6870438-1978_21_06.jpg
Digital In Arbeit

Politkrimi um den Wahltermin: Die Konservativen holen auf

19451960198020002020

Die Kanadier sind in diesen Tagen sehr wankelmütig. Das macht die Politik im zweitgrößten Land der Erde heute weit interessanter als in beschaulicheren Zeiten. Nachdem eine Meinungsumfrage im März ergeben hatte, daß 45 Prozent der Befragten für die von Premierminister Pierre Trudeau geführten Liberalen stimmen würden und nur 34 Prozent für die Konservativen, schienen Wahlen im Juni unvermeidlich. Prompt trafen die Liberalen alle Vorbereitungen für den kommenden Wahlkampf.

19451960198020002020

Die Kanadier sind in diesen Tagen sehr wankelmütig. Das macht die Politik im zweitgrößten Land der Erde heute weit interessanter als in beschaulicheren Zeiten. Nachdem eine Meinungsumfrage im März ergeben hatte, daß 45 Prozent der Befragten für die von Premierminister Pierre Trudeau geführten Liberalen stimmen würden und nur 34 Prozent für die Konservativen, schienen Wahlen im Juni unvermeidlich. Prompt trafen die Liberalen alle Vorbereitungen für den kommenden Wahlkampf.

Werbung
Werbung
Werbung

Trudeaus häufiges Auftreten bei Versammlungen und vor den Fernsehkameras bestärkte die innerpolitischen Experten in der Meinung, daß im Juni die Zeit für einen Urnengang gekommen sei. Zudem berief der Regierungschef plötzlich prominente konservative Abgeordnete in hohe Positionen, die sonst immer verdiente Liberale innehatten. Derart wurden Claude Wagner - Außenpolitiker des konservativen „Schattenkabinetts“ -und der populäre Neufundländer Jack Marshall zu Senatoren ernannt, der konservative Abgeordnete Fairweat-her erhielt ein hoch dotiertes Amt, um das ihn liberale Politiker beneideten. Auf diese Weise wurden jedoch populäre Tory aus ihren Wahlkreisen entfernt, was die Chancen der liberalen Kandidaten bedeutend erhöhen sollte. Ein brilhanter politischer Schachzug Trudeaus - so schien es zumindest zuerst.

Doch es kam anders: Die jüngste Meinungsumfrage ergab ein dramatisches Absinken der Popularität der Regierungspartei. Nur mehr 41 Prozent der Befragten erklärten, daß sie für die Liberalen stimmen würden, während sich ebenfalls 41 Prozent für die Konservativen aussprachen. (14 Prozent entschieden sich für die Sozialisten und 4 Prozent für Splitterparteien.) Da die Liberalen in Quebec bei den Staatswahlen in der überwiegenden Zahl der Wahlkreise mit hohen Majoritäten siegen, schloß der Gallup Poll daraus auf eine konservative Minderheitsregierung, falls die Stimmenabgabe im Juni erfolgen würde.

Weder Skandale - in deren Mittelpunkt prominente liberale Politiker standen - noch das Anklettern der Inflation auf neun Prozent und das Steigen der Arbeitslosenzahl auf über eine Million, hatten Pierre Trudeaus Popularität entscheidend erschüttert. An-

scheinend war das Absinken des Dollar, der im April - trotz aller Stützungs-versuche der Bank of Canada - bis auf 86,62 US-Cents abgerutscht war, für den Popularitätsschwund der Regierung verantwortlich. Importe und Auslandreisen wurden immer kostspieliger. Dabei gehören die „Canucks“ zu den enthusiastischesten Touristen der Welt.

Das Trommelfeuer der Opposition über den schwachen Dollar war um so wirkungsvoller, weil den Konservativen die Fernsehübertragungen aus dem Parlament zu Gute kamen. Schon haben Tory-Politiker einen Spitznamen für den sinkenden kanadischen Dollar geprägt; „Trudough“, eine Kombination von Trudeau mit „dough“, der volkstümlichen Bezeichnung für Geld...

Eine Verschiebung des Wahltermins auf den Herbst wäre für Trudeau ein Eingeständnis der Schwäche. Die Hoffnungen auf eine Wendung zum Besseren würden Juliwahlen ermöglichen. Wohl könnte Trudeau noch ein Jahr warten - doch der letzte Regierungschef (R. B. Bennett, Premierminister von 1930 bis 1955) der sich für die Strategie der „vollen“ Amtszeit entschied, wurde vernichtend geschlagen. Die Festsetzung des Wahltages ist für Pierre Trudeaus demnach ein großes Dilemma.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung