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Pluspunkte für Rau und SPD

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In der SPD gibt es wieder ein Gefühl - das „Wir-Gefühl“. Lange verkümmert, verschüttet, desavouiert durch interne Richtungskämpfe prägt es erneut das Selbstbewußtsein einer Partei, die sich überraschend schnell vom Machtverlust in Bonn und dem Wahldesaster von 1983 erholt hat.

Spätestens seit den Wahlsiegen des SPD-Linken Oskar Lafontaine im Saarland und dem glanzvollen Erfolg von Johannes Rau in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai dieses Jahres sieht sich die gebeutelte Partei im Aufwind.

Die Perspektive, es schon 1987 bei der nächsten Wahl zum Bonner Bundestag schaffen zu können, gilt den Genossen nicht mehr als völlig utopisch.

Dennoch warnen die Realisten in der SPD vor allzuviel Siegeszuversicht. Nicht nur, daß die Genossen sich zu früh im Gefühl des sicheren Sieges zurücklehnen könnten und damit der frische Schwung gleich wieder zu erlahmen droht.

Die nüchternen Strategen in der SPD-Zentrale sehen darüber hinaus die Partei noch nicht wieder innerlich so gefestigt, daß sie aus dem Stand heraus die Regierung übernehmen könnte.

Viel von dem Aufschwung der letzten Monate verdankt die SPD schlicht dem Ansehensverlust der Regierung Kohl. Unzufriedenheit in der Bevölkerung über ständige Koalitionsstreitereien, Regierungspannen und ausbleibende Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kam der SPD zugute.

Doch das allein wäre nicht genug gewesen, um den SPD-Aufschwung zu erklären, zumal inzwischen die Bundesregierung sich im Ansehen bei den Bürgern wieder deutlich verbessert hat.

Der größte Pluspunkt für die SPD ist ihr künftiger Kanzlerkandidat: Johannes Rau. Offiziell ist er es noch nicht, weil er erst im nächsten Jahr von der Partei nominiert werden soll. Bundesgeschäftsführer Peter Glotz, der quicke Generalmanager der SPD, hielt das für einen klugen Schachzug, weil er damit glaubte, vermeiden zu können, daß Rau im grellen Bonner Schein werf er licht schon jetzt verheizt werde.

Aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Rau wird von allen als Kanzlerkandidat behandelt und bewertet. Wie sollte es auch anders sein.

Dennoch hat dieser joviale, kumpelhafte Mann mit dem strahlenden Wahlsieg von Nordrhein-Westfalen im Rücken für die Partei bei den Bürgern viel an Boden gutgemacht.

Hinter der Fassade freilich sieht es dann nicht mehr so freundlich aus. Niemand weiß im Augenblick, mit welchen politischen Inhalten Johannes Rau in die Bundestagswahl ziehen will. Das ist ein heikles Kapitel, weil die Entwicklung der SPD nach der Ära Helmut Schmidt in eine Richtung gegangen ist, die mit Sicherheit nicht den Beifall Raus findet.

Die von SPD-Politikern wie Andreas von Bülow oder Peter von Oertzen entwickelten Konzepte zur Sicherheitspolitik stehen in der Kontinuität der bereits unter Schmidt deutlich gewordenen neutralistischen Tendenzen in der Sozialdemokratie. Ein latenter Antiamerikanismus bricht sich immer wieder Bahn in Ausbrüchen gegen den Hauptverbündeten. Nach wie vor hat die SPD kein wirtschaftspolitisches Konzept.

All das zeigt, daß die SPD trotz ihres hoffnungsvollen Kanzlerkandidaten noch lange nicht ein einheitliches Bild bietet.

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