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Politik der kleinen Schritte

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Der wirtschaftspolitische Spielraum eines kleinen Industriestaates mit offener Grenze ist in der gegenwärtigen internationalen Wirtschaftssituation beschränkt. Auch Österreich kann sich grundsätzlich dieser Situation nicht entziehen und ist somit „Konjunkturnehmer“.

Wieweit seine Probleme darüber hinaus „hausgemacht“ sind, ist schwer zu erkennen, da es in fast allen relevanten wirtschaftlichen Daten (Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, Beschäftigung, Zahlungsbilanz) an der Spitze der westlichen Industriestaaten steht und seine „austro- keynesianische“ Wirtschaftspolitik von sehr vielen ausländischen Autoren und Institutionen als vorbildlich betrachtet wird — womit freilich nicht gesagt sein soll, daß hierzulande keine Fehler begangen werden! nen — wie ausländische aber auch inländische Beispiele zeigen — viel ne des Arbeitsmarktes verschlechtert. Seit 1982 haben wir den Bereich der Vollbeschäftigung verlassen, da die Rate der Arbeitslosigkeit 3,6 Prozent erreicht hat. Es kam schon überraschend, daß es uns wider alles Erwarten gelungen war, Vollbeschäftigung so lange zu erhalten.

Fast kann man hier von einer „Abkoppelung“ der Arbeitsmarktentwicklung von jener der Gesamtwirtschaft sprechen. Die Ursachen dafür lagen sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch im Zusammentreffen günstiger Umstände und lassen sich — kurz gesagt— auf expansive Maßnahmen nach 1975, intensive Arbeitsmarktförderung, Arbeitszeitverkürzungen, Wachstum des

Dienstleistungssektors, Verringerung der Zahl ausländischer Arbeitskräfte und sicherlich auch auf die sozialpartnerschaftlich geprägte Atmosphäre zurückzuführen, in welcher die Freistellung von Arbeitskräften von allen Unternehmern vermieden wird.

Da in allen westlichen Industriestaaten die Wachstumsverlangsamung nach 1974 in eine langandauernde hartnäckige Stagnation übergegangen ist, wurde

der ohnehin beschränkte wirtschaftspolitische Spielraum noch weiter eingeengt. Es ist Clement vollkommen zuzustimmen, wenn er meint, die österreichische Wirtschaft müsse in sämtlichen Bereichen flexibler und stärker innovatorisch werden.

Die Bedeutung dieses Problems hat das Institut für Wirtschaftsforschung daher auch veranlaßt, ein Symposium zu veranstalten, in welchem die Frage geprüft wurde, wieweit Strukturpolitik der Wirtschaftspolitik eines kleinen Staates größeren Spielraum schaffen könnte. Wiewohl man natürlich zu keinen abschließenden Ergebnissen gelangen konnte, gewann man den Eindruck, daß Strukturwandel und Strukturpolitik doch vorwiegend als mittel- bis langfristiges Problem zu sehen sind.

Im Gegenteil, es ist kaum zu umgehen, wenn man keine Massenarbeitslosigkeit auslösen will, daß der Staat Großbetrieben der Grundstoffindustrie beispringt

und damit oftmals reine Strukturkonservierung betreibt.

Clement hat sicherlich auch diesen mittel- bis langfristigen Aspekt im Auge, wenn er eine „angebotsorientierte Wirt

schaftspolitik“ fordert, also nicht jene kurzfristige konjunkturpolitische Position, welche die angelsächsische Wirtschaftspolitik dominierte, die anderen Staaten, wie die Bundesrepublik Deutschland, beeinflußte und nun infolge ihrer fatalen Folgen langsam ihrem Ende zugeht.

Natürlich wird man sich in der Formulierung einer mittelfristigen Strukturpolitik überlegen müssen, wo und mit welchen Instrumenten — und in welchem finanziellen Rahmen, man über das bisherige System hinausgehen soll.

Dieses scheint ja schon einiges bewirkt zu haben, denn der gegenwärtige Wirtschaftsberater des US-Präsidenten, Feldstein meinte anläßlich seines letzten Aufenthaltes in Wien, Österreich hätte schon lange „supply side economics“ betrieben.

Bleibt die resignierende Feststellung, daß in einem kleinen Land gegenwärtig kaum überzeugende Möglichkeiten bestehen, der Wirtschaftsmalaise beizukommen. Man kann nur einige kleine Schritte setzen, um die Auswirkungen der internationalen Stagnation zu mildem, und im übrigen muß man hoffen, daß sich sowohl Konjunktur wie Politik im Ausland wenden; Anzeichen für beides gibt es — Gott sei Dank!

Univ.-Doz. Felix Butschek ist stellvertretender Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts.

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