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Poetischer Alltag mit Längen

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Der Schweizer Clown Pello bestreitet Soloabende von gut eineinhalb Stunden Dauer. Pello, Jahrgang 1947, ist Schüler der Ecole „Mime, Mouve-ment, Theatre“ in Paris, er hat in Frankreich Straßentheater gemacht und mit seinem Kollegen Pic in St. Gallen den Freüuftcircus „Pic o Pello“ kreiiert, er ist im „Cirque D'hiver“ in Amiens und in Berlin im Grips-Theater aufgetreten, und war auch Akteur bei Hans Gratzers vielbejubelter Werkstatt-Inszenierung des „Don Gil“.

Man muß aber schon eine große Persönlichkeit sein, um als Clown sein Publikum einen Abend in Bann halten zu können. Die legendären Clowns unseres Jahrhunderts, besonders Grock und Rivel, hatten eingebettet in Variete- oder Circusprogramme, Entrees von durchschnittlich 45 Minuten. Und der hier im wesentlichen nur Insidern bekannte, aber zumindest schon in der Schweiz der breiten Allgemeinheit geläufige Dimitri von Ascona, der auf dem Pfad zwischen Clownerie und Pantomime wandelt, wird vielfach schon zur Spitzenklasse gezählt. Er gestaltet auch Soloabende.

Dem Clown Pello fehlt (noch?) recht viel, um einen Abend lang das Publikum so richtig zu animieren. Da mangelt es im besonderen an der artistischen Virtuosität als selbstverständlicher Prämisse jeder Clownerie. Da fehlt es aber vor allem an der tragenden, sich zumindest schon in Konturen abzeichnenden unverwechselbaren Persönlichkeit.

Trotzdem ist über den sympathischen Künstler viel Positives zu sagen. Pello begrüßt sein Publikum sehr ausführlich mit „Hoi“, einem ins Schwyzerdütsch übersetzten Urlaut, wie er dem Clowngestammel als verbale Regressionsmöglichkeit immanent ist. Daß dann Heu gefunden wird, gehört zu den primitiven Realismen im Gefolge dieser Symbolsprache. Bei Pello gibt es Momente von elegischer Poesie - so etwa, wenn Pello auf der lange leer bleibenden Bühne auf den Auftritt von Pello wartet. Wenn dann das Saxophon nicht spielt, weil es mit Eßbarem verstopft ist, muß dieses Eßbare herausoperiert werden. Und Pello zelebriert das Ausrinnen eines Eies dergestalt, daß sich degoutante Assoziationen einstellen. So wird er denn auch später im Traum zur immer größer werdenden Schweinsgestalt. Ein Clown, der im Versuch der Bewältigung der alltäglichen Schwierigkeiten auf das klassische Instrumentarium der clownesken Künste zurückgreift, wie etwa auf den überflüssigen Bewegungsaufwand beim Löschen der Nachtkerze mit der Fahrradpumpe. Man wird die weitere Entwicklung dieses Clowns, der zweifellos nicht unbeachtliche Substanz besitzt, mit Interesse verfolgen.

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