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„Plas tiksackerl“ aus Kartoffeln

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Niederösterreich hat den höchsten Anteil an der Agrarproduktion Österreichs. Aber die Bauern werden zunehmend arbeitslos, weil die Nachfrage auf Nahrungsund Futtermittel beschränkt ist.

Das Paradoxe daran ist die Tatsache, daß aus ökologischen Gründen eine Renaissance der Naturstoffchemie dringend erforderlich ist. Die Wahrnehmung dieser Chance würde auch neue Absatzmöglichkeiten für die Landwirtschaft eröffnen.

Ein Beispiel sind die verrottbaren Kunststoffe: Wir reden — das Ausland handelt. In Österreich läuft seit Jahren ein Projekt zur Herstellung verrottbarer Kunststoffe, ein Projekt, das mithelfen könnte, den Absatz von Stärke zu sichern. Dennoch werden in unserer Heimat nach wie vor die herkömmlichen umweltfeindlichen Plastiksackerl rein aus Erdölrohstoffen erzeugt.

Nicht zu Unrecht wird oft behauptet, von allen Europäern hätten die Italiener das geringste Umweltbewußtsein. Doch selbst Italien bekommt ein Gesetz, wonach ab 1. Jänner 1990 alle Verpak- kungsstoffe „biologisch abbaubar“ sein müssen.

Seit Jahren predigen Agrar experten, daß es aus Rohstoff- und Umweltgründen zu einer Umorientierung von der Petrochemie zur Stärke-, Zucker- und Zellulosechemie kommen muß. Aber bis heute verhallte ihr Ruf im Beharrungsvermögen des traditionellen Paragraphendschungels und in der Betonwüste der Ministerien und Ämter.

Nehmen wir das Problemgebiet Waldviertel: Es stößt in der Regel auf überfüllte Nahrungsmittelmärkte (Spätliefergebiet mit höherem Qualitätsrisiko). Daher soll und muß der technische Bereich bestmöglich erschlossen werden. Förderungsmittel für die Forschung und Investitionen, die in dieser Richtung eingesetzt werden, sind zukunftsträchtig.

Das Verwertungskonzept für Naturstoffe (Eiweiß, Fett und Kohlehydrate) der ansässigen Agrar-Industrie sieht auf der Basis eines Zentrums für Naturstoffchemie eine Reihe von umweltkonformen Modellprojekten vor:

• Die chemische Modifizierung von Fetten zur Herstellung von umweltfreundlichen Schmierstoffen, technischen ölen und biologisch abbaubaren Waschmitteln auf Fett- und Kohlehydratbasis;

• die Herstellung von Stärkeprodukten, die auch als Bausteine für Kunststoffe verwendet werden können;

• der Abbau der Stärke zum Einzelbaustein Traubenzucker zur Gewinnung von Grundstoffen für die ‘ Herstellung von Isolierschaum und Lackgrundstoffen;

• durch chemische Modifikation kann pflanzliches oder auch tierisches Eiweiß vor allem für die Herstellung von Kunstdruckpapier anstelle von Bindemitteln auf Erdölbasis verwendet werden.

Als weitere Alternative sollte im Waldviertel hergestellter Alkohol (Ethanol) für umweltfreundliche Chemiezwecke, bei spielsweise für Lacke, Reini- gungs- und Lösungsmittel, die keine Grundwassergefährdung mit sich bringen, größere Anwendung finden.

Derzeit werden aber nur etwa 400 bis 500 Tonnen Ethanol für die Herstellung von Lacken und Polituren verwendet. Das sind knapp fünf Prozent der von Gewerbe und Industrie in Österreich verbrauchten Gesamtmenge.

Es wäre erforderlich, gemeinsam mit der Lackindustrie um die Erschließung weiterer Lackgruppen für den Einsatz von Ethanol, um die Bewerbung von Ethanol als Verschnittlösemittel für die verschiedensten Bindemittelgruppen und um den vermehrten Einsatz von Ethanol auf dem Gebiet der wasserverdünnbaren Systeme in Einbrennlacken bemüht zu sein.

Als wesentliche flankierende Maßnahme müßte die Verwendung von Ethanol als umweltfreundlichem Roh- beziehungsweise Hilfsstoff zu Gunsten umweltfreundlicher Produkte vorgeschrieben werden und gleichzeitig behördlicherseits die Alkoholkomponente in Importprodukten der Monopolabgabe (handelspolitischer Schutz) unterworfen werden. Hiedurch wäre auch ein Markt für qualitativ abfallende Getreide- und Kartoffelpartien geschaffen

Aber nicht nur dies: Weite Teile dieser nördlichsten Region Österreichs sind auf den Roggenanbau angewiesen. Der Roggenpreis mußte immer unter dem Weizenpreis gehalten-werden, damit die weizenfähigen Gebiete den Wald- viertlern diesen vitalen Absatz nicht wegnehmen.

Die Mittellagen des Waldviertels stellen das größte Roggenanbaugebiet Österreichs dar. Roggen hat die größte Bedeutung in Gebieten mit ungünstigen klimatischen Verhältnissen, die größte Anbaufläche weist der Kammerbezirk Zwettl auf.

Im Land- und Forstwirtschaftskonzept für das Waldviertel ist daher unter den Maßnahmen des Bundes im Rahmen einer noch abzuschließenden Roggenkontrakt-Aktion die Gewährung einer Qualitätsprämie für Roggen vorgesehen. Dadurch könnte der Roggen dieses Gebietes zum Mahlweizenpreis übernommen werden.

Der Verzehr von „dunklem“ Brot nimmt in Österreich zu, der Weißgebäckverzehr ab — gesundheitlich gesehen eine begrüßenswerte Tatsache. Schwarzbrot aus dem Waldviertel könnte aufgrund der vorherrschenden Wirtschaftsweise unter der Bezeichnung „ökologisch“ abgesetzt werden. Um trotz der hohen Klima- risken im Waldviertel immer beste Qualität liefern zu können, müßte eine Mehrmenge vereinbart werden. Der Qualitätspuffer aber sollte sinnvollerweise ver- spritet werden.

Umwelt-, Regional-, Wirtschafts- und Agrarpolitik sind harmonisierbar — wenn wir nur wollen…

Der Autor ist Werbeleiter der „österreichischen Agrarindustrie“ .

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