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Plattform-Pläne

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FURCHE: Herr Ploier, Sie haben jüngst von Entfremdungserscheinungen zwischen der ,ßasis" und den Zentralgremien der Kirche gesprochen. Wie kommen Sie zu dieser Diagnose?

PLOIER: Ich glaube, daß man kein Soziologe sein muß, um festzustellen, daß heute die „Basis" — oder sagen wir: die Pfarren und die Gruppen - mit dem Angebot, das die zentralen Gremien haben, sehr oft nicht mehr sehr viel anfangen kann, und daß es hier auch sehr oft Unterschiede in der Auffassung der Arbeitsstoßrichtung gibt.

Ein Grund dafür liegt sicher darin, daß die Pfarren heute vielfach überlastet sind. Und da ist natürlich jede zusätzliche Belastung, die von oben her angeboten wird oder zu der aufgefordert wird, oft nicht verstanden oder als Belästigung aufgefaßt worden. Wir haben das beim Katholikentag erlebt, mit dem man an der Basis zunächst nicht viel anfangen konnte. Später hat sich herausgestellt, daß das Angebot Katholikentag gut und auch ein Gewinn für die Pfarren war.

Es ist die Frage, ob man nicht oft mit einem sehr engen Pastoralbegriff arbeitet — daß man nur mehr die Liturgie, die Sakramen- ' te und den Religionsunterricht sieht, und damit ist man voll ausgelastet. Nun ist aber Pastoral auch Sich-Kümmern um die Weltbereiche, die Friedens- oder Umweltdiskussion, um die Arbeitsplatzsorge und viele andere Fragen der Welt von heute. Das sind Fragen, die mehr in den Gremien oben besprochen werden und meiner Meinung nach auch ein eminenter Teil der Pastoral sind.

FURCHE: Sehen Sie das unter dem Gesichtspunkt des Subsidia-ritätsprinzips, also Zusammenarbeit im größeren Rahmen dort, wo die kleine Gruppe zu schwach ist?

PLOIER: Ich glaube, daß man die Prinzipien aus der Soziallehre für menschliches Zusammenleben und die gesellschaftlichen Strukturen hier in unserem Bereich ausprobieren kann, und hier ist das Subsidiaritätsprinzip eines, das hohe Priorität bei unserem Arbeiten hat. Ich glaube, je mehr wir das Subsidiaritätsprinzip ermöglichen, fördern, umso reicher würde das Apostolat werden. Es besteht nämlich immer die Gefahr: Wenn man oben ungeduldig wird und eingreift, tötet man unten das Leben.

Daher sollte von oben mehr der Raum verteidigt werden, daß kleine Gruppen arbeiten können, daß sehr viel spontane Aktivitäten gesetzt werden können, und wir das Ergänzungsprinzip wahrnehmen: Was der Kleine nicht mehr kann, soll der Größere tun. Und hier soll man sehr prüfen, daß man manche Struktur wieder von daher betrachtet, vielleicht, wenn notwendig, auch korrigiert.

FURCHE: Sie haben eine .Plattform" angeregt, ein „impulsgebendes Gremium", das Basis und Zentralgremien wieder stärker ins Gespräch bringen soll. Wie stellen Sie sich so eine Plattform vor?

PLOIER: In dieser Frage bin ich schon oft dahingehend mißverstanden worden, als wollte ich zu den vielen Gremien, die es schon gibt, noch ein weiteres dazugrüh-den. Da stimme ich mit allen, die hier Angst haben, völlig überein. Was ich glaube, ist, daß wir gemeinsam einen Weg finden sollen, wo Bischöfe, Ordensleute, Priester, Leute aus dem organisierten Laienapostolat, Religionslehrer,

Pastoralassistenten, aber auch Leute, die einfach aus den Pfarren bzw. Pfarrgemeinderäten kommen, sich fallweise treffen und an sich gar nicht mehr wollen, als gemeinsam wichtige Fragen studieren und dann gemeinsam ihre Erfahrungen austauschen.

Da gäbe es eine ganze Reihe wichtiger Fragen, die wir gemeinsam beraten könnten, zum Beispiel, wie wir mit jenen Menschen in Österreich umgehen, die zur Kirche gehören wollen, aber nicht das gesamte Angebot der Kirche in Anspruch nehmen. Das wäre eine interessante Frage, eine andere wäre: Wie geben wir den

Glauben an die jüngeren Menschen heute weiter?

Wäre nicht auch eine interessante Frage: Wie schaut es mit dem Laienapostolat in Österreich heute aus? Ein mögliches Ergebnis eines solchen Prozesses könnte sein, daß die vielen laienapostolischen Einrichtungen einander besser kennen und verstehen lernen und einander nicht mißtrauisch oder zum Teil ignorierend gegenüberstehen.

Ich würde mich hüten, hier Beschlüsse anzustreben, denn Beschlüsse sind tot, wenn nicht Uberzeugungen dahinterstehen. Da erscheint mir das Miteinan-der-Reden, Miteinander-Erfahren weitaus wichtiger, und dann sollen die zuständigen Gremien, die zuständigen Verantwortlichen, wenn notwendig, die entsprechenden Konsequenzen einleiten.

FURCHE: Welche wären da in erster Linie die zuständigen Gremien?

PLOIER: Ich kann mir vorstellen, daß über manche Bereiche die Bischöfe entscheiden müßten, in anderen Bereichen müßten die Laienorganisationen für sich entscheiden, oder die Pfarrgemeinderäte, oder die diözesanen Pastoralräte. Eines scheint mir wichtig: Nicht wieder ein Obergremium, das anderen sagt, wie sie es machen sollten, sondern ein Prozeß, wo man versucht, für das Leben der Kirche wichtige Fragen, vor allem für den Glauben wichtige Fragen, einfach gemeinsam zu durchdenken, zu besprechen.

FURCHE: Sie denken bei der Plattform aber an eine nationale und nicht nur eine diözesane Ebene?

PLOIER: Solche Prozesse könnten natürlich überall stattfinden, in Pfarren, Dekanaten, Diözesen. Wenn ich davon rede, meine ich, daß die Kirche von Österreich sich zu solchen Gesprächsprozessen treffen könnte.

FURCHE: Wer sollte diese Treffen organisieren?

PLOIER: Man sollte hier keinen neuen Apparat einsetzen, sondern vorhandene Einrichtungen — etwa den Laienrat, die Katholische Aktion, die Pastoralkommission, Pfarrgemeinderäte. Daraus könnte man zeitlich begrenzt eine Arbeitsgruppe schaffen, die einen solchen Prozeß einleitet. Ich betone aber immer wieder: in enger Verbindung mit den Bischöfen.

Mit dem Präsidenten der Katholischen Aktion sprach Heiner Boberski.

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