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Politik steuert Medien ins elektronische AKH

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Die österreichischen Medien steuern in den kollektiven Selbstmord; die Politiker arbeiten dran mit durch Vorschubleistung; die Medien durch mangelnden Widerstand und mangelnde Solidarität. Die Tatwaffe heißt Kabel-TV.

Unter den österreichischen Medien wird der ökonomische Teppich weggezogen. Desto mörderischer wird die Konkurrenz zwischen ihnen. Desto tiefer sinkt das Niveau.

In Sonntagsreden feiern Politiker aller Schattierungen die demokratische Medienfreiheit, Po-

litiker der Regierungspartei das demokratischeste aller Mediengesetze. Dem kann man mit Nachsicht mancher Taxen zustimmen. Zugleich legt der Staat den Zeitungsbetrieben gewaltige Lasten an Gebühren und Abgaben auf, ein kleiner Teil davon wird refundiert. Das nennt man „Presseförderung". Die bescheidene Summe ist seit Beginn dieser „Förderung" gleichgeblieben; jetzt wird sie gekürzt. Die Aufhebung der Kürzung hat der Bundeskanzler vor Zeugen versprochen. Jetzt bestreitet er dies.

Vielleicht denkt er sich: Wohin sollen sich die Zeitungen beschweren gehen? Zum Salzamt?

Eigentlich geschieht uns recht. Zuerst wollten wir die „PreSse-förderung" gar nicht, wozu Steuergelder für unabhängige Zeitungen? Dann sagten wir: Wir nehmen das Geld, aber Gleichheitsgrundsatz und Rechtsanspruch müssen verankert werden. Jetzt sind wir beim Handaufhalten für barocke Almosen.

Unser Mediensozialpartner, der Herausgeberverband, erhielt dieser Tage vom Finanzminister die Zusage, er werde in seinem Hause nachforschen, ob er irgendwo noch ein paar Millionen finde. Der Katholik Salcher hat wenigstens schlechtes Gewissen.

Die „Presseförderung" im Bundesbudget sieht perspektivisch so aus: bis 1981 waren es 80 Millionen Schilling ohne „Bindung", also ohne Kürzung; 1982 sind es 80 Millionen mit 10 Prozent „Bindung", das heißt 72 Millionen'; 1983 sollen es 72 Millionen mit 10 Prozent „Bindung", also 65 Millionen sein; bei diesem Trend hielten wir 1987 bei 43 Millionen Schilling.

Politiker verstehen unter Presseförderung das Problem, wie geben wir den eigenen Zeitungen Geld und den parteiunabhängigen keines.

Die öffentliche Aufgabe der Presse ist, Politiker zu beißen.Daß diese dafür auch noch Geld locker machen sollen, sehen sie schwer ein.

Politiker und Journalisten sind die letzten zwei Berufe, für die man nichts zu lernen braucht. Deswegen gründeten die Sozialpartner im Medienwesen, d. h. Herausgeberverband und Journalistengewerkschaft, das „Kuratorium für Journalistenausbildung"; ein „Kuratorium für Politikerausbildung" wurde noch nicht gegründet. Vielleicht deswegen kriegt das Kuratorium für Journalistenausbildung immer weniger Geld aus öffentlichen Mitteln. Dagegen haben alle drei Parteien eigene Institutionen zur Journalistenausbildung gegründet und fressen von den wenigen Mitteln noch beträchtliches Geld weg.

Es lebe der Parteienstaat! Medien und Journalisten sollen schauen wo sie bleiben; was kritisieren sie auch immer herum.

Ich bin seinerzeit für eine Öffnung des elektronischen Medienmonopols eingetreten; mein Traum war eine geregelte Vielfalt von Kleinmedien, die von Gruppen junger Bürger selber betrieben werden, ohne Schädigung der großen nationalen Anstalt des ORF. Aber weder dieser noch die Zeitungen noch gar die Politiker wollten eine solche demokratische Schmutzkonkurrenz durch elektronische Minimedien.

Meine diesbezügliche Spinnerei haben alle Beteiligten leicht ausgehalten. Derzeit sind aber sehr viel potentere Leute unterwegs, um eine ganz andere Entwicklung durchzuziehen, nämlich Kabel-TV aus der untersten Schublade.

Kommerz ist keine Schande, aber was zuviel ist, ist zuviel. Das ist der Alptraum: aus Dutzenden Kanälen gluckert die gleiche Sauce, aus Dutzenden Kanälen tauchen zwischendurch die lieben Gesichter unserer Politiker auf. Unter dem Eindruck dieser Horrorvision habe ich mich zu einem leidenschaftlichen Vertreter des sogenannten ORF-Monopols gemausert, als der bestschlechtesten Variante von Mediendemokratie.

Sicherheitshalber glaube ich nicht an das Dementi, in Italien werde kein „Radio Dichand" vorbereitet, ein Ferngehvollpro-gramm, das unter Mittäterschaft des staatlichen Monopols der Post nach Wien gepumpt wird, sobald die Wiener Wahlen vorbei sind.

Sicherheitshalber glaube ich auch nicht an die Schwüre, daß es im Kabel-TV keine Werbung geben wird. Ich glaub daran soviel wie an die seinerzeitigen Schwüre zugunsten des ORF-Monopols, während gleichzeitig und einstimmig die gesetzliche Grundlage für die Verkabelung geschaffen wurde.

Auf kommunistisch heißt das Salamitaktik: erst verkabeln, aber keine Rede vom Programmmachen. Dann Programmachen, aber keine Rede von Werbung. Dann ist das alles defizitär, also muß man Werbung zulassen. Damit wird dann die ohnehin schmale ökonomische Grundlage der Presse noch schmäler, und erstmals verschmälert sich die bisher recht breite ökonomische Grundlage des ORF. Er muß die Gebühren erhöhen, kann's aber nicht, weil Krise ist. Und so und soviel Zeitungen müssen zusperren.

Zu dieser Zukunftsmusik sagen weitblickende Politiker: Na und? Unsere Parteizeitungen sind ohnehin für die Katz, und die unabhängigen Zeitungen schreiben ohnehin gegen uns. Mit sicherem Instinkt steuern sie in das elektronische AKH.

Der Autor ist Obmann der Journalistengewerkschaft. Der Beitrag ist eine leicht gekürzte Fassung der Rede anläßlich der Verleihung des Publizistikpreises für hervorragende journalistische Leistungen in Presse, Rundfunk, Fernsehen (Rennerpreis 1982) am 3. Dezember 1982.

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