6906901-1980_47_06.jpg
Digital In Arbeit

Platzhalter für die Radikalen?

19451960198020002020

Nach der uberraschend klaren Wahl von Michael Foot zum Nachfolger von James Callaghan als Labour Fuhrer witzelte die britische Press: Die Arbeiterpartei setzt ihren linked Fub (Foot) nach vorne. Gleichsam um unfreiwillig seinen Linksdrall unter Beweis zu stellen und die schwache Standfestigkeit in der anderen Richtung zu demonstrieren erschien Foot am nachsten Tag mit einem Gips-Verband uber dem gebrochenen rechten Knochel.

19451960198020002020

Nach der uberraschend klaren Wahl von Michael Foot zum Nachfolger von James Callaghan als Labour Fuhrer witzelte die britische Press: Die Arbeiterpartei setzt ihren linked Fub (Foot) nach vorne. Gleichsam um unfreiwillig seinen Linksdrall unter Beweis zu stellen und die schwache Standfestigkeit in der anderen Richtung zu demonstrieren erschien Foot am nachsten Tag mit einem Gips-Verband uber dem gebrochenen rechten Knochel.

Werbung
Werbung
Werbung

Foot wurde in den Führersitz gehievt, weil sich Labours Vertreter im Unterhaus vom älteren Kontrahenten die übermenschliche Fähigkeit erwartet haben, er werde die in alle Winde auseinanderfallende Partei wieder mit dem eisernen Band des Zusammenhaltes umgürten. Foot der Einiger, der Mann ausgleichender Aktionen, der Milderung von Gegensätzen und eloquenter Promotor von Kompromissen.

Kann er dies alles tatsächlich, er der eingefleischte Sozialist ohne marxistisches Glaubensbekenntnis, der Romantiker, der eigentlich nie aus seinem pu-bertären Stadium des Rebellen herausgekommen ist?

Aus liberaler Familie stammend, hat sich Foot sehr bald dem Journalismus verschrieben, er versteht es, virtuos mit der Feder umzugehen. Doch die größte Wirkung des neuen Labourchefs besteht in seinem ausgeprägten Rednertalent, das Freund und Feind fasziniert: Er wird der letzte große Redner im Parlament genannt.

Sehr bald entwickelte sich Foot zum Liebling der Parteilinken, die sich um die von ihm geleitete Wochenschrift „Tribüne" geschart hat. Ins Kabinett rückte Foot erst relativ spät unter Wilson auf, wo er sich als Arbeitsminister willfährig von den Gewerkschaften für deren Ziele einspannen ließ. Am gegenwärtig britischen Dilemma mit den Verbänden trägt Foot nicht geringe Schuld.

Anfangs der siebziger Jahre setzte sich Foot vehement gegen den Eintritt Großbritanniens in die Europäische Gemeinschaft zur Wehr. Foot ist und bleibt ein Gegner des Wirtschaftsbündnisses. Den Exodus wolle er, so seine Philosophie als Labourführer, nicht überstürzen, eher auf dem Nebengeleise und Stück für Stück erreichen.

Vom Oberhaus und seinen Lords hält er nicht viel, doch eine alternative Zweite Kammer scheint noch nicht in Foots Konzept auf. Er hat den Salt-II-Vertrag kräftig unterstützt und segelt auf der Welle der Abrüstung, ob im Alleingang oder als Gegengeschäft, das ist noch nicht klar.

Von Foot stammte im übrigen der folgenschwere Rat an Callaghan, im Herbst 1978 auf Neuwahlen zu verzichten, bevor die Gewerkschaften den letzten Ministerpräsidenten der Partei in die Niederlage trieben.

Das eigentümliche an der Entscheidung der Parlamentsfraktion ist die Tatsache, daß Callaghans Nachfolger von einem Gremium gekürt worden ist, daß in der überwiegenden Mehrheit dessen Prinzipien verabscheut. Das Risiko, mit der Wahl von Denis Healey den endgültigen Bruch der-Partei zu beschleunigen, aber hat die Wähler dem Gegenkandidaten Foot zugeführt.

Dieser aber ist aus seiner Einstellung heraus, aus Unvermögen und geringerer Erfahrung im Regieren weit eher dazu geeignet, die Partei nach links abtriften zu lassen, deren Charakter zu verändern, die Rechte in die Resignation zu treiben.

Nun sehen sich die Gemäßigten um einen Gutteil ihres Einflusses gebracht und um die Chance, substantiell an Boden zu gewinnen. Eine Sozialdemokratie nach deutschem, österreichischem oder skandinavischem Muster ist weiter denn je entfernt.

Die Linke unter ihrem Führer Tony Benn lacht sich ins Fäustchen. Foots Programm ist nicht so weit von dem entfernt, was sie durchzusetzen gedenken: Verstaatlichung im größten Maßstab, Abschaffung von privater Erziehung und privatem Gesundheitsdienst, . Eliminierung des Oberhauses, unilaterale Abrüstung und Auszug aus der Europäischen Gemeinschaft.

Die Radikalen erblicken in Foot doch mehr den Platzhalter, der früher oder später einem der ihren Platz macht. Callaghans Nachfolger hat freilich jedes Ansinnen in dieser Hinsicht von sich gewiesen: Er will die Partei in den nächsten Wahlkampf führen. Und in Bälde rollt der massenweise Protest gegen die Regierung Thatcher an. Das Alter läßt jedoch keine lange Führung erwarten.

Foot ist zwar persönlich umgänglicher als der schwierige und streitsüchtige Denis Healey. Aber es fehlt dem Weißhaarigen die Fähigkeit, wie sein nunmehriger Vize die breite Masse anzusprechen und Millionen von Wählern zu rekrutieren. Healeys staatsmännische Potenz bleibt unbestritten und Foots vielzitierte Liebenswürdigkeit allein ist noch kein Anspruch auf das erste Amt im Staate.

Deshalb klatschen die Tories insgeheim der letzten Entscheidung der oppositionellen Parlamentarier Beifall, Healey wäre ihnen wesentlich unangenehmer gewesen.

Es bleibt vorderhand noch Foots Geheimnis, wie er seine und die jetzt wieder sehr populäre Europafeindlichkeit mit den internationalen Verpflichtungen vereinigt, für die die Rechte streitet. Die Abrüstungsfrage wird zum Test für Foot. Möglicherweise gelingt es ihm, das Ärgste zu verhüten und die Abspaltung der enttäuschten Rechten um Shirley Williams und David Qwen zu verhindern.

Auf lange Sicht ist trotz besten Willens von Foot der Bruch kaum zu verhindern, höchstens hinauszuzögern.

Noch vor einigen Wochen stand Foot als Parteiführer überhaupt nicht zur Debatte. Die Zeit arbeitet demnach für die militante Linke und damit gegen die Chance, daß Labour wieder in die Dow-ning Street Nr. 10 einzieht.

Es sei denn, Thatchers wirtschaftli che Roßkur erleidet Schiffbruch.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung