich günstiger anlegen. Hier ist der Schwankungsbereich der Schätzung allerdings sehr groß, je nachdem, zu welchen Zinssätzen man glaubt, daß die Banken die Beträge veranlagen. Die Forscher schätzen die Erträge in einer Bandbreite von 1,5 bis 9,1 Milliarden Schilling (!).

Alles in allem und unter Berücksichtigung der jeweiligen Eckwerte der Schätzungen gelangt die WIFO-Studie zu einer erheblichen Bandbreite des Nettoergebnisses für die Banken aus dem Zahlungsverkehr zwischen einem Überschuß (!) von einer Milliarde und einem Abgang von 15 Milliarden Schilling.

Der in der Öffentlichkeit bekanntgewordene Wert eines Defizits von sieben Milliarden Schilling wäre bloß der Mittelwert aus diesem Bereich; ob das auch der wahrscheinlichste Wert ist, sei dahingestellt. Vor allem auch deswegen,"weil die oben erwähnte „Zubringerfunktion" in dieser Rechnung überhaupt nicht berücksichtigt wurde.

Das Ausmaß der Unsicherheit wird noch durch die Ergebnisse einer Umfrage des WIFO unterstrichen: Es stellte sich heraus, daß Teile des Kreditsektors über Anzahl und Volumen ihrer Zahlungsverkehrstransaktionen eigentlich gar nicht genau Bescheid wissen. Man könnte also im Grunde sagen: Die Banken wissen zwar wenig über diesen Bereich ihrer Geschäftstätigkeit. Sicher ist aber, daß er zu teuer ist.

Derart diffuse Ergebnisse zur Basis eines wehleidigen Gejammers über die Verluste aus der Kontoführung zu machen, ist jedenfalls gewagt. In vornehmer WIFO-Sprache heißt das: „Bei Gegenüberstellung von Kosten-und Ertragsargumenten kann der Zahlungsverkehr nicht von vornherein als defizitär angesehen werden." Auch für die Bundesrepublik hätten Studien einen offensichtlichen Fehlbetrag aus diesem Geschäft nicht orten können.

Selbst wenn dem so wäre, wäre die Lösung des Problems über die Gebührenseite nur eine, allerdings die plumpeste, von mehreren Lösungsmöglichkeiten. Dazu wieder das WIFO: „Mit der Schätzung einer Ertragslücke im Zahlungsverkehr - in welcher Höhe auch immer-soll nicht implizit unterstellt werden, daß sie vollständig durch Gebührenerhöhung zu schließen wäre. Ein Teil des Abgangs wird durch Rationalisierungsbemühungen auszugleichen sein, ein anderer Teil kann der Zubringerfunktion des Zahlungsverkehrs für Drittgeschäfte zugerechnet werden."

Dieser leidige Problembereich stellt allerdings nur einen Teil der sogenannten Studie dar. Diese hat vielmehr ganz allgemein das Zahlungsverkehrssystem in Österreich zum Gegenstand und behandelt demnach auch einige interessante grundsätzliche Fragen in diesem Zusammenhang. So wird die große Bedeutung einer effizienten Abwicklung des Zahlungsverkehrs in einer entwickelten Geld- und Kreditwirtschaft herausgestrichen. Eine Aufgabe, die - um den Banken nun auch Freundliches zu sagen - von ihnen als unabdingbare und oft wenig anerkannte Infrastrukturleistung für die wirtschaftlichen Abläufe dieses Landes wahrgenommen wird.

Doch eine solche Leistung sollte auch effizient erbracht werden, und hier gibt es wieder Ansatz zur Kritik: Der Scheck-und Überweisungsverkehr ist in Österreich in mehrere Teilsysteme zwischen den Institutsgruppen aufgespalten, wodurch diverse Fixkosten mehrfach anfallen. Kooperation und Einschränkung des Belegwesens könnten da einiges bringen.

Das Gebührenwesen ist weiters so zu gestalten, daß es zur effizienten Abwicklung des Zahlungsverkehrs selbst beiträgt. Das heißt, daß damit auch gewisse Lenkungsfunktionen weg von den kostenintensiven hin zu denjenigen Zahlungsarten umgesetzt werden, die der Kunde weitgehend selbst durchführen kann.

Auch in diesem Bereich drängt die EG/ Bei der Vollendung des Binnenmarktes erhielten gemäß Weißbuch der Ausbau und die Vereinheitlichung der nationalen Zahlungsverkehrssysteme großes Gewicht. Der nach den jüngsten Entwicklungen etwa ab 1995 denkbar gewordene Beitritt Österreichs legt nahe, hier bald einige Aktivitäten zu setzen.

Dabei wird in der EG selbst auch in diesem Bereich einiges in Bewegung geraten. Ein Vergleich zeigt, daß die Gebührenlage in den einzelnen EG-Mitgliedsländern derzeit doch sehr unterschiedlich ist und - das sollte fairerweise nicht unerwähnt bleiben -teilweise deutlich höher liegt als in Österreich. Oder heißt das nur, daß die Banken in diesen Ländern sich schon bisher mit ihren Vorstellungen besser durchsetzen konnten als bei uns?

Heinz Handler, Peter Mooslechner: Zahlungsverkehrssysteme und Zahlungsverkehr in Österreich. Gutachten des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Wien 1991,254 Seiten, öS 1.500,-.

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