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Pipelines nun auch für Kohletransport

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Kohle ist wieder rentabel. Steigende Erdölpreise, kleiner werdende Vorräte an schwarzem Gold, Bedenken gegen Kraftwerke, die mit der Kernspaltung arbeiten, rücken sie wieder in den Vordergrund. Denn Kohle gibt es genug. Für Jahrhunderte. Daher auch das zunehmende Interesse an einem leistungsfähigen Kohletransport.

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Kohle ist wieder rentabel. Steigende Erdölpreise, kleiner werdende Vorräte an schwarzem Gold, Bedenken gegen Kraftwerke, die mit der Kernspaltung arbeiten, rücken sie wieder in den Vordergrund. Denn Kohle gibt es genug. Für Jahrhunderte. Daher auch das zunehmende Interesse an einem leistungsfähigen Kohletransport.

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Die Kohle als Kraftstoff ist jedoch nicht problemlos. Die Förderung ist gefährlich, der Transport teuer. Bei der Verbrennung entstehen giftige Gase, die Abwärme und das Kohlendioxid gefährden das Gleichgewicht der Atmosphäre.

Die Ziele der Kohleforschung sind damit klar abgesteckt: Man arbeitet an Kraftwerkeinheiten mit besserem Wirkungsgrad; sie verbrauchen weniger Kohle und geben deshalb weniger CO2 ab. Neue Brennverfahren lassen keine Gifte durch den Schlot. Die schweren Unfälle unter Tag sollen durch neue Abbaumethoden verhindert werden.

In Essen hat die Ruhrkohle AG vor kurzem die erste „Hydrogrube" Europas eingerichtet. Kein Kumpel ist einem Grubenwetter ausgesetzt, seine Arbeit verrichtet ein Wasserstrahl, der mit 100 bar Druck die Kohle aus dem Felsen schwemmt. In Rohren wird sie aus 850 Meter Tiefe heraufgepumpt, getrocknet und aufbereitet.

Diese Abbauart begünstigt einen Kohletransport, der die Verkehrswege nicht belastet - den durch Rohrleitungen. Erste Studien und praktische Erfahrungen in den USA zeigen, daß dieser Transport, sogar wenn die Kohle trocken gefördert wird, billiger als die Fracht auf Schienen ist.

Dies ist der Grund, warum in vielen Industrieländern die Millionenprojekte (nach solchen für öl, Gas, aber auch Sand, Kalkstein, Kupfer oder Eisen) für Kohlebeförderung durchs Rohr konzipiert werden. In den USA bastelt man an Kohlepipelines ebenso wie in der UdSSR und jüngst auch in Österreich.

Seit 1977 plant die „Polcarbon", die polnisch-österreichische Kohlehandelsgesellschaft, eine Rohrleitung -' die ROL - von Rybnik über Ostrava nach Linz. Der Plan, obzwar nach einem Billigstangebot für den Herantransport polnischer Kohle durch die ÖBB im Vorjahr totgesagt, gedeiht weiterhin. Die technischen Grundlagen für die ROL wurden erst jüngst öffentlich präsentiert. Der Verfasser des Gutachtens, Dipl.-Ing. Dr. techn. Josef Schedelberger (TU Wien) wird über seine Arbeit beim Internationalen Kongreß für Schlammleitungen im März in den Vereinigten Staaten referieren.

Aber nicht nur polnische Kohle könnte in Rohren preisgünstig nach Österreich gelangen. Die Shell-Austria (mit ihren Gruben ist Shell einer der größten Kohlehändler der Welt) wartete dieser Tage mit einer Studie der Shell-Coal in London auf, die vorschlägt, Kohle verschiedener Herkunft aus dem Hafen Triest durch eine Pipeline nach Österreich zu pumpen.

Das Prinzip einer Kohlepipeline ist rasch erklärt: Kohle wird nach dem Abbau zu Staub vermählen und mit Wasser vermengt (Josef Schedelberger weist darauf hin, daß man in fernerer Zukunft auch Methanol verwenden könnte, dann fielen die Trocknungskosten weg und der Heizwert des Gemisches wüchse sprunghaft an).

Wie bei der ersten ölpipeline über die Alpen - auch hier waren die Techniker der TU Wien maßgeblich beteiligt - ist der Kohleleitungsbau ein Unterfangen, das Hannibals Zug mit den Elefanten gleicht. Man kennt einige Daten (was Elefanten üblicherweise fressen, an welche Temperaturen sie gewöhnt sind, wie hoch etwa die zu querenden Pässe liegen), hat aber nur wenig Ahnung, wie sich diese Daten in Extremsituationen ändern (werden die Elefanten Alpines fressen, wenn der Reiseproviant zu Ende ist? Bei welcher Temperatur erfrieren sie?).

So bastelten die Techniker am Modell im Labor -wissend, daß sich nicht alles auf die Wirklichkeit übertragen läßt. Sie stellten auch unzählige Berechnungen an, von denen aber keine den komplexen Strömungsvorgang in der Leitung als Ganzes erfassen kann.

Bekanntlich kam Hannibal über die Alpen. Auch die erste Ölleitung der Welt, die in Österreich Gebirge zu überwinden hatte, funktionierte. Sie lieferte die Erfahrung für alle Alpen-Pipelines, die seither gebaut worden sind - und jetzt für die entworfenen Kohleleitungen.

Die Theorie hinter den Entwürfen ist tatsächlich schwierig. Unter den vielen Parametern, die berücksichtigt wer-, den müssen, seien nur die wichtigsten genannt: Das Mischungsverhältnis von Kohle und Wasser, die Zusammensetzung des Kohleschlammes nach den verschiedenen Korngrößen und die Fließgeschwindigkeit. Fließt das Gemisch zu langsam, setzt sich die Kohle ab und kann das Rohr nach und nach verstopfen, fließt es zu schnell, ruiniert der Körnerhagel die Rohre.

Das alles und die Hannibal-Erfah-rung der anderen Pipelines über die Alpen hat die Studie für die „Polcarbon" berücksichtigt. Das Resultat: ein 18-Zoll (46 Zentimeter)-Rohr auf einer Trassenführung von 380 Kilometern und vier Pumpstationen, eine in Polen, zwei in der CSSR (hier müßte noch verhandelt werden) und eine in Österreich, für eine Jahresleistung von fünf Millionen Tonnen Kohle. Erst bei dieser Menge, die derzeit nur zum Teil in Österreich abgenommen werden könnte, ist die Pipeline wirtschaftlich.

Ähnlich dimensioniert ist die Pipeline im Shell-Plan: Uber 500 Kilometer sollen mit fünf Pumpstationen und zwei Tunnelstrecken (was den Bau gegenüber der ROL verteuern würde) 5,75 Millionen Tonnen aus Triest in den österreichischen Donauraum gebracht werden. Davon, errechnete die Shell, könnte 3,75 Millionen Tonnen bei österreichischen Industrien und Kraftwerken, und zwei Tonnen am Donauwege im Süddeutschen Raum abgesetzt werden.

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