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Polen vor der Papstvisite

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Am bevorstehenden Papstbesuch in Polen vom 16. bis 23. Juni ist aller Voraussicht nach nicht mehr zu rütteln. Die Visite wird stattfinden. Alle maßgeblichen Kräfte — Kirche, Opposition und Staat — erwarten Johannes Paul II. Die Motive freilich sind unterschiedlich, die Einheit in allen Gruppen nur äußerlich.

Das Militärregime in Warschau hat sich - nach langem Zögern - zu einer positiven Einstellung gegenüber dem Papstbesuch durchgerungen. Die Machthaber sind sich dabei der Risken der Visite wohl bewußt, wird doch die Reise des Heiligen Vaters erneut eindrucksvoll demonstrieren, auf welcher Seite das Volk steht.

Der moralische Druck, der durch die Forderung des Papstes nach einer Amnestie für politische Häftlinge bei öffentlichen Auftritten entstehen kann, ist groß und birgt die Gefahr unkontrollierbarer Entwicklungen. Auch das Sicherheitsrisiko ist enorm. Doch der polnische Apparat ist sich dessen bewußt, daß ein Anschlag auf den Papst in Polen — wer immer ihn auch versuchen sollte — zu einer sofortigen Explosion der Volkswut führen müßte.

Aber all diese Risken und Gefahren zählen wenig gegenüber jenem Vorteil, den sich das Warschauer Regime vom Besuch Johannes Paul II. erhofft: nämlich eine Durchbrechung der moralischen und politischen Quarantäne, in die Polen durch das Kriegsrecht geraten ist.

Der Staat wird mit allen Mitteln der ihm zur Verfügung stehenden Propaganda versuchen, den Papstbesuch als Beweis der stattgefundenen „Normalisierung” zu inszenieren.

Nicht alle innerhalb von Regierung und Partei denken so. Es gibt aus der Untergrundpresse (etwa dem Krakauer Blatt „Krakus”) und auch aus anderen Kanälen zahlreiche Hinweise, daß die Dogmatiker in der Partei und Teile des Sicherheitsapparates gegen den Besuch opponieren.

Laut „Krakus” gibt es die sogenannte „Operation Rabe” des Sicherheitsdienstes UB, der mit gezielten Provokationen das Klima zwischen Kirche und Staat vergiften will. Der Überfall eines „Rollkommandos” vergangene Woche auf ein Franziskanerin- nenkloster in der Warschauer Altstadt würde hier durchaus ins Bild passen.

Ziel all dieser Aktionen wäre e^ eine Absage des Papst-Besuches zu erzwingen, weil dieser nach Meinung der Sicherheitsdienste und der Partei-Dogmatiker erneut nur die Macht der bekämpften und gehaßten katholischen Kirche unter Beweis stellen würde.

Die katholische Kirche selbst ist

— trotz aller äußerlichen Einigkeit

— in der Frage der bevorstehenden

Visite ebenfalls gespalten gewesen.

Zwischen der Krakauer Diözese unter Kardinal Marcharski und der Warschauer unter Primas Glemp hat es über Nützlichkeit und Notwendigkeit dieser Papst- Visite beachtliche Differenzen gegeben.

Neben persönlichen Rivalitäten gab es dem Vernehmen nach auch massive inhaltliche Meinungsverschiedenheiten. Der Papst selbst hat beiden Kardinalen aus Polen Gelegenheit gegeben, in getrennten Audienzen in Rom ihre Argumente vorzutragen. Er hat sich für die Linie von Glemp entschieden; Marcharski hat dem Heiligen Vater seine absolute Loyalität zugesichert, ohne von seinen Bedenken grundsätzlich abzurücken.

Am schwersten fiel es offenbar der Untergrund-„Solidarität”, mit dem angekündigten Papstbesuch ins reine zu kommen. Es gab erbitterte Diskussionen und eine mehrheitlich ablehnende Haltung. Erst relativ spät, am 23. März, konnte die vollständig versammelte Führung der Unter- grund-„Solidarität” eine einheitliche Linie erarbeiten. Sie wurde im Untergrundblatt „Tygödnik Mazowsze” vom 7. 4. 1983 veröf- . fentlicht.

Die FURCHE gelangte in den Besitz dieses Dokumentes und zitiert im folgenden daraus ausführlich, weil in diesem Artikel auch die „Für” und „Wider” der vorausgegangenen Diskussionen in der Untergrundführung sich widerspiegeln:

„Ist es gut, daß der Papst eben jetzt nach Polen kommt? Die Regierung hat versucht, aus der Tatsache, daß sich die Menschert überhaupt diese Frage stellen, ihren Nutzen zu ziehen. Sie wollte sich selbst als dem Papst freundlich gesinnt darstellen, während die .Extremisten* seinen Besuch ablehnten. Das ist nur ein Propagandatrick gewesen.”

In dem Untergrunddokument heißt es weiter: „Stellt der Papstbesuch nicht eine Anerkennung des gegenwärtigen Zustandes dar, wird er nicht in dieser Richtung mißbraucht werden? Mit Sicherheit werden die Behörden alles tun, um es so darzustellen. Wird der Papst das vermeiden können? Es wäre lächerlich zu erwarten, daß er die Behörden vor den Kopf stößt…”

Abschließend heißt es im „Ty- godnik Mazowsze”: „Der Papstbesuch wird vor allem ein großes religiöses und geistiges Erlebnis sein. Der Besuch wird es allen erlauben, die Barriere der Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen, so wie er uns 1979 die Barriere der Angst durchbrechen ließ.”

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