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Politik im alten Trott

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Zwei Fakten illustrieren das Aktionsdefizit der österreichischen Energiepolitik:

Erstens verbraucht Österreich zuviel Energie. Die Produktion einer Einheit des Bruttosozialprodukts erfordert in Österreich rund doppelt soviel Energie wie in der Schweiz. Gemessen an den geltenden Baunormen sollte die halbe Energiemenge den Österreichern denselben Wohnkomfort garantieren. Kurioserweise verschlechtert sich der Wirkungsgrad des österreichischen Energiesystems.

Zweitens sind die Energiepreise relativ zu wenig gesunken. Ver-

glichen mit dem letzten Energiepreishoch im Jahre 1985 verbilligten sich die importierten Energiemengen in den letzten beiden Jah-ren jeweils um einen Betrag, der rund ein Drittel des gesamten Lohnsteueraufkommens ausmacht. Nur ein Drittel dieser Ver-billigung erreichte jedoch die Endverbraucher, der größere Rest fettete die Bilanzen der Energieversorger kräftig auf.

Unter dem Stichwort der verbraucherorientierten Energiepolitik demonstrieren vor allem die USA, die skandinavischen Länder und die Schweiz Tendenzen des Strukturwandels im Energiebereich.

Die größten Energieversorger der USA haben seit Jahren Programme laufen, die durch Energieberatung und Investitionshilfen beim Verbraucher Anreize zu einer sparsameren Energieverwendung geben.

Uberträgt man beispielsweise den Erfolg dieser Programme von Tennessee Valley Authority, Southern California Edison oder Pacific Gas & Electric auf Österreich, dann wären Kraftwerkskapazitäten im Ausmaß der Dürn-rohr-Blöcke überflüssig geworden.

Wie Pilze schießen in den USA Finanzierungs- und Konsulentenfirmen aus dem Boden. Sie machen Möglichkeiten, Energie zu sparen, ausfindig, schlagen kostenwirksamste Investitionen vor, übernehmen deren Finanzierung und Durchführung und kassieren einen Gewinnanteil aus der erzielten Einsparung für eine im voraus vereinbarte Dauer als Honorar. Der Energiekonsument trägt absolut kein Risiko.

Die energiepolitischen Erfolge der Schweiz wurzeln nicht zuletzt in einer aufwendigen Energieforschung, die allein im öffentlichen Bereich mit rund einer Milliarde Schilling pro Jahr dotiert ist und in den nächsten fünf Jahren fast verdoppelt werden soll.

Zwei Drittel dieser Forschungsförderung betreffen rationelle Energienutzung, erneuerbare Energien und, unterstützende Techniken. Die vergleichbaren

österreichischen Zahlen sind bescheidene Bruchteile.

An rechtfertigenden Äußerungen, die österreichischen Energiezustände betreffend, ist kein Mangel. Vor allem Pressedienste der Elektrizitätswirtschaft beteuern, daß die zitierten ausländischen Beispiele nicht auf Österreich übertragbar seien.

Der Energieverbrauch sei in den USA pro Kopf größer, das Klima anders, und in Osterreich gäbe es genug Förderungen für das Energiesparen.

Ausdrücklich sei daher darauf hingewiesen, daß diese Argumente nicht zutreffen und in keiner Weise den Inhalt einer am Verbraucher orientierten Energiepolitik erfassen. Hier entscheidet nämlich, ob mit demselben Investitionsaufwand mehr Energie in einem Kraftwerk erzeugt oder mehr beim Konsumenten gespart werden kann. In Österreich fehlt diese Analyse der sogenannten Opportunitätskosten fast vollkommen.

Die Möglichkeiten für eine verbesserte Energienutzung werden daher in Osterreich drastisch unterschätzt. Drei Viertel des gesamten Energiebedarfs der Industrie entfallen auf jene wenigen Grundstoffbranchen, die sich aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Umstrukturierung unterziehen müssen. Erfolgversprechendere Produktionen mit einem höheren Verarbeitungsgrad benötigen wiederum nur Bruchteile des Energieaufwandes der alten Anlagen.

Untersuchungen bei Schulgebäuden enthüllen Heizkosten, die pro Schüler im Verhältnis eins zu 15 (!) schwanken. Bei einem Fünftel der Gebäude lohnt es sich, auch bei den derzeitigen Preisen energetische Sanierungsinvestitionen durchzuführen, mit denen mindestens die Hälfte der bisherigen Energie eingespart werden kann.

Vor Erwartungen über Kursänderungen in der österreichischen Energiepolitik sei ausdrücklich gewarnt. Das vor wenigen Wochen veröffentlichte Energiesparprogramm der Bundesregierung hat eher den Stellenwert einer ungeordneten Stichwortsammlung als den eines von politischen Zielen bestimmten Aktionsprogramms mit vorgegebenem Operationskalender.

Mit millionenschwerem Medienaufwand haben sich die größten österreichischen Energieversorger von Public Relations-Agenturen eine neue Corporate Identity verpassen lassen. Die alten Argumente unter den neuen Briefköpfen nähren jedoch die Vermutung, daß diese Werbeaufwendungen eher die Medienträger als die Energiekonsumenten begünstigen.

Trotz dieser düsteren Perspektiven seien einige Anregungen zum Nachdenken über energiepolitische Handlungsspielräume gewagt: Die Krise der österreichischen Energiepolitik ist vor allem eine Krise der beteiligten Institutionen. Von der flügellahmen Energieverwertungsagentur über die zu wenig verbraucherorientierten Organisationsstruk-“ turen der Energiewirtschaft bis zu den kargen Forschungsaktivitäten von Industrie und Universi-

täten im Energiebereich spannt sich ein weites, ungenütztes Innovationspotential.

Das Handlungsdefizit in der österreichischen Energiepolitik ist nicht zuletzt Ergebnis der vielfältigen Regulierungen dieses Wirtschaftssektors. Vordringlicher als (Schein-)Privatisierun-gen wäre ein echter Verbundbetrieb innerhalb und zwischen allen leitungsgebundenen Energieträgern, der über die dadurch ausgelösten Wettbewerbseffekte zu den für die Verbraucher relevanten kostenorientierten Tarifen führen würde.

Schließlich sollte die erste Diskussion über eine lenkungsorien-tierte Energiebesteuerung anläßlich der diesjährigen Steuerreform nicht die letzte gewesen sein. Dabei geht es erst sekundär um Energie.

Eine Entlastung der derzeit teilweise prohibitiven Besteuerung der Arbeit im Abtausch mit einer entsprechenden Belastung des Verbrauchs von nichtregenerier-barer Energie würde primär Signale für einen zukunftsorientierten Wirtschaftsstil setzen: Schonender Umgang mit der Umwelt und neue Herausforderungen für qualifizierte Arbeit.

Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Graz.

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