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Digital In Arbeit

Politisiert, verharmlost

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Fritz Zecha, der Grazer Schauspieldirektor, witterte — nicht zu Unrecht — gesellschaftspolitische Brisanz im Büchnerschen „Woyzeck“. Seiner Grazer Inszenierung liegt die Idee zugrunde, den Fall des Füsiliers Woyzeck fein säuberlich auszubreiten, ihn als Demonstrationsobjekt zum Zwecke tieferer politischer Einsichten zu verwenden. Daß Zecha sich dabei auf Vorbilder stützt, ist bei diesem Regisseur nichts Neues — und auch durchaus nichts Schlechtes, denn was immer er an Anregungen in seine Arbeit übernimmt, wird unter seinen Händen doch zu einem eigenständigen, vor allem aber brillanten Ganzen. Bei seinem Grazer „Woyzeck“ standen das Berliner Ensemble (mit seiner Stückeinrichtung und dem sozialen Grundgestus) Pate, und auch die Realisierung des Werkes durch Ingmar Bergman im Stockholmer Dra- maten.

Vor einer Tribüne voll Schauspielern und Statisten begibt sich auf einem Podium die Rekonstruktion des Falles Woyzeck. Die Demonstration beginnt mit der Vorlesung (Hof des Doktors) und endet im Seziersaal vor der Leiche der erstochenen Marie: „Ein guter Mord, ein schöner Mord .. .( Durch eine sehr stimulierende Musik- und Geräuschkulisse wird der „Fall“ einer bestimmten Gesellschaftsschicht angelastet, die etwa durch Marschtritt, Kommandorufe, „Ein feste Burg“ — knapp, aber eindeutig charakterisiert erscheint. Nicht daß alles nur vordergründig wäre; aber die metaphysische Dimension, wie sie in dem Märchen der Großmutter sich artikuliert, das die ganze existenzielle Not des Menschen einfängt — sie fehlt gänzlich. Von größter Klarheit und blankpolierter Perfektion ist indes wieder das szenische Arrangement; besondere Bedeutung gewinnt die Aufführung durch den großartigen Branko Samarovski in der Titelrolle und durch Lotte Marquardt als Marie.

Gerald Szyszkowitz hat Moliėres „George Dandin“ sehr viel Sorgfalt angedeihen lassen. Es gibt da ein zauberhaftes Nachtbild mit köstlichen Schattenspielen und auch sonst allerlei Sehenswertes auf der zur Hälfte mit Heuschobern verstellten Bühne. Der Dandin von Fritz Holzer dreht und wendet das (Plan- chonsche) Stroh auch weidlich, aber sein Elend ist das eines Keuschlers, der ja nun wirklich nicht die adelige Angelique zur Frau hätte ‘ e- kommen dürfen. Damit aber fehlt die richtige Dosis Tragik, die diese Hahnrei-Gestalt über die Lustspielkonstellation hinaushebt. Überdies konnte Regisseur Szyszkowitz — der an sich ein begabter Mann ist — sich zu keiner einheitlichen Linie entschließen, tappt da ins infantile Diener-Geblödel und bleibt dort wieder unnuanciert an der Oberfläche des Dialogs. Dieser war von H. C. Artmann ins Deutsche übersetzt worden, klingt recht gut, mischt Stilschichten zu komischen Effekten, hält aber dennoch an manchen Klischees brav und bieder fest.

Nach einem anstrengenden, musikalisch nicht immer ganz sauberen „Palestrina“ (Inszenierung Hartleb, Dirigent Klobučar) gab es viel Freude für die Grazer bei Adolf Rotts neuer „Fledermaus“. Der bekannte Regisseur schien die Sänger und Sängerinnen so aufgeputscht zu haben, daß sie pausenlos in Bewegung waren, auch wenn es gar nicht nötig gewesen wäre. Manche von ihnen setzten sich gekonnt mit dieser Art von Bewegungsstrategie auseinander, andere wiederum hopsten den ganzen Abend lang wie hektische Marionetten grimassenschneidend auf der Bühne umher. Die Rottschen Rotationen scheinen sich doch schon totgelaufen zu haben …

• Im Rahmen der Festwochen von Isidro, welche die Stadt Madrid alljährlich im Frühling und Frühsommer zu Ehren ihres Schutzpatrons veranstaltet, wurde im Laufe der letzten acht Jahre eine Opernsaison aufgebaut, welche durch eine doppelte Zielsetzung charakterisiert ist: einerseits dem heimischen Publikum Standardwerke des internationalen Opemrepertoires vorzuführen, anderseits die internationalen Gäste jeweils mit dem typischen Werk eines spanischen Komponisten bekannt zu machen. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Amadeo Vives (1871 bis 1932), der als einer der hervorragendsten Meister des Zarzuela-Genres gilt.

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