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POLITIK MIT MEHR BISS

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Kann man mit der Energiesparpolitik zufrieden sein? Die Antwort wird unterschiedlich ausfallen, je nachdem aus welchem Blickwinkel man das Problem betrachtet. Im folgenden die Sicht des Energiereferenten des Ökologie-Instituts.

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Kann man mit der Energiesparpolitik zufrieden sein? Die Antwort wird unterschiedlich ausfallen, je nachdem aus welchem Blickwinkel man das Problem betrachtet. Im folgenden die Sicht des Energiereferenten des Ökologie-Instituts.

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FURCHE: Wie hat sich die österreichische Energiepolitik bewährt?

HELMUT HABERL: Das ist schwer zu sagen. Meist denkt man an die Politik der Bundesregierung. Lassen wir sie zunächst beiseite, denn wichtige Entscheidungen liegen bei den Ländern, insbesondere beim Bauen und damit beim Heizen. Die Länder nutzen ihre Möglichkeiten sehr unterschiedlich: Positiv zu erwähnen Vorarlberg (siehe Seite 16) und Oberösterreich. Da muß man für Ein-Fami-lien-Häuser eine Nutzenergiekennzahl von 75 kWh pro m2 (ein Viertel bis ein Drittel weniger als beim üblichen Standard) erreichen, um eine erhöhte Wohnbauförderung zu bekommen.

FURCHE: Und die Altbauten?

HABERL: Da geschieht viel zu wenig. In Wien werden im großen Stil Fassaden gefärbelt, aber kaum besser wärmegedämmt. Wien hat auch die zwischen Bund und Ländern abgeschlossene Vereinbarung über den Wärmeschutz der Gebäude noch immer nicht in seine Landesgesetze aufgenommen.

FURCHE: Wie energiesparend ist der soziale Wohnbau?

HABERL: Da mißt man den Erfolg an der Zahl der Wohnungen, die man für einen bestimmten Betrag hinstellt. Das bedeutet: möglichst billig bauen.

FURCHE: Also keine hohen Standards?

HABERL: Nur die üblichen. Wohn-baugenossenschafteji haben kein Interesse an einem höheren Energiesparstandard. Sie kommen ja nicht für die Heizungskosten auf. Dabei kann man bei geschickter Planung mit einem Mehraufwand von etwa drei Prozent der Baukosten die erwähnten 75 kWh pro m2 erreichen, vielleicht noch weniger. Müßten die Genossenschaften für die Heizung aufkommen, würden sie da sicher mehr investieren.

FURCHE: Und wie bewerten Sie die Energiepolitik des Bundes?

HABERL: Im großen und ganzen wird „dahingewurschtelt". Energie ist seit mehreren Jahren kein besonderes Thema - eher COr In Österreich gibt es eine eigenartige Kompetenzaufteilung: Die Umweltministerin ist für C02 zuständig, der Wirtschaftsminister für Energiefragen. Damit entscheidet er alles Relevante in Sachen COr Er vertritt aber überwiegend die Interessen der E-Wirtschaft, obwohl von Umwelt schon auch geredet wird.

FURCHE: Sieht der neue Energiebericht entsprechend aus?

HABERL: Im neuen Entwurf werden eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die weit in die Zukunft reichen. Im großen und ganzen sind die Vorschläge relativ unkonkret. Es gibt kaum Maßnahmen, die vor 1995 in Kraft treten. Mit diesem Paket wird man das C02-Ziel nicht erreichen.

FURCHE: Und die Energieversorgungsunternehmen (EVU)?

HABERL: Das Grundproblem ist, daß ihr Umsatz direkt von der verkauften Energiemenge abhängt. Daher haben die EVU ein klares Interesse: ihren Absatz auszuweiten. Wäre das nicht ökologisch problematisch, gäbe es dagegen nichts einzuwenden. Nicht verstehe ich allerdings, daß sich die E-Wirtschaft so dagegen wehrt, eine Diskussion über andere Konzepte auch nur zuzulassen.

FURCHE: Welche Konzepte?

HABERL: Das Schlagwort dazu ist „Least-cost-planning": Die Versorgung der Verbraucher mit Energie-Dienstleistungen als Gegenstand der Aktivität und zwar zu möglichst niedrigen Kosten. Das bedeutet: Die EVU liefern nicht nur Energie. Sie verkaufen auch Sparprogramme. Würden sich die EVU darauf umstellen, so wäre für sie das Energiesparen kein Problem mehr. Je früher man erkennt, daß man mit Energiesparen genauso Geld verdienen kann wie mit dem Bau von Kraftwerken, umso eher kommen wir über die Runden.

FURCHE.IstdieE-Wirtschaftnicht längst auf diesen Kurs eingeschwenkt ?

HABERL: Den Satzungen nach ja. Es gibt auch Energieberatung. Aber das ist zum Teil reine Absatzförderung. Dafür gibt es gut belegte Beispiele. Auch die Energiesparaktionen zum Ankauf neuer energiesparender Elektrogeräte sind fragwürdig: Erstanschaffungen wurden gefördert, auf die Rückforderung der Altgeräte jedoch verzichtet (so konnte man sich günstig Zweitgeräte anschaffen), da wurden nicht nur die energiespfcrend-sten Modelle gefördert...

FURCHE: Wie hat sich die Fernwärmeförderung ausgewirkt?

HABERL: Sie ist sehr wichtig, denn derzeit hat Biomasse nur mit Förderungen eine Chance. Hier kommt die Problematik der niederen Energiepreise deutlich zum Ausdruck. Das große Problem ist Erdgas als Konkurrent. Hier versagt die Raumordnungspolitik. Man legt Gashochdruckleitungen in Gebiete, in denen der Einsatz von Biomasse sinnvoll wäre. Wo eine Gasleitung liegt, ist der Raum für die Biomasse verloren. Unverständlich ist die Förderung von Gasleitungen - siehe Waldviertel: 60 Millionen Schilling unter dem Titel Regionalentwicklung.

FURCHE: Also doch kein echter Vorrang für Biomasse?

HABERL: Im Energiebericht schon. Aber dann erteilt das Wirtschaftsministerium doch Konzessionen für Gashochdruckleitungen: So etwa gegen heftigen Widerstand der Landwirtschaft im Pinzgau. Da hätte man auf Biomasse setzen können.

FURCHE: Dabei wäre die Biomasse-Option in jeder Hinsicht sinnvoll! Haberl: Aber die Proponenten des

Erdgases sind eben wirtschaftlich sehr stark, milliardenschwer...

FURCHE: Energiepolitik floriert also zur Zeit nicht besonders?

HABERL: Als die Energiepreise hoch waren, widmete man dem Anliegen mehr Aufmerksamkeit. Dennoch sehe ich Chancen für eine minimale CO -Abgabe. Staatssekretär Johannes Ditz hat die Ausweitung der Mineralösteuer auf andere Energieträger vorgeschlagen: Ein Steuervolumen bis zu sechs Milliarden Schilling könnte im Rahmen der nächsten Steuerreform beschlossen werden. Die ÖVP kann sich mit einer Energiebesteuerung weitaus eher anfreunden als die SPÖ.

FURCHE: Würde eine solche Besteuerung Lenkungseffekte haben?

HABERL: Eher nicht, dazu sind die Beträge zu gering. Größer ist die Wirkung, die von einer Zweckbindung der Steuereingänge fürs Energiesparen ausgehen könnten. Eine Milliarde jährlich in die Fernwärmeförderung würde einiges bewirken.

FURCHE: Wird anderswo besser Energie gespart als in Österreich?

HABERL: Dänemark hat wirklich Konsequenzen aus der Ölkrise gezogen. Es steht in Europa ziemlich ein-zigartigda und hat den Heizenergiebedarf drastisch verringert, vor allem durch Forcierung der Fernwärme. Kopenhagen will sich im Jahr 2000 zu 80 Prozent mit Fernwärme versorgen. Die Dänen haben gesetzlich die Einführung der Kraft-Wärme-Kopplung vorgeschrieben. Alle Gemeinden mußten Energiekonzepte erarbeiten mit Priorität für erneuerbare Energie. Energie wurde besteuert: Die Preise der fossilen Energieträger wurden nicht abgesenkt. Durch gleitende Besteuerung wurden sie konstant gehalten. Die Erfolge sind unübersehbar.

Mag Helmut Haberl ist Energiereferent am Ökologie-Institut in Wien.

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