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Polittheater des Absurden

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Fiskus müßte man sein. Über Nacht, ohne einen Finger zu rühren, um mehr als eine Milliarde reicher zu werden — davon wagen nicht einmal die chronischen Casino-Besucher zu träumen.

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Fiskus müßte man sein. Über Nacht, ohne einen Finger zu rühren, um mehr als eine Milliarde reicher zu werden — davon wagen nicht einmal die chronischen Casino-Besucher zu träumen.

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Und das verdankt der Fiskus der Teuerung: wenn immer in Österreich irgendwelche Preise hinaufgesetzt werden, steigen automatisch auch die Einnahmen des Finanzministers, einfach dadurch, daß die Mehrwertsteuer einen bestimmten Prozentsatz der Preise darstellt. So bringt die letzte Preiserhöhung bei Mineralölderivaten dem Finanzminister Mehreinnahmen von 460 Millionen Schulung Mehrwertsteuer und 610 Millionen Schilling Mineralölsteuer, zusammen also 1,07 Milliarden Schilling.

Ob freilich diese Rechnung aufgeht, wird sich noch zeigen. Die Preissteigerung und noch mehr die Verknappung bei Treibstoff und Heizöl mag die Umsätze sinken lassen, was sich auf das Steueraufkommen wieder negativ auswirken würde. Sofern die Restriktionen aber nicht allzu scharf sind, dürfte der Fiskus doch per saldo profitieren.

Nicht weiter erstaunlich ist es, daß von allen Seiten gefordert wird, der Fiskus möge den zusätzlichen Steuersegen refundieren, entweder durch Senkung der Mehrwertsteuer auf Mineralölprodukte oder durch ReJu-zierung der Mineralölsteuer. So legitim diese Forderung prinzipiell auch ist, im gegenständlichen Falle ist sie problematisch. Die Teuerung ist zwar auch diesmal an sich kostenbedingt, aber sie geht mit einer Verknappung Hand in Hand. Kompensiert man aber die Preissteigerung bei einem knappen Gut auch nur partiell durch Steuersenkungen, so inhibiert dies den konsumbeschränkenden Effekt der Preiserhöhung. Dies aber muß unweigerlich zu einer Bewirtschaftung führen. Es ist Geschmacksache, ob wir lieber teureres oder rationiertes Benzin und Heizöl wollen.

Möglicherweise allerdings wird diese Alternative bald akademisch sein. Wenn die Araber der Meinung

sind, ihre Erpressungsaktion wegen des großen Erfolges prolongieren zu müssen, dann werden wir bald sowohl teurere als auch rationierte Mineralölprodukte haben.

Freilich hat auch die Regierung erkannt, daß die Volksseele wegen der Benzinpreiserhöhung kocht und daher irgend etwas geschehen müsse, wobei die einschlägige Forderung — die richtige Rollenverteilung garantiert erst den Erfolg des Gags — am besten durch den ÖGB präsentiert wird. Damit zeigt der Gewerkschaftsbund, daß er etwas für seine Mitglieder tut, und auch an eine sozialistische Regierung Forderungen stellt: Die Regierung kann zeigen, welch offenes Ohr sie für Arbeitnehmerwünsche hat.

Soweit bisher bekannt wurde, scheint man sich für die fiskalisch billigste, sozial und ökonomisch aber verkehrteste Version entschieden zu haben: es wird daher nicht am Ende gar schweres Heizöl für Spitäler und Altersheime, sowie Ofenheizöl für Pensionisten verbilligt werden — für die eine möglichst wenig arbeitsaufwendige Heizung oft eine Existenzfrage ist —, sondern es wird das Kraftfahrzeugpauschale erhöht, also der Steuerabsetzbetrag, der den Autofahrern zugute kommt!

Nun ist es an sich schon ein recht kontroversielles Problem, ob in einer Zeit, in der die Ubermotorisierung zur Landplage geworden ist, eine Prämiierung des Autofahrens durch den Fiskus noch gerechtfertigt ist — so populär sie auch sein mag. In Zeiten der Benzinknappheit diese Prämie aber noch zu erhöhen, ist ein Paradebeispiel für das Polittheater des Absurden.

Was aber die zusätzlichen Einnahmen des Fiskus aus Mineralöl- und Mehrwertsteuer so bedenklich macht, ist die Tatsache, daß dadurch nicht nur der Preisauftrieb auf dem Treibstoff- und Heizölsektor verstärkt wird, sondern daß dadurch auch noch

die Regierung zusätzliche Einnahmen hat und somit möglicherweise zu zusätzlichen Ausgaben animiert wird. Das wiederum muß gleichfalls inflationsfördemd wirken, so daß schließlich ein doppelter Inflations-effekt gegeben ist.

Das Richtige wäre daher, die zusätzlichen Einnahmen aus der Treibstoff- und Heizölbesteuerung einzufrieren — vorausgesetzt, daß diese Maßnahme echt ist. Und da sitzt der Hase im Pfeffer.

Es ist der Regierung mit ihrem Talent für Showeffekte ohne weiteres zuzutrauen, daß sie die Mineralölmehreinnahmen spektakulär einfriert, ohne daß dies die geringste Auswirkung auf die Budgetausgaben hätte, da die sonst mit diesen Mehreinnahmen gedeckten Ausgaben einfach als Defizitposten aufscheinen. Das heißt also, daß eine Neutralisierung von Mineralöleinnahmen nur dann zielführend ist, wenn sie auch ein Korrelat auf der Ausgabenseite des Budgets findet.

Davon ist aber beispielsweise bei den Budgetansätzen des Bautenministeriums nichts zu merken — und es war bisher auch nicht zu hören, daß diese situationsgemäß abgeändert würden. Bis zum Stubenring hat es sich offenbar noch nicht herumgesprochen, daß es eine Mineralölkrise gibt.

So werden für 1974 nicht weniger als 9,3 Milliarden Schilling für den Ausbau und die Erhaltung des Bundesstraßennetzes präliminiert (davon 3,8 Milliarden Schilling für die Autobahnen), um 14 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Dies soll in erster Linie durch Steuermehreinnahmen aus dem steigenden Mineralölverbrauch gedeckt werden.

Sollte nicht Ahnungslosigkeit an diesem Budgeansatz schuld sein, so läuft die ministerielle Kalkulation offenbar darauf hinaus, daß Mindereinnahmen infolge quantitativer Verbrauchsrestriktionen reichlich durch die Mehreinnahmen dank der höheren Preise kompensiert werden. Und geht diese Rechnung nicht auf, dann wird eben das Budgetdefizit größer.

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