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Polnischer Appell

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Es gibt in Polen grundsätzliche Meinungsunterschiede, verschiedene Werte gestalten unsere Einstellungen und bestimmen die gesellschaftlichen Ziele. Selbst die größten Schwierigkeiten können diese Verschiedenheit, die auf Schritt und Tritt zum Vorschein kommt, nicht ausgleichen. Sie ist eine Tatsache, aber eine Tatsache ist auch, daß die allerhöchste und dringendste Aufgabe, welche die Polen zu erfüllen haben, die erfolgreiche Belebung unserer Wirtschaft ist.

Andernfalls werden wir alle verlieren; die Regierenden und die, die sich leiten lassen, wir heute und auch die Generationen, die nach uns kommen.

Unsere Nation, erbittert in ihren Freiheitsbestrebungen, muß sich heute in gleichem Maße um ihre materielle Existenz sowie die Uberwindung der tiefen Wirtschafts- und Zivilisationskrise sorgen, welche auf Schritt und Tritt unser Leben beeinflussen und in Zukunft unsere Identität bedrohen kann. Die Aktivierung der Gesellschaft erfordert es, daß überzeugende politische, ökonomische und psychologische Mechanismen in Gang gesetzt werden. Sie erfordert auch ein neues gesellschaftliches Klima, welches nur auf der Basis der fest verankerten, breiten gesellschaftlichen Bestrebungen entstehen kann.

Sie erfordert auch entsprechende Bedingungen für die Entwicklung wirtschaftlicher Initiativen sowie erfolgreiche Mechanismen zur gesellschaftlichen Kontrolle des wirtschaftlichen Lebens. Diese Probleme müssen wir ohne Rückblick auf die Erfahrungen der Vergangenheit zu lösen versuchen.

Aus dem Teufelskreis der wirtschaftlichen Krise können wir aber auf Grund äußerer Umstände ohne die Hilfe unserer Nachbarstaaten und der hochentwikkelten Länder des Westens nicht herauskommen. Unsere Wirtschaft braucht, um wieder in Schwung zu kommen, sowohl innere als auch äußere Impulse. Wir brauchen solche Unterstützungen, wie sie die meisten Länder der Welt ohne weiteres in Anspruch nehmen können.

Der wirtschaftliche Rückschritt Polens kann im internationalen Ausmaß nur eine potentielle Be- t drohung bilden, niemand kann daraus irgendwelchen Nutzen ziehen. Wir erwarten also in erster Linie relativ einfache Entscheidungen, die von unserem Gesichtspunkt her unentbehrlich sind.

Eine wichtige Rolle könnte dabei der amerikanische Präsident spielen, indem er die letzten wirtschaftlichen Sanktionen wieder aufhebt. Gemeint wären damit die Wiederherstellung der Meistbegünstigungsklausel (für Polen) und der Zugang zu vernünftigen und wirtschaftlich gerechten Bedingungen zu den von den USA gewährten Krediten. Gemeint wäre damit auch die Wiederherstellung und Erweiterung vielseitiger wissenschaftlicher, kultureller und zwischenmenschlicher Kontakte.

Wir sind überzeugt, daß es jetzt an der Zeit dazu ist.

JERZY TUROWICZ TADEUSZ MAZOWIECKI STANISLAW STOMMA BRONISLAW GEREMEK STEFAN BRATKOWSKI KLEMENS SZANIAWSKI JAN JOZEF SZCZEPANSKI ANDRZEJ WIELOWIEYSKI LECH WALESA

Diese „Erklärung“, von neun prominenten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, der katholischen Publizistik und der verbotenen unabhängigen Gewerkschaft .„Solidarnosc“ unterzeichnet, wurde in Polens führender katholischer Wochenzeitung „Tygodnik Pows-zechny“ („Allgemeine Wochenzeitung“) veröffentlicht.

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