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Politikerhaftung? - nötiger denn je!

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Wenn ein Rechtsanwalt Mündelgelder veruntreut, und sei es auch nur fahrlässig, so wird er mit Recht nicht nur strafrechtlich verfolgt, sondern auch so weit als möglich zur Schadenersatzleistung herangezogen. Wenn ein Unternehmer Bankrott macht, so ist, zumindest in einer Personengesellschaft, auch sein persönliches Vermögen teilweise oder ganz verloren, abgesehen davon, daß er sich um einen neuen Beruf umsehen muß.

Wenn ein Politiker Milliarden von ihm anvertrauten Steuergeldem verwirtschaftet, so hat das für ihn persönlich überhaupt keine Konsequenzen. Im äußersten Fall — und selbst dies ist eher die Ausnahme — muß er zurücktreten, natürlich mit vollen Pensionsbezügen. Wir können sicher sein, daß er — sofern er jung genug dafür ist —' spätestens in wenigen Jahren anderswo wieder in einer wichtigen, auf alle Fälle aber lukrativen Position auftaucht.

Hier sei keineswegs an die Neid-genossenschaft appelliert, noch soll an der innenpolitischen Schmutz-kübelkankurrenz teilgenommen werden, bei der ein Bauringskandal gegen eine Haselgruber-Affäre, eine überflüssige Donauinsel in Wien gegen eine überflüssige Rodelibaihn in Innsbruck ausgespielt wird. Jede

Partei hat schon etappenweise das gelbe Trikot auf der Tour de Cor-ruption getragen. Welche es häufiger und mit größerem Vorsprung tat, mögen andere ausdividieren.

Hier geht es vielmehr um eine prinzipielle Überlegung, welche sich auch nicht gegen eine Partei richtet, sondern gegen jede Partei, die gerade an der Macht ist und daher Steuergelder verwirtschaften kann.

„Die Gemeinde Wien kann sich das leisten“, sagt Bürgermeister Gratz jovial dazu. Gleichzeitig bemüht sich die nämliche Gemeinde Wien beim Finanzminister um eine

Änderung des Finanzausgleiches zu ihren Gunsten und zu Lasten der übrigen österreichischen, speziell der kleineren Gemeinden. Gleichzeitig verkündet Androsch, weitere Lohn-steuerkorrekturen zur Abgeltung der schleichenden Steuererhöhungen im Gefolge der Inflation kämen gar nicht in Frage. Der Anteil der Steuern am Nationaiprodukt wind also permanent größer, darüber hinaus werden die Methoden zur Steuereintreibunig immer rigoroser.

Nun mag man einwenden: was sind schon 1,5 Milliarden bei einem jährlichen Defizit von rund 40 Mil-

liarden allein im Bundesbudget, von den Budgets der Gebietskörperschaften und sonstiger öffentlicher Institutionen ganz zu schweigen —? Bundeskanzler Kreisky selbst sagte aber bekanntlich, man müsse bei vielen kleinen Beträgen, also selbst schon bei den Millionen, sparen.

Ob jetzt Korruption im Spiel ist oder nicht, der Umgang mit Steuergeldern, wie ihn sich heute die Politiker zur Gewohnheit gemacht haben, ist untragbar. Es ist auf alle Fälle sträfliche Leichtfertigkeit, wenn die Baukosten für das neue .Allgemeine Krankenhaus in Wien von den veranschlagten vier Milliarden auf heute zumindest schon 30 Milliarden — also um 7500 (!) Prozent — hinaufgeschnellt sind. Nach Angaben des deutschen Chefärzteverbandes war bisher die maximale Überschreitung eines Vonanschlages beim Bau eines Krankenhauses in der Bundesrepublik 300 Prozent.

Wer isit dafür verantwortlich? „Niemand“, repliziert Wiens Bürgermeister. Es liege ja gerade daran, daß keine klaren Kompetenzen geschaffen wurden und ohne Konzept gearbeitet wunde. Wer aber ist für den unglaublichen Skandal verantwortlich, daß kein Verantwortlicher bestellt wurde; daß das größte Krankenhaus Europas ins Blaue hinein gebaut wird? „Wir Politiker verstehen davon nichts“, 'doziert Gratz und hält sich und seinesgleichen damit für exkulpiert. Da wenden also Milliarden an anvertrauten Steuergeldern von den Politikern für Dinge ausgegeben, von denen sie zugegebenermaßen nichts verstehen!

Wo aber Macht ist, muß auch Verantwortung sein. Gerade die Vorkommnisse der letzten Zeit zeigen, daß es ^unerläßlich ist, eine persön-Siche zivilrechtiliche Haftung für Politiker — also eine Haftung mit ihnen Einkünften und ihrem Vermögen — auch dort, wo keine strafrechtlichen Tatbestände nachgewiesen werden können, wohl aber eine vermeidbare Fahnlässigkeit, ein ailzuiwenig kalkuliertes Risiko vorliegt

Bekanntlich, wunde nach dem Krieg ein — allerdings selten angewandtes 'und eher vage formuliertes — Amtshaftungsgesetz geschaffen, in welchem aber wenigstens prinzipiell die perönliche Haftung »des Beamten für seine Handlungen Uni Entscheidungen fixiert ist. Was ffiür den Beamte» recht ist, müßte aber für den Politiker mit seinen Viel größeren Kompetenzen billig sein.

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