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„Pille" für Männer

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Im Vergleich zur Gynäkologie ist die Andrologie, die Lehre von der Fortpflanzungsfunktion des Mannes, nicht besonders weit entwickelt. Dementsprechend setzen derzeit auch alle Methoden derEmpfängnisver- hütung bei den Frauen an. Einzige Ausnahmen sind die Verwendung von Kon- domen (ein reichlich „unsicheres“ Mittel) und die Vasektomie, die Durchtrenung der Samenleiter, die zu unumkehrbarer Unfruchtbarkeit führt.

Ein Ansatz, der längere Zeit verfolgt wurde, war die Verabreichung von „Gossy- pol“, einem Extrakt aus Baumwoll-Samen. Diese Substanz hemmt tatsächlich die Samenproduktion, produziert jedoch nach längerer Einnahme ebenfalls fortdauernde Unfruchtbarkeit.

Derzeit verfolgt eine Gruppe am Institut für Reproduktionsmedizin an der Westfälischen Wilhelms- Universität in Münster einen Zugang, der auf der Verabreichung vonHormo- nen aufbaut. Stoßrichtung ist dabei auch hier (analog der „Pille“ fürdie Frau) den komplizierten Regelmechanismus zwischen Hypothalamus (einem Abschnitt des Zwischenhims), Hypophyse (der Hirnanhangdrüse) und den Hoden zu beeinflussen.

Dabei stellt sich heraus, daß die Unterdrückung der Erzeugung von gonadotro- pen (also die Hoden beeinflussenden) Hormonen, durch Zuführung von Testosteron (des männlichen Sexualhormons) keingeeig- neter Weg ist. Er würde zwar dem entsprechen, was die Pille bei der Frau bewirkt, kann aber die Samenreifung nicht endgültig verhindern.

Schaltet man wiederum das Testosteron ganz aus, so ergeben sich negative Nebenwirkungen. Dieses Hormon spielt nämlich beim Blut-, Knochen- und Muskelstoffwechsel eine wichtige Rolle, beeinflußt Bart- und Haarwachstum sowie die Potenz.

Also ging man auf die Suche nach Stoffen, welche die genannten Funktionen aufrechterhalten, die Hodentätigkeit aber unterbinden. Dabei stieß man auf das 19- Nortestosteron, einen dem männlichen Sexualhormon verwandten Stoff. Dieses Produkt wird seit 25 Jahren klinisch zur Behandlung von „Blutarmut“ eingesetzt. Noch bekannter aber ist es als Muskel aufbauendes Präparat für Kraftsportler.

Lange Zeit hatte man übersehen, daß es nicht nur Muskel bildet, sondern auch unfruchtbar macht. Die Produktion der Spermien kommt nach Absetzen des Medikaments aber wieder voll in Gang.

Und damit zeichnet sich auch schon ab, daß wiederum derselbe Fehler gemacht werden wird wie bei den Präparaten, die bisher den

Frauen verabreichtwarden sind. Auch sie wurden ja ursprünglich als vollkommen harmlos beschrieben und haben sich erst nach langjähriger Anwendung als das erwiesen, was sie notwendigerweise eben sind: Präparate mit erwünschten und uner-, wünschten Wirkungen. Letztere sind sicherlich nicht so augenscheinlich wie die gezielt angesteuerten, werden aber bei andauernder Verwendung zutage treten.

Daß sich dies jetzt schon abzeichnet, zeigt die weitere Schilderung der Erfahrungen mit 19-Norte- stosteron: Es zeigt sich nämlich, daß man dieses Produkt durch Injektion verabreichen muß, weil es oral eingenommen die Leber angreift. Auch unterdrückt es nicht wirklich 10Oprozentig die Samenerzeugung. Zwar sind die Forscher zuversichtlich, auch mit diesen Aspekten zurechtkommen zu können, wir sind jedoch auch bei diesem „Wundermittel“ bei der schon bekannten Problematik: Keine ganz sichere Wirkung und Nebeneffekte. Und das bedeutet, wie die bisherigen Erfahrungen im Umgang mitEmpfängnisverhütung zeigen: Abtreibung als „Flankenschutz“ für fehlgeschlagene Verhütung und massenweise auftretendes Leid in absehbarer Zukunft.

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