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„Polsterin“ und die Wirklichkeit

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Der Wahlkampf um die Verteilung der Mandate im Nationalrat nach dem 5. Oktober läuft hochtourig. Die Parteien-Werbekonzepte haben Gestalt angenommen. Die SPÖ will den Wählern suggerieren, daß Österreich es sich leisten könne, sich auf einem liebevoll gestickten „Polsterl“ im Stile der Courths-Mahler zur Ruhe zu begeben („So gut geht es uns allen“) — und verspricht gleichzeitig schlicht „vier weitere gute Jahre“. Daß dabei viel Spekulation mit im Spiel ist, wagt auch SPÖ-Werbechef Heinz Brantl nicht zu widerlegen. Vergleiche mit dem Werbemodell der ÖVP-Regierungspartei aus dem Jahr 1970 („Die Sozialisten wollen alles anders machen“) liegen auf der Hand. Die ÖVP setzte damals auf die falsche Aussage; ähnliches läßt sich heute für die SP-Werbekonzeption zumindest vermuten.

Bundeskanzler Kreisky ist für die SP-Werbestrategie mittlerweile zu einer Plakat-Figur geworden. Sein Konterfei ziert Wände, die Wählerstimmen bedeuten sollen. Alis dem Plakattext „Kreisky — wer sonst“ ist die Aussage „Nach wie vor Kreisky — wer sonst“ geworden. Der Optimismus des Frühsommers — das deutet der modifizierte Plakat-Text an — ist einer Frühherb st-Skepsis gewichen. Selbst IFES-Chef Karl Blecha hält sich bei der Veröffentlichung nützlicher Meinungsumfrage-Ergebnisse zurück.

Die FPÖ setzt auf ihren Plakattexten auf die „Vernunft“ des Wählers, die offenbar darin bestehen soll, der Peter-Partei ein Plazet für eine bedingungslose Koalition mit den Sozialisten zu geben. Das Werbekonzept ist ganz auf Friedrich Peter abgestellt. Dabei wurde sein Abbild so unglücklich auf Plakaten gesetzt, daß der Gedanke nicht abwegig ist, die eigene Parteiopposition sei für die Werbestrategie verantwortlich, der Friedrich Peter auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Jetzt schon machen sich seine Parteifreunde über die Zukunft des Parteiobmanns nach dem 5. Oktober Gedanken. Da man auf eine Niederlage setzt — das Erreichen des derzeitigen

Mandatsstands von 12 Mandaten würde einem Verlust von zwei Mandaten gleichkommen —, sind derartige Gedanken durchaus berechtigt.

„Zusammenarbeit für Österreich“, „miteinander — nicht gegeneinander“ und „Taus macht's besser“ lauten die Parolen der Volkspartei, die ans Unterbewußte im Österreicher appellieren. Die Kette von kalten Duschen an der Wirtschaftsfront und das Gefühl, daß es so einfach nicht weitergehen könne — Budget-loch, die Zahl der Arbeitslosen, Unsicherheit über die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft — «'ochsen unerbittlich. Mönche, die fröhlich auf Urlaub gefahren sind, haben nach ihrer Rückkehr erfahren müssen, daß sich Österreich sehr wohl im Sog einer internationalen Krisenentwicklung befindet. Hoffnungen auf einen schönen Herbst wurden längst aufgegeben. In dieser Situation empfinden es, wie Meinungsumfragen nachdrücklich bestätigen, alle als das beste, uienn wenigstens die Parteien zeitweise zusammenstehen würden, um der Probleme Herr zu werden.

Wenn man einmal vom Non-Valeur der FPÖ absieht, haben auch die Sozialisten noch immer keine Wejbe-linie gegen ÖVP-Obmann Josef Taus gefunden. Die aggressiven Attacken von Zentralsekretär Marsch werden auch von Meinungsumfragen eher als Unterstützung der ÖVP empfunden. Dazu kommt die äußerst re-signative Haltung des «sozialistischen Parteiobntanns und Bundeskanzlers

Kreisky, die sich etwa darin ausdrückt, sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Er will, wie er nun schon mehrmals versichert hat, daß die „Jungen“ in den Parteien den Wahlkampf unter sich ausmachen. Diese Haltung muß zwangsläufig die Frage nach dem Nachfolger des 64jährigen Kreisky aufwerfen. Josef Taus gab schon polemisch zu verstehen, daß ihn die SPÖ doch nicht zwingen könne, eine „Simultanpartie“ gegen Kreisky-Nachfolger zu spielen, wobei gar nicht bekannt ist, ob nun Androsch, Gratz oder Broda Kreisky in der Parteiführung oder am Ballhausplatz beerben sollen...

Sturm und Drangperioden von Parteien währen nicht ewig. Die SPÖ mußte dahinterkommen, daß sie just im Vorfeld eines neuerlichen Wahlsiegs auslaufen können. Das drückt auf die Stimmung: in den kleinsten Sektionen ebenso wie an der Spitze. Und Resignation ist nun einmal kein Wahlkampf-Stimulator. Die derzeitige Praxis der SPÖ, den Sohn eines Arbeiters und Generaldirektors eines Finanzierungsinstituts für kommunale Investitionen, Josef Taus, zum Kapitalistenvertreter zu stempeln, führt in die Niederungen eines Klassenkampf-Modells.

Eine neue Situation für die Sozialistische Partei hat den Vorhang für eine orthodoxe SPÖ aufgetan. Flexibilität verrät es nicht, wenn eine Partei zur Polemik zurückgreift, um geänderten Problemen begegnen zu können.

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