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Plädoyer für die Keuschheit

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Keuschheit hat nichts mit Puritanismus oder Engherzigkeit zu tun. Das Wort „keusch" kommt vom lateinischen „conscio" und bedeutet: „sich bewußt sein". Keusch leben heißt also, bewußt, verantwortlich leben, sich über die Folgen seines Tuns im klaren sein.

Keusch leben ist aber auch schön, denn man lebt erfüllt, klar und eindeutig. Anderes als nur Sexuelles beginnt einen Wert zu bekommen. Man ist als Mann nicht dauernd auf .Aufriß". Man hat Zeit.

Dadurch wächst die Liebe zu einer Frau ganz anders, ist echter, tragfähiger, belastbarer. Sie steht auf einem anderen Fundament.

Es war für mich ein großes Erlebnis, eine Frau als Person zu erleben, mit ihrer ganzen natürlichen Anmut und Schönheit, und nicht als Mittel zu einem egoistischen Ziel, das nach kurzem Genuß zerbricht. Ich habe gelernt, Frauen als Personen ernstzunehmen, womit mir ihr Wert und ihre Würde und damit auch der eigene Wert bewußt wurde.

Warten zu können: Ich hatte nicht immer diese Einstellung. Daher spreche ich auch aus dem Wissen, beides probiert zu haben — kein Vergleich. Wie viele Beziehungen sind schon zerbrochen, weil man zu früh miteinander ins Bett gegangen ist, weil man zu früh diesen endgültigen Schritt getan hat, den man nicht mehr zurücknehmen kann!

Miteinander sexuelle Beziehungen zu haben, bedeutet mehr, als nur ein Glas Wasser miteinander zu trinken. Es bringt eine Dimension in die Beziehung, die unauslöschlich ist.

In der Bibel heißt es: ,JEr erkannte seine Frau." Damit wird die eindeutige Verbindung zwischen der persönlichen und sexuellen Beziehung gekennzeichnet.

Viele Frauen suchen die Keuschheit bei den Männern, getrauen sich aber nicht, sie zu fordern. Ich war eigentlich sehr verwundert, zu erfahren, wie groß die Sehnsucht vieler Mädchen nach Verläßlichkeit in der Beziehung zum Partner ist. Diese Verläßlichkeit wird aber instinktiv mit sexueller Zurückhaltung assoziiert.

Ich habe immer mehr den Eindruck, daß sich die Frauen haben kaufen lassen. Man hat ihnen eingeredet, die Sexualität müsse befreit werden und es würde sich dann alles weitere von selbst ergeben. Das wohl einzige greifbare Ergebnis aber ist, daß sich die Männer immer weniger für die Produkte ihres Geschlechtslebens verantwortlich fühlen.

Die Keuschheit ist da ein anderes Programm. Sie umfaßt das ganze Leben, die ganze Person, auch das heranwachsende Kind, dieses neu entstehende Leben.

Aus eigener Erfahrung möchte ich noch einmal sagen, daß diese Form zu leben ein Gewinn ist, für mich und für die Umwelt. Sie trägt dazu 'bei, meine Persönlichkeit zu formen. Man bekommt sich selbst in die Hand. Man ist Herr seiner selbst.

Damit ist Keuschheit kein bloßer Verzicht auf Geschlechtsverkehr, sondern eine geistige Grundhaltung. Sie ist von allen gefordert, vom verheirateten ebenso wie vom zölibatären Priester, von der Frau ebenso wie vom Mann. Letztlich ist sie an keinen Stand gebunden, an kein A Iter, weil sie uns alle angeht.

Der Autor studiert Statistik in Wien und ist 24 Jahre alt.

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