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Pius XL schloß Frieden
Am 20. September 1870 stürmten italienische Truppen die Stadt Rom, den letzten Rest des Kirchenstaates. Fast 60 Jahre später, am 11. Februar 1929, unterzeichneten Kardinal-Staatssekretär Gasparri und Italiens Regierungschef Benito Mussolini die Lateranverträge, die die „Römische Frage“ aus der Welt schaffen und zwischen dem Vatikan und dem italienischen
Staat wieder Frieden schließen sollten.
Papst Pius XI. hatte schon nach seiner Wahl 1922 zu erkennen gegeben, daß er eine Lösung des alten Konfliktes anstrebte. Als erster Papst seit jenem Bruch erteilte er den Segen „urbi et orbi“ wieder von der Loggia der Peterskirche, hinaus auf den Platz, der sich zur annektierten Stadt hin öffnet. Wohl hatte die königliche Regierung schon 1871 eine Regelung getroffen, die in weiten Bereichen jener der späteren Lateranverträge glich, aber weder Pius IX. noch einer seiner Nachfolger hatten sie akzeptiert, um den Rechtsbruch nicht anerkennen zu müssen.
Drei Jahre lang berieten die vati-
kanischen und die italienischen Unterhändler, dann steckten 27 Artikel die beiderseitigen Grenzen ab. Italien anerkannte die Souveränität des Heiligen Stuhls auf internationalem Gebiet, seine Eigentumsrechte über die Vatikanstadt, die Patriarchalbasili-ken und den päpstlichen Palast in Castel Gandolfo.
Die Person des Papstes sollte ebenso vor Beleidigungen geschützt
sein wie jene des Königs, sämtliche Kardinäle würden in Italien jene Ehren genießen, die Prinzen der königlichen Familie zustanden. Umgekehrt anerkannte der Vatikan Rom als Hauptstadt des italienischen Staates und die Dynastie als dessen Oberhaupt. Eine Milliarde Lire in Staatspapieren und 750 Millionen Papierlire - damals entsprach eine Lira etwa 35 österreichischen Groschen - sollten die im Kirchenstaat einkassierten Werte abgelten.
In einem Konkordat wurden gleichzeitig die religiösen und kirchlichen Verhältnisse in Italien vereinbart: Die katholische Religion galt als Staatsreligion, deswegen wurde
nicht nur freie Kultusausübung und Jurisdiktion in kirchlichen Angelegenheiten zugesichert, sondern auch Militärfreiheit für Priester und Ordensleute. Der kirchlichen Eheschließung wurde staatliche Wirkung zuerkannt - damit war die Scheidung nach kirchlicher Trauung unmöglich. Die aus kirchenfeindlichen Zeiten stammenden Gesetze sollten mit den Richtlinien des Konkordates in Einklang gebracht werden.
Der Papst betonte in einer Ansprache, mit den Verträgen sei „Gott Italien und Italien Gott wiedergegeben“ worden. Trotzdem gab es immer wieder Spannungen mit der faschistischen Regierung, zeitweise bis an den Rand eines Bruchs. Selbst ein offizieller Staatsbesuch Mussolinis beim Papst konnte diese Differenzen nicht ganz beseitigen.
Ein halbes Jahrhundert später stehen die Lateranverträge erneut in Diskussion. Trotz der vatikanischen Proteste hat Italien die Scheidung eingeführt. Nicht nur jene Artikel, die einst auf die Dynastie Bezug nahmen, scheinen durch die Zeiten überholt. Auch die Neuorientierung der Kirche nach dem Zweiten Vatikanum, nicht zuletzt auch die Tatsache, daß ersV mals seit einem halben Jahrtausend ein Nichtitaliener auf dem Stuhl Petri sitzt, lassen eine Neufassung des Konkordats dringend erscheinen. Um sie wird bereits seit einem Jahrzehnt diskutiert.
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