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Politisches Chamäleon

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Der sudanesische Staatschef Numeiri gefällt sich alle paar Jahre in politischen Überschlägen. Jedenfalls hält ihn diese Taktik seit fast 15 Jahren in Khartum an der Macht.

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Der sudanesische Staatschef Numeiri gefällt sich alle paar Jahre in politischen Überschlägen. Jedenfalls hält ihn diese Taktik seit fast 15 Jahren in Khartum an der Macht.

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Zu Beginn seiner Herrschaft hatte der am Neujahrstag 1930 in Khartums Schwesterstadt Om-durman geborene Muhammad Dschafar an-Numeiri ganz unter dem Einfluß von Abdel Nasser aus Kairo gestanden. Auf Drängen Nassers trat Numeiri 1970 auch dem kurzlebigen „Dreibund” Kairo-Tripolis-Khart um bei.

Seinen persönlichen Ehrgeiz befriedigte Numeiri mit der Selbsternennung zum Minister-

Präsidenten, Vei^idigungsmini-ster und Oberbefehlshaber der sudanesischen Streitkräfte. Gleichzeitig avancierte er in der militärischen Hierarchie bis zum Marschall.

Später übernahm Numeiri auch das Außenministerium und ließ sich zum Staatspräsidenten des Sudan wählen. Ohne Gegenkandidaten war dies allerdings nur eine formale Demokratisierung.

Im Sudan war schon ein früherer Diktator über einen solchen Schönheitsfehler gestolpert: General Ibrahim Abbud hatte nach einem jahrelangen Parteienstreit am 17. November 1958 die Macht übernommen.

Anstatt aber, wie anfangs versprochen, nach einer Ubergangszeit wieder eine Zivilregierung einzusetzen, errichtete Abbud eine Militärdiktatur. Diese endete im allgemeinen Volksaufstand vom Oktober 1964.

Wahlen im Juni 1965 gaben darauf der islamisch-nationalen Um-ma-Partei eine relative Mehrheit mit 74 Parlamentssitzen. Die von der Unabhängigkeit des vorher „anglo-ägyptischen” Sudan am 1. Jänner 1956 bis zum Staatsstreich

Abbuds dominierende Nationale Unions-Partei (NUP) erzielte 1965 nur mehr 53 Mandate. Immerhin wurde ihr Führer, Ismail al-Azhari, Staatsoberhaupt.

Nach Numeiris Machtergreifung wurden beide Parteien ausgeschaltet. Hingegen erlangten die sudanesischen Kommunisten entscheidenden Einfluß. Sie hatten nach den Wahlen von 1965 nur elf Abgeordnete ins Parlament am Blauen Nil entsandt.

Kommunistisch indoktrinierte Offiziere hielten beim Staatsstreich vom 25. Mai 1969 ihren national-arabisch gesinnten Kameraden die Waage. Im „Revolutionsrat”, der zunächst das eigentliche kollektive Organ der Machtausübung darstellte, war deshalb der politisch farblose Numeiri nach außen an die Spitze gerufen worden.

Ideologisch nicht vorbelastet und auch sonst recht skrupellos, verbündete sich der neue Führer sofort mit dem linken Flügel des Revolutionsrates. In den ersten zwei Jahren seiner Herrschaft nähert sich der Sudan dem Ostblock an, wird der ausländische Besitz verstaatlicht, und überhaupt ein staatssozialistischer Kurs eingeschlagen.

Den Kommunisten von Khartum erschien mit der Zeit ihr „führender Mitläufer” immer unzuverlässiger. Am 19. Juli 1971 stürzten die Roten im Revolutionsrat Numeiri .Nur dank der Intervention von Ägypten und Libyen, die eine militärische Luftbrücke nach Khartum organisierten, erhielt Numeiri seine Macht nach tagelangen Kämpfen zurück.

Hinrichtungen, eine Verhaftungswelle gegen die Kommunisten und scharfe Kontroversen mit Moskau folgen. Das Pendel im Sudan schlägt jetzt kräftig nach rechts aus. Khartum schließt sich immer mehr an Ägyptens Anwar Sadat und dessen Öffnungspolitik zum Westen an.

Das Genfer Büro des sudanesischen Baumwollboards erlebt einen Exportboom, und die Bundesrepublik Deutschland greift Numeiri mit einem Aufbauprogramm für den Südsudan unter die Arme. Die Kredite und Geschenke aus Bonn kommen auch Radio Omdurman zugute.

Numeiris liebste Entwicklungshilfe ist aber eine Mustertischlerei. Er läßt sie in seinem Palast aufstellen und verbringt hier seine Mußestunden.

Als Anfang Dezember 1975 der indische Präsident dem Sudan einen Staatsbesuch abstattet, wird das Bankett im Palastgarten auf Tischen und Bänken abgehalten, die Numeiri selbst gezimmert hat. Auch die sudanesische First Lady ist unverschleiert und locker mit dabei. Das Bier fließt in Strömen. Noch nichts deutet auf die heutige Islam-Wut in Khartum hin.

Hobbytischler

Das Jahrzehnt, in dem sich der Sudan an Ägypten und Sadat orientierte, war des Landes und Numeiris sonnigste Zeit, auch wirtschaftlich eine Ära des Aufschwungs. Das ärmste Land Afrikas nach dem Tschad profitierte von Dreiecksgeschäften: Billige Arbeitskraft, westliches Know-how, arabische Petrodollars.

Als die Erdölsuche im Süden von gewissen Erfolgen begleitet wird, scheint die Zukunft des Sudan gesichert. Doch im Frühjahr 1983 gibt es ein böses Erwachen: Noch bevor das erste Faß sudanesischen Öls zum Verkauf kommt, ist der Traum vom baldigen Reichtum ausgeträumt.

Nach dem Preissturz auf dem internationalen ölmarkt hatten Wirtschaftsbeobachter in Khartum festgestellt, daß die im Boden schlummernden ölvorräte des Landes frühestens in den neunziger Jahren einen Beitrag zur Sanierung der fast bankrotten Volkswirtschaft leisten können.

Bis dahin bleibt der mit über acht Müliarden Dollar verschuldete Sudan weiterhin von den müden Gaben westlicher und besonders arabischer Staaten abhängig.

Vor zwei Jahren nahm nun Numeiri zum ersten Mal die Parole „Sparsamkeit, Zucht und Gottesfurcht” in den Mund. Im Herbst 1983 feierte er mit der Vernichtung von Bier- und Whiskyflaschen und einem ersten Handabhacken die Wiedereinführung des mittelalterlichen islamischen Strafrechts. Mit diesen Maßnahmen versucht sich Numeiri bei seinen Geldgebern aus Saudiarabien Liebkind zu machen. Wie schon zuvor mit Aufhebung der südsudanesischen Autonomie von 1972: Dort entwickelt nämlich der Golf rat die .Agrarreserve der arabischen Nation”.

Die jüngsten Entwicklungen im Sudan haben ihren Höhepunkt am 18. Jänner mit der Hinrichtung des liberalen islamischen Theologen und Regimekritikers Mahmud Muhammad Taha erreicht.

Für den tief verschuldeten Numeiri steht aber ein ganz anderer Aspekt seiner Re-Islamisierung im Zentrum des eigentlichen Interesses: Nach der Strafrechts-„Reform” von 1983 wurde gleich im März 1984 das Steuersystem is-lamisiert. 20 Steuerarten, von der Einkommen- bis zur Körperschaftssteuer wurden abgeschafft, dafür pauschale Vermögensabgaben und ein Zehent vom landwirtschaftlichen Ertrag erlassen. Gleichzeitig wurden alle Kreditzinsen für unzulässig erklärt.

Und zuletzt hat Numeiris Chefideologe in Sachen Islam, Hassan Turabi, den eigentlichen Zweck des frommen Eifers aus dem Sack gelassen: Der wieder Allah geweihte Sudan wird vom Ausland Kredite „nur noch auf Partnerschaftsbasis und ohne Verzinsung” akzeptieren. Bestehende Verpflichtungen würden bestenfalls „für die nächste Zeit” eingehalten.. .

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