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Politisierung im Spital

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Die Jugendvertreter rüsten zum Sturm. Für sie ist jedoch die Front nicht identisch mit dem Heerlager des politischen Gegners: zuerst gilt es noch, Bastionen im eigenen Bereich einzunehmen. Worum es in dieser „Schlacht“ geht?

Die zur Zeit geltende Rechtslage sieht nur eine Befreiung vom Dienst mit der Waffe im Heer vor. Der Dienst ohne Waffe ist aber nur im Heer abzuleisten. In der Absicht, eine Abschreckung für Drückeberger einzubauen, wurde nun die Dauer für diesen waffenlosen Dienst um drei Monate höher als für den Waffendienst angesetzt. Der vom Innenministerium vorgelegte Entwurf eines Zivildienstgesetzes sieht als einen seiner Kernpunkte die Nivellierung dieser Abstufung vor: Zivil- und Wehrdienst sollen künftig in ihrer Dauer gleichgestellt werden.

Zweifellos ist auch die Argumentation, die eine Mehrdienstleistung von drei Monaten rechtfertigen sollte, nicht mehr zeitgemäß. Man kann angesichts einer zunehmenden Belastung der Zivilbevölkerung in modernen Kriegen, das Opferbringen nicht mehr einzig dem Soldaten überlassen.

Ob allerdings ein Zivildiener, der gemäß dem Gesetzesentwurf als „PreispoHzist“ zu verwenden sein soll, den gleichen Strapazen unterworfen ist wie ein Soldat der Jägertruppe, ist fraglich. Anders mag bereits der Vergleich aussehen, sollte der Waffendienstverweigerer seinen Ersatzdienst etwa bei der Wildbaohverbauung leisten. Trotz dieser auch im Ausland vorgebrachten Argumentation ist in keinem westeuropäischen Land noch der Wehrdienst mit dem Ersatzdienst gleichgestellt worden. In manchen Ländern, etwa Frankreich, wurde der Ersatzdienst sogar mit der doppelten Dauer festgesetzt.

Der Zivildienst wird nur dann zu einer anerkennenswerten Alternative, wenn es gelingt, reines Drücke-bergertum vor den Anstrengungen des Wehrdienstes zu unterbinden. Sollte der Abbau von geregelter und fordernder Ausbildung im Bundesheer in der herrschenden Form weitergehen, fiele allerdings die obige Argumentation fort.

So wird die Effektivität der geplanten Regelung auch davon abhängen, ob es gelingt, den „Leerlauf“

vom, Zivildienst fernzuhalten. Das Beispiel der benachbarten Bundesrepublik läßt einige Beunruhigung zu. Bis vor kurzem mußte nur jeder vierte Wehrdienstverweigerer in der BRD damit rechnen, einen Ersatzdienst leisten zu müssen. Grund genug für viele, ins Lager der Kriegsdienstgegner überzuwechseln. Dazu gelang es nicht, diesen Dienst politisch keimfrei zu halten. Im Gegenteil; auch die Leibschüssel mußte herhalten, politische Agitation weiterzutragen. Beschwerden der Patienten und der Spitalsleitungen über Zivildiener häuften sich.

Indes droht dem Gesetzesentwurf von anderer Seite Gefahr: in den Strudel der Agitation geriet jener Punkt, der für eine Riegelfunktion ausersehen war. Nämlich jene Kommission, deren Aufgabe darin bestehen sollte, die Motivation der Wehrdienstverweigerer zu überprüfen. Hier preschte indes die ÖVP vor; allerdings nicht geschlossen, und mit unterschiedlicher Motivation. Während man in der Parteispitze überlegt, auf den Ersatzdienst aus Gewissensgründen zu verzichten und für einen echten Alternativdienst zu plädieren, will die Junge Generation in der ÖVP die Kommission zu Fall bringen. In der Kärntnerstraße ist man über die Initiative aus dem Jungvolk nicht sehr begeistert. Hoffte man doch, über den Umweg eines Alternativdienstes, die Dauer des Ersatzdienstes mit zehn Monaten festsetzen zu können. Die Verlängerung des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst wird jedoch von der SPÖ striktest abgelehnt.

Bestritten ist nach wie vor auch die Frage, ob es möglich sein sollte, auch erst während des Wehrdienstes diesen zu verweigern. Im Heer selbst sieht man darin eine echte Gefahr für die Aufrechterhaltung der Disziplin. Negative Erfahrungen aus der Deutschen Bundeswehr werden als Argument herangezogen.

Vordringlich ist und bleibt aber, daß diese Materie aus dem Parteienstreit gezogen wird. Sonst besteht die Gefahr, daß sich die Agitation von Randgruppen auf dem neugeschaffenen Feld des Zivildienstes ausbreitet.

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